Missbrauchsgipfel im Vatikan: Verfahren klären, Haltung ändern
Gudrun Sailer und Fabio Colagrande - Vatikanstadt
Die Verfahren zum Umgang mit Missbrauch seien zur Stunde „nicht sehr klar“, sagte Zollner im Gespräch mit Vatican News und benennt vor allem Fälle geteilter Verantwortung, wenn also Bischöfe, Provinzobere eines Ordens oder Obere einer Ostkirche über Vorgänge befinden sollen, die im Verantwortungsbereich anderer Bischöfe, Provinziale oder Ordensoberer liegen. „Und das zweite ist: über die Verfahren hinaus müssen wir die Haltung ändern. Die Regeln, die Gesetze als solches, ändern nicht die Herzen: das sehen wir nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt“, sagte Zollner. Daher müsse der Missbrauchsgipfel dringend „die Haltung der Öffnung und der Achtsamkeit für den Kinderschutz“ verstärken: „denn das ist die Haltung, die Jesus ins lehrt“.
Zu dem Treffen vom 21. bis 24. Februar im Vatikan sind die Vorsitzender aller 113 Bischofskonferenzen auf der Welt eingeladen, darüber hinaus Ordensobere, die Verantwortlichen der Ostkirchen sowie an die 70 Fachleute. Die gesamte Kirche, repräsentiert von diesen Verantwortlichen, müsse „wirklich zur Kenntnis nehmen“, wie dringend es sei, Kinderschutz und Gerechtigkeit für die Opfer „als Priorität für alle Aktionen der Kirche zu setzen: für Apostolat, Mission, Bildung und alles, was die soziale und die Arbeit der Nächstenliebe anlangt“, sagte Zollner.
Papst Franziskus hatte in seiner Weihnachtsansprache an die Kurie diesmal lange über die Missbrauchskrise gesprochen. Als ungewöhnlich vermerkten Beobachter, dass der Papst bei dieser Gelegenheit die Aufdeckungsarbeit der Medien würdigte, die das Thema Missbrauch in der Kirche breit beleuchtet hatten. Zollner sagte, ihm selbst seien in diesen Jahren „fast ausschließlich ehrliche Journalisten“ untergekommen. „Selten habe ich Leute getroffen, die einfach zerstören und den Skandal suchen wollen, wo keiner ist“, so der Jesuit, Psychologieprofessor und Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana. „Medienleute arbeiten den Skandal heraus, der von einem Mitglied, von einem Repräsentanten der Kirche geschaffen wurde, und das ist etwas, das uns helfen muss, ehrlich zu sein, zu unserer Verantwortung zu stehen und konsequente Entscheidungen zu treffen.“
Zollners Mitbruder Pater Federico Lombardi hatte jüngst in der angesehenen Jesuitenzeitschrift „La Civiltà Cattolica” bilanziert, welche Konsequenzen die Kirche in den vergangenen Jahren auf das massive öffentliche Bekanntwerden von Missbrauchsfällen gezogen hatte. Es sei noch viel zu tun, „aber zugleich fangen wir nicht von Null an“, resümiert Lombardi im Gespräch mit uns.
„Die Bischofskonferenzen vieler Länder haben wichtige Initiativen gestartet, sie haben versucht zu verstehen, was Sache ist, wie man den Schwierigkeiten der Opfer entgegenkommen und wie man eine Kultur der Prävention aufbauen kann. Auch auf weltkirchlicher Ebene: vor allem Papst Benedikt XVI. hat die kirchenrechtlichen Normen zum Strafausmaß von Verbrechen erneuert, darunter Missbrauch von Minderjährigen, eines der schlimmsten Verbrechen. Und die Glaubenskongregation schickte Briefe an die Bischofskonferenzen mit der Aufforderung, Leitlinien zu entwerfen.“ Beim Kinderschutz voranzugehen, schloss Pater Lombardi, helfe nicht nur der inneren Erneuerung der Kirche, sondern sei auch ein Dienst an der umgebenden Gesellschaft.
(vatican news)
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