Amazonien-Synode: Was gibt es Neues?
Gudrun Sailer: Zunächst eine Neuigkeit: der Papst hat heute die übrigen Mitglieder der Kommission ernannt, die das Schlussdokument erstellen. Und der österreichische Kardinal Schönborn ist darunter, was vielleicht überraschend kommt, denn Wien liegt bekanntlich nicht im Amazonas. Am Montagnachmittag hat Kardinal Schönborn seine Rede vor der Vollversammlung gehalten, und offenbar aufgrund dieser Rede hat der Papst ihn in die Kommission berufen, das ist zumindest mein Eindruck. Was Kardinal Schönborn im Plenum gesagt hat, darf ich nicht wiedergeben, aber was aufgefallen ist, war die Art, in der er sich geäußert hat. Er hat sein Statement in einer fragenden Grundhaltung vorgetragen, anders als die meisten anderen Synodenväter. Er mündete dann auch in einen sehr konkreten Vorschlag, aber dieses Fragende, das Suchende, der Vorschlag, der aus dem Zuhören herauskam, das steht für die Methode einer Synode.
Vatican News: Samstag, Montag und jetzt Dienstag waren bzw. sind ja wieder Vollversammlungen, dann geht es wieder in die Sprachzirkel. Kommen eigentlich noch neue Themen?
Gudrun Sailer: Es kommen nach wie vor viele Brechungen und Variationen von Themen, die alle schon im Grundlagendokument auftauchten. Das ist auch klar, das Grundlagendokument (“Instrