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Kardinal Kurt Koch Kardinal Kurt Koch 

Ratzinger-Schülerkreis: Kirche soll Weiheamt stärken

Der Ratzinger-Schüler – also ehemalige Studenten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. – haben bei ihrer diesjährigen Tagung in Rom über die Herausforderung des kirchlichen Weiheamtes gesprochen. In einem öffentlichen Symposium hat der Bonner Dogmatikprofessor Karl-Heinz Menke das sakramentale Amt in der Kirche in Beziehung zur Eucharistie und dem Leib Christi definiert.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Es war das erste Mal, dass der Ratzinger-Schülerkreis ihre Tagung auch einem breiteren Publikum öffneten. Nachdem sie zwei Tage lang im Vatikan getagt haben, fand am Samstagnachmittag im Augustinianum in Rom ein öffentliches Symposium statt. Im Mittelpunkt stand ein Hauptvortrag des Theologen Menke. Er sprach über das sakramentale Amt in der Kirche und erläuterte die Unterschiede im Amtsverständnis zwischen der katholischen Kirche und der protestantischen Theologie. So sei für die katholische Kirche der sakramentale Charakter des Weiheamtes eines Bischofs, Priesters und Diakons sowie die Beziehung zur Eucharistie konstitutiv, betonte Menke.

Problem des Priestermangels und der Missbrauchskrise

Eröffnet wurde das Symposium von Kurienkardinal Kurt Koch. Er führte in das Thema ein und nannte auch die Herausfoderungen des Weiheamtes in der heutigen Zeit. Wie er im Gespräch mit Radio Vatikan sagte, könne die Theologie Ratzingers/Benedikts XVI. auch heute noch dem theologischen Verständnis des Weiheamtes viel geben und prägen. Die Herausforderungen in der heutigen Zeit seien einerseits durch den Priestermangel und andererseits durch die Missbrauchskrise geprägt, erläuterte Kardinal Koch.

Hier ein Transkript unseres Interviews mit dem Dogmatiker und vatikanischen Ökumeneverantwortlichen Kardinal Koch:

„Ich denke, wir haben heute mit Blick auf das Weiheamt viele Probleme. Zunächst einmal, dass wir einen großen Priestermangel haben in sehr verschiedenen Regionen, und wenn das Priestertum zur katholische Identität der Kirche gehört, dann ist das natürlich eine schmerzliche Erfahrung. Zweitens kommt die schreckliche Erfahrung der Missbräuche durch Priester hinzu, die die Identität des priesterlichen Amtes in Frage gestellt haben und als Reaktion dann gefordert wird, dass wir die Amtstheologie ändern müssen. Ich stimme dem natürlich zu, dass wir alles tun müssen, um diese Krise zu überwinden, aber die können wir nicht überwinden, indem wir die Identität des Amtes in Frage stellen. Deshalb war es das Anliegen, gleichsam die biblischen Grundlagen und die kirchlichen, fundamentalen Entscheidungen mit Blick auf das Weiheamt neu in Erinnerung zu rufen, um so zu einer geistlich-theologischen Erneuerung des Weiheamtes anzuregen."

Mario Galgano: Was ist der Beitrag der Theologie Ratzingers, Benedikt XVI. in der heutigen Zeit dazu, wie wir die Weihe wahrnehmen sollten, können dürfen?

„Die Theologie von Joseph Ratzinger, Papst Benedikt, ist ja eine Theologie, die sich ganz an der Bibel und damit am Wort Gottes orientiert. Deshalb geht er bei der Identitätsbestimmung des priesterlichen Dienstes in erster Linie davon aus, dass der Priester Verkünder des Wortes Gottes ist. Er bezieht sich gern auf das Bild des Heiligen Augustinus, der sagt, dass in der Heiligen Schrift Johannes der Täufer die Stimme genannt wird, wohingegen Christus das Wort ist. In diesem Verhältnis zwischen Stimme und Wort sieht er die Identität des Priesters, der die Stimme sein muss für das Wort Gottes. Nun kommt im Christliche spezifisch hinzu, dass das nicht ein abstraktes Wort ist, sondern ein Wort, das Fleisch geworden ist und dementsprechend in den Sakramenten auch erfahren werden kann. Deshalb ist das priesterliche Amt, das Weiheamt überhaupt mit der Spendung der Sakramente unlösbar verbunden."

Unterschiede zwischen Weihepriester und gemeinsame Priestertum

Beim Symposium wurden vier Stellungnahmen von Theologen und Ratzinger-Kenner vorgestellt. María Esther Gómez de Pedro aus Santiago de Chile ging auf das „gemeinsame Priestertum aller Gläubigen“ ein, stellte aber klar, dass es sich vom Weihepriestertum unterscheide.

Der Trierer Kirchenrechtler Christoph Ohly unterstrich die Bedeutung des geweihten Amtes in der Kirche, denn ohne Priester sei eine Kirche undenkbar, weil sie „dem Willen Jesu Christi nach nicht möglich ist“. Wie auch Professor Menke hervorhob, müsse man die Besonderheit des Weiheamtes vor zwei Fehlentwicklungen schützen. Einerseits dürfe man das Priesteramt nicht als „Beruf“, also als Job, verstehen. Bereits als Theologe habe Joseph Ratzinger vor das rein funktionalistische Verständnis des Priester-Seins gewarnt. Das zweite Extrem, das es zu vermeiden gelte, sei die Idee, dass der Priester „aus sich heraus“ wirke. Das führe zum Verständnis, dass der Priester der „Verantwortliche für die Verbindung zu Gott“ sei.

Bedeutung des Zölibats

Im dritten Statement ging die Wiener Theologin Marianne Schlosser auf die Zölibatsfrage ein. Sie erläuterte, dass es bereits im 14. Jahrhundert zu Diskussionen kam, die dann im 19. Jahrhundert wieder aufflammten. Sie warnte vor einer „Verbürgerlichung“ des Priesteramtes, weil mit einer Freistellung des Zölibats die Entscheidung zur Ehelosigkeit zur Privatangelegenheit verkommen würde. Dies würde unweigerlich die allgemeine Bedeutung des Zölibats mindern und somit dessen Charisma entziehen.

Die letzte Stellungnahme vor der Podiumsdiskussion lieferte der deutsche Kurienkardinal und ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller. Er ging auf die Voraussetzungen für die Weihe ein und wies darauf hin, dass der Bischof die Verantwortung trage, gute Priesterkandidaten auszuwählen und zu begleiten. Er warnte davor, sich vor allem auf psychologische und soziologische Auswahlkriterien und Methoden zu setzen. Diese hätten ihre Wurzeln in atheistischen Philosophien. Wichtiger seien „tugendhafte Männer, die für den Glauben Zeugnis ablegen“. Niemand habe ein Anrecht auf ein Amt, weil es ein Geschenk Gottes sei, der zum Weiheamt berufen. Zum Priester werde man somit, „erwählt, gesendet und befähigt“, so Kardinal Müller.

Tagungsbotschaft zum Weihepriestertum 

Der „alte“ sowie der „neue“ Schülerkreis – also sowohl ehemalige Ratzinger-Studenten, sowie heutige Ratzinger-Wissenschaftler – haben in einer gemeinsamen Botschaft festgehalten, dass um dieser Herausforderungen Herr zu werden eine spirituelle Erneuerung erforderlich sei. Diese könne aber nur auf der Grundlage der Heiliger Schrift sowie der kirchlicher Tradition geschehen, so die Botschaft, die am Ende verlesen wurde.

Wir dokumentieren hier die Tagungsbotschaft von Kardinal Kurt Koch:

1.   Mit dem Symposion zum Thema „Aktuelle Herausforderungen des kirchlichen Weiheamtes“ haben der Schülerkreis und der Neue Schülerkreis von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. nach vielen Jahren erstmals eine größere Öffentlichkeit gesucht. Die Entscheidung dazu erfolgte aus der Überzeugung, dass die Zeit gekommen ist, das theologische Denken des emeritierten Papstes einem breiteren Publikum in Vorträgen und Diskussionen auch in dieser Weise zu erschließen. Wir sind froh und dankbar, dass dieser Einladung so viele Interessierte gefolgt sind und wir bringen unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass dies ein guter Auftakt auch für unser künftiges Arbeiten sein wird.

2.   Auch der Brief von Papst Franziskus an die Priester anlässlich des 160. Todestages des heiligen Pfarrers von Ars – vom 4. August 2019 – hat uns in der zuvor getroffenen Entscheidung bestärkt, uns dem Thema des kirchlichen Weiheamtes zu widmen. In einer „Zeit des Leidens“, überschattet durch den Skandal des Missbrauchs, stellen wir uns dieser Herausforderung, um „nach Worten und Wegen der Hoffnung“ zu suchen, damit in den „Zeiten der kirchlichen Reinigung“ von neuem die Schönheit und Bedeutung des kirchlichen Weiheamtes als ein Geschenk des Herrn an seine Kirche erkannt und angenommen werden kann. Deshalb haben wir in unseren Überlegungen einen besonderen Akzent auf das sakramentale Weihepriestertum gelegt und es im Licht der Theologie von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. zu durchdringen versucht.

3.   Die Aussagen zum Weihepriestertum stehen in untrennbarem Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Kirche. Dabei lehnt sich die Theologie Joseph Ratzingers an das II. Vatikanische Konzil an und bietet eine authentische Interpretation desselben. Dies hatte bereits Papst Johannes XXIII. anerkannt, als er den von Professor Ratzinger für Kard. Frings vorbereiteten Vortrag zum Thema „Das Konzil und die moderne Gedankenwelt“ mit großer Zustimmung zur Kenntnis nahm. Das letzte Konzil bezeichnet die Kirche als „allumfassendes Heilssakrament“ (LG 48). Als solches ist sie „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). In der Kirche setzt der Auferstandene sein Heilswerk fort. In der Taufe gleichgestaltet mit Christus und der Kirche als seinem Leib eingegliedert erhält der Christ Anteil am Ewigen Leben und ist berufen, den Weg der Heiligkeit zu gehen. Zu einem solchen Leben und Zeugnisgeben sind alle Getauften im gemeinsamen Priestertum berufen. Im inneren Zentrum der Kirche sind – dies kommt in der Theologie Joseph Ratzingers deutlich zum Tragen – jene Menschen, die ein heiligmäßiges Leben führen. Darin besteht das Ziel des Christseins: die Gleichgestaltung mit Jesus Christus. Daher sind wir dankbar für alle Zeugnisse dieser Heiligkeit in Ehe und Familie, im gottgeweihten Leben und in allen anderen Formen, die sich auch heute in der Kirche finden lassen.

