Hinter den Kulissen der Amazonien-Synode
Wie geht es voran?
Die Synode fräst sich in Suchbewegungen durch ihre vielen Themen und Unterthemen. Man hat hier täglich vor Augen, dass alles mit allem zusammenhängt, wie Papst Franziskus in seiner Sozialenzyklika “Laudato Si” geschrieben hat. Da geht es um den großen Blick auf das Ganze und die lokalen, aber tödlichen Probleme einzelner Gemeinschaften von Menschen in Amazonien.
Zum Beispiel?
Es geht um Kadmiumvergiftung von Flüssen durch illegalen Raubbau, ein Bischof sagte sehr eindringlich, in keiner seiner Pfarreien gebe es sauberes Trinkwasser; es geht um Drogen und Gewalt, abwandernde und entwurzelte Jugendliche, die Interessen der Großkonzerne, um vertriebene Indigene. Und das alles soll ja von der katholischen Kirche begleitet und ins Gute hinein verändert werden. Deswegen kommt beim zweiten großen Themenkomplex dauernd die Frage der An- oder Abwesenheit von Kirche auf, in diesen unendlich weit auseinanderliegenden Gemeinden in der Fläche. Es geht um Freikirchen und Evangelikale, die massiven Zulauf haben, weil sie Wohlstand predigen und oft viel näher dran sind an den Menschen. Zugleich geht man hier in der Synode auch dank der brüderlichen Delegierten aufeinander zu; es geht um die grundkatholische Frage nach Eucharistie und Sakramenten und darum, wie die Frauen, die längst in Amazonien Gemeinden leiten, das auch in anerkannter Form tun können.
Und was wären die ganz großen Fragen, von denen du gesprochen hast, die Überthemen der Synode?
Grob gesagt, sind es zwei. Ein soziales und ein kirchliches, eng verflochten. Das soziale Thema: wie können wir es schaffen, in der Frage der Ökologie das Ruder Richtung Nachhaltigkeit herumzureißen, beginnend mit Amazonien. Nachhaltige Ökologie meint soziale Gerechtigkeit, ein Wirtschaften, das beim Menschen ansetzt und auch den Menschen von Übermorgen im Blick hat.
Und das kirchliche Überthema: Wie können wir es schaffen, diese Wende hin zur Nachhaltigkeit auch in der katholischen Kirche zu verankern. Im Lehramt und in der Begleitung der Menschen an Ort und Stelle.
Da geschieht noch lange nicht genug, richtig?
Grundsätzlich geschieht da schon viel, also Ordensleute, Priester, Laien, verteidigen die Rechte der Menschen. Oft ist bei der Synode zu hören: Die Kirche ist die einzige verlässliche Anwältin der bedrohten Bevölkerungen in Amazonien, jener Leute, die in allen möglichen Formen dem gewaltsamen Tod ausgesetzt sind. Und die Kirche in Amazonien ist, weil sie die Menschen verteidigt, eine Märtyrerkirche. In der Synodenaula sitzt der Papst auf einem Podium, das Bilder amazonischer Märtyrer zeigt. Schwester Dorothy Stang und andere, weniger bekannte.
Heute, am Donnerstag, hat die Arbeit in den Sprachzirkeln begonnen. Du hast die Gelegenheit, dort dabei zu sein, was sind deine Eindrücke?
Zunächst, die Amazoniensynode ist eine der ganz wenigen ohne einen deutschen Sprachzirkel. Es gibt fünf spanische, vier brasilianische, zwei italienische und einen gemischten Sprachzirkel. Dem gemischen Sprachzirkel aus Englisch und Französisch gehören unter anderem auch die Kardinäle Marx und Hollerich an. In den beiden italienischen Zirkeln sitzen die meisten Kurienkardinäle, aber dafür leider keine einzige Frau. Ich war am Vormittag bei einem der spanischen Zirkel, da sprach nach langem Zögern auch ein Indigener, der wissen wollte, ob die Synode tatsächlich versteht, was die Wirklichkeit der Indigenen in Amazonien ist. Er demaskierte die idealisierende Vorstellung, die unsereins vielleicht vom indigenen Leben hat. Harmonie zwischen Indigenen und Natur, das sei nicht mehr unbedingt gegeben, da wird heute nicht mehr gefischt, um den Fisch selber zu essen, sondern der Fisch wird massiv gefischt und dann gut verkauft, Drogenanbau sei verbreitet, weil der mehr Geld bringt, also Kokain statt Kakao, solche Dinge. Der Indigenenvertreter sprach aber auch davon, dass sein Volk große Hoffnung hat auf diese Synode. Eine Erwartungshaltung, die andere etwas bedrückt hat, so schien es mir.
Hast du den Eindruck, dass es wirklich ein gemeinsames Voranschreiten ist?
Die überwiegende Mehrheit derer, die ich gehört habe, wünschen sich Veränderung. Soziale und ökologische Veränderung wünschen sich alle. Kirchliche Veränderung wünschen sich die meisten. Diejenigen, die auf dem Status quo beharren, indem sie zum Beispiel viri probati als “theologisch absurd” bezeichnen, werden auch gehört. Das ist gut, weil das hier ein ehrlicher, redlicher Austausch ist.
(vatican news)
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