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Der Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp von der Theologischen Fakultät Paderborn Der Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp von der Theologischen Fakultät Paderborn 

50 Jahre Römisches Messbuch: „Wie wenn ein Baum gestutzt werden muss"

Papst Paul VI. hat vor genau 50 Jahren, am 3. April 1969, das Römische Messbuch veröffentlicht. Es schreibt die Praxis des Gottesdienstes nach der Liturgiereform des Konzils fest. Über das Neue der neuen Messe sprachen wir mit dem Paderborner Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp.

Der 34 Jahre alte Priester der österreichischen Diözese Gurk hält sich derzeit zu einem Forschungssemester in Rom auf.

Vatican News: Herr Kopp, was waren die großen Anliegen des Römischen Messritus von 1969?

Kopp: „Ein wesentliches Anliegen war sicher die Aufwertung der Heiligen Schrift, dass sie im Gottesdienst eine größere Rolle spielt. Wir sprechen heute nicht mehr von der „Vormesse“, sondern vom Wortgottesdienst der Messfeier, mit den zwei Teilen Wortgottesdienst und eucharistische Liturgie. In der Liturgiekonstitution steht, dass den Gläubigen der Schatz der Bibel reicher aufgetan wird – es wird vom „Tisch des Wortes Gottes“ gesprochen. Und damit verbunden eine neue Leseordnung, was vielen dann auch theologisch fundiert wichtig war.“

Vatican News: Natürlich gab es auch wichtige Neuerungen beim Hochgebet.

Kopp: „Genau. Beim Hochgebet gab es erstmals eine größere Vielfalt. Neben dem Canon Romanus, der als erstes Hochgebet erhalten blieb, stehen seither weitere Hochgebetstexte zur Auswahl. Auch im Wortgottesdienst gibt es nun Variationsmöglichkeiten, beispielsweise die Fürbitten als allgemeines Gebet der Gläubigen.“

Vatican News: Die Fürbitten gab es vorher nicht?

Kopp: „Die wurden wiedereingeführt, genau. Dieses Element gab es zum Teil außerliturgisch. Es ist mir etwa in historischen Ritualien begegnet - am Ende der Predigt, die auch außerliturgisch war. Womit wir schon beim nächsten Punkt wären: der Homilie. Auch diese wird wieder zu einem Teil der Liturgie selbst, wie das Konzil sagt, und erfährt damit auch eine neue Aufwertung. Abgeschlossen wird die Predigt heute mit den Fürbitten, die in die Liturgie aufgenommen wurden und speziell auch mit den Gläubigen verbunden sind, sie sind nicht mehr bloß das Tun der Kleriker.“

Hier das Interview zum Hören:

Vatican News: Wie sieht das Verständnis der Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammengefasst aus?

Kopp: „Man kann es vielleicht an den Anfangsworten des alten ,Ritus Servandus´ von 1570 bis 1962 sehen. Dort hat es geheißen ,Sacerdos missam celebraturus´, im Blick war also der Priester. Dem gegenüber heißt es dann im erneuerten Ordo 1969/70: ,Populo congregato´. Damit wird deutlich, dass, wenn das Volk versammelt ist, die Eucharistiefeier beginnt. Es gibt also einen Perspektivenwechsel, liturgietheologisch und auch ekklesiologisch, hin zum Volk Gottes als Subjekt der Liturgie.“

Vatican News: Vor der Liturgiereform sah die Messe ganz anders aus, wurde anders gefeiert, anders wahrgenommen. Was ist weggefallen, wenn wir uns die neue und die alte Messe im Vergleich anschauen?

Kopp: „Wenn man es so sagt, kann das auch problematisch gesehen werden. Denn dann werden Alt und Neu als völlige Gegensätze dargestellt. Ich würde demgegenüber sagen, dass der ,Novus Ordo´ keine neue Erfindung war, sondern eine Weiterentwicklung des Römischen Ritus. Zum Beispiel wurden an bestimmten Stellen Wiederholungen weggelassen oder Kreuzzeichen, von denen keiner mehr den tieferen Sinn kannte. Bildlich gesprochen, wie wenn ein Baum geschnitten werden muss. Andererseits fand eine Aufwertung statt: Das Wort Gottes wurde im Wortgottesdienst der Messfeier wieder bewusst wahrgenommen, und damit fand eine Neuakzentuierung statt. Spricht man aber von einem ,neuen Ritus´, taucht oft der Vorwurf auf, es habe ein Bruch stattgefunden.“

Vatican News: Die Art und Weise, wie wir die heilige Messe feiern, ist vielfach Kritik ausgesetzt. Oft wird bemängelt, dass unsere Messe, wie wir sie heute in Europa feiern, zu steif und feierlich daherkomme und daher gerade für junge Menschen unattraktiv sei. Was sagt ein junger Liturgiewissenschaftler wie Sie dazu?

Kopp: „Ich würde eine gewisse liturgische Vielfalt starkmachen, sie neu entdecken. Es gibt die Messfeier als Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens. Aber ein Höhepunkt lebt auch davon, dass man die Mühe des Aufstiegs auf sich nimmt, und ein Mittelpunkt lebt davon, dass es ein Umfeld gibt. Ich würde auch im Hinblick darauf, dass es eine große Lebendigkeit der liturgischen Tradition gibt, noch einmal hervorheben, dass die Messe ein gutes Umfeld hat, über das man auch immer näher zu diesem Zentrum hinkommt.“

Vatican News: Nochmal mit Blick auf junge Leute nachgehakt: Zählen für Sie liturgische „Eventformen“ wie Taizé- und Weltjugendtagsfahrten oder 24-Stunden-Anbetungen zu dem Umfeld, das auf die heilige Messe vorbereitet?

Kopp: „Genau. Diese Formen, die Sie nennen, wie die Anbetung, sind ja keine isolierten Phänomene – oder sollten liturgietheologisch nicht so betrachtet werden – sondern auch in einem lebendigen Austausch mit der Messe. Auch in diesen Formen pflegen Jugendliche klassische Liturgieformate, zu denen sie offensichtlich auch einen Zugang haben. Demgegenüber haben wir zum Beispiel in der City-Pastoral oft die Situation, dass Menschen eigentlich keinen Zugang zur Liturgie haben. Da helfen oft niederschwellige Formen, etwa ein Mittagsgebet – sodass Menschen berührt sind, auch zu Messfeiern kommen und sich fragen, was da geschieht.“

Vatican News: Wie aktuell ist die Vorstellung, dass wir Gott im Gottesdienst am nächsten kommen?

Kopp: „Ich glaube, sie ist sehr zeitlos, weil man Liturgie überzeitlich begreifen kann als Kommunikationsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Sie ist nach der christlichen Vorstellung eine Quelle unseres Lebens. Natürlich kann ich Gott auch in anderen Bereichen finden, und es ist gut, wenn ich im Nächsten Gott finde oder in der Schriftbetrachtung einen Zugang zu ihm finde. Es gibt so viele Formen, die Gottesbegegnung ermöglichen - aber die Liturgie hat dabei eine herausragende Bedeutung.“

Das Gespräch führte Gudrun Sailer.

(vatican news)

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01. April 2019, 15:06