4.   Um das Weiheamt zu verstehen, bedarf es einer sakramentalen Perspektive, wie sie im letzten Konzil dargelegt wird. Christus der Herr hat in seiner Kirche verschiedene Weiheämter eingesetzt, „die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind“ (LG 18). Berufung und Existenz des Priesters werden allein vom Willen Jesu Christi her bestimmt (vgl. Hebr 5,1ff) und leiten sich nicht ab von menschlichen Überlegungen oder kirchlichen Festlegungen. In ihm und mit ihm wird der Priester zum „Verkünder des Wortes und zum Diener der Freude“.

5.   Die Gleichgestaltung mit Christus, die der Priester im Sakrament der Weihe empfängt, unterscheidet sich nicht allein dem Grade, sondern dem Wesen nach vom gemeinsamen Priestertum (vgl. LG 10). Der Priester handelt „in der Person Christi, des Hauptes der Kirche“ (agere in persona Christi capitis). Er ist kein Funktionär, vielmehr vollzieht er im Sein mit Christus seine von Gott her kommende Sendung. Dies wird besonders deutlich in der heiligen Vollmacht, von Sünden loszusprechen, Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi zu verwandeln, sowie die anderen Sakramente zu feiern. Der Priester repräsentiert auf sakramentale Weise Christus als den Guten Hirten (vgl. Joh 10,10). In diesem personalen Zueinander von Christus und Kirche, von Priester und Gläubigen, liegt gemäß der Lehre der Kirche der entscheidende, weil wesenhafte Grund für die sakramentale Repräsentanz Christi im Priester. Dabei repräsentiert er nicht Christus, wie es ein Botschafter täte, vielmehr handelt es sich um eine Real-Repräsentation, wobei die Kreuzesnachfolge das entscheidende Kriterium ist.

6.   Von daher lassen sich grundsätzliche Aussagen im Hinblick auf den priesterlichen Lebensstil ableiten, der in Einklang mit dem Lebensstil Christi stehen muss. Nur dann wird die „Repräsentanz“ des Priesters glaubhaft. Die Präsenz Christi darf nicht allein auf die sakramentale Handlung beschränkt werden, sondern muss im täglichen Leben erkennbar und wirksam werden. Daraus ergeben sich die Verpflichtungen zum Gehorsam und zum Zölibat als Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, die menschlicher und geistlicher Ausdruck der sakramentalen Gleichgestaltung des Priesters mit Christus sind. Folglich impliziert die Priesterweihe die persönliche Nachfolge Christi, während die Sünde jener Skandal ist, der die Glaubwürdigkeit verdunkelt. Da der Priester von Christus her existiert, ist auch die Teilhabe an der Lebensweise Jesu „angemessen“ (PO 5) für diejenigen, die in seiner Person handeln. Der Zölibat ist daher gemäß der ständigen Tradition der Lateinischen Kirche ein sprechendes Zeugnis der glaubenden Hoffnung und der großherzigen Liebe zu Christus und seiner Kirche.

7.   In Zeiten der Krise und der schmerzhaften Reinigung der Kirche sind es nicht in erster Linie Strukturreformen, die Heilung und Hilfe bringen, sondern das authentisch gelebte Glaubenszeugnis. Nur wenn sich der gemeinsame Blick auf Jesus Christus als wahrer Mensch und wahrer Gott richtet, wird sich die Kirche erneuern.

8.   Die Aussage des hl. Paulus „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe“ (vgl. 1 Kor 11,23) spiegelt das Wesensmerkmal des Priesters wider. Die Größe dieses Geschenkes ist durch Skandale verdunkelt und die Glaubwürdigkeit erschüttert. Ein Ausweg kann nur gefunden werden, wenn klar ist und bleibt, worin das Wesen des kirchlichen Weiheamtes besteht und es durch das Leben bezeugt wird. Die Theologie Joseph Ratzingers / Papst Benedikt XVI. gibt Antworten auf diese doppelte Herausforderung und zeigt einen Weg auf, der sich der Überlieferung verbunden weiß und zu jener Reform führt, die das Leben auf Christus hin ausrichtet und ihm Glaubwürdigkeit verleiht.

9.   Das Studium und das Gebet dieser Tagung vertrauen wir der Fürsprache und dem Beistand der Jungfrau und Gottesmutter Maria an, der Mutter der Kirche.

Rom, am 28. September 2019

Schülerkreis und Neuer Schülerkreis

Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.

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29. September 2019, 09:02