Fall Orlandi: Gräberöffnung auf deutschem Friedhof im Vatikan
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Sophie von Hohenlohe, gestorben 1836 – und Charlotte von Mecklenburg, gestorben 1840. Das sind die zwei Gräber auf dem deutschen Friedhof im Schatten von Sankt Peter, die unter den wachsamen Augen der vatikanischen Gendarmerie geöffnet werden.
Zuständig für die Operation ist Giovanni Arcudi, Experte für forensische Anthropologie aus Rom. „Wir gehen davon aus, in den zwei Gräbern Skelettreste zu finden“, sagt er im Gespräch mit Radio Vatikan. „Ich werde alles tun, was nach den internationalen Standards für die Identifizierung der Skelettreste und ihre Datierung getan werden muss, um Alter, Geschlecht, Größe und ähnliches zu bestimmen.“
Mit seinen Mitarbeitern will Arcudi „Knochen für Knochen vornehmen und ihre Charakteristika und morphologischen Aspekte untersuchen“.
Wie lange das Ganze dauern wird? „Das kann ich jetzt noch nicht vorhersagen, denn es hängt vom Zustand, der Qualität und der Menge der Reste ab, die wir finden werden. Davon, ob man sofort sagen kann, dass das ein vollständiges Skelett ist oder nicht. Solche Schwierigkeiten sind nicht vorhersagbar. Standardmäßig dauert so etwas – es sind ja zwei Gräber – zwischen drei und fünf Stunden. Aber ich habe erlebt, dass man häufig viel mehr Zeit braucht. Es kann ja auch Unerwartetes geschehen, irgendwelche Probleme bei der morphologischen Identifizierung… Wir sprechen hier ja von Knochen, die womöglich älter als 150 Jahre sind. Viel hängt da auch von den Umweltbedingungen ab, vom Mikroklima, von der Feuchtigkeit. Wie lange es dauert, das ergibt sich aus dem Erhaltungszustand der Knochen. So etwas kann man vor Öffnung der Gräber nicht vorhersagen.“
Datierung der Knochen ist schnell möglich
Immerhin glaubt der Experte, dass sich schon aus den ersten Analysen an den Knochen eine „mehr oder weniger genaue“ Datierung vornehmen lässt. „Wir können unterscheiden, ob das ein Knochen ist, der zehn Jahre alt ist, oder einer, der dort schon seit fünfzig oder 150 Jahren liegt. Auch das Geschlecht können wir gleich bestimmen, wenn die Knochengerüste alle gut erhalten sind. Wir können nach der ersten Untersuchung auch gegebenenfalls ausschließen, dass die Skelettreste zu anderen Personen gehören als den beiden dort bestatteten.“
Bange Rückfrage: Und wenn man doch noch andere Knochenreste findet als die der zwei adeligen Frauen des 19. Jahrhunderts? Dann, so antwortet der Experte, werde die Untersuchung viel länger dauern. Auf jeden Fall werde man aber die DNA der gefundenen Reste analysieren, „um zu Gewissheiten zu kommen und definitiv und kategorisch ausschließen zu können, dass sich in den zwei Gräbern auch ein sterblicher Überrest der armen Emanuela befindet“.
Parolin stimmte der Gräber-Öffnung zu
Bei der Operation werden auch Angehörige Emanuela Orlandis sowie jener Personen anwesend sein, die in den zwei Gräbern bestattet sind. Die Familie Orlandi hatte in den vergangenen Monaten infolge eines anonymen Hinweises die Mutmaßung geäußert, Emanuelas Leiche könne auf dem deutschen Friedhof neben dem Petersdom verborgen sein. Anfang März richteten die Orlandis einen Brief an den vatikanischen Staatssekretär Pietro Parolin mit der Bitte, ein bestimmtes Grab auf dem Friedhof zu öffnen.
Der Justizpromotor des Vatikan-Tribunals führte daraufhin zusammen mit der Vatikan-Gendarmerie Vorermittlungen durch, wie aus einer Mitteilung des Vatikans hervorgeht. Allerdings habe der Vatikan keine juristischen Kompetenzen, das Verschwinden von Emanuela Orlandi zu untersuchen, weil die junge Vatikanbürgerin zuletzt auf italienischem Boden gesehen worden sei. Die italienischen Behörden hätten die Untersuchungen von Beginn an gewissenhaft und professionell durchgeführt, so der Vatikan. Die Öffnung der Gräber betreffe nur die Frage, ob Emanuela Orlandi hier bestattet sei.
Der deutsche Friedhof liegt unmittelbar südlich vom Petersdom. Er ist ausschließlich über vatikanisches Staatsgebiet zugänglich.
(vatican news)
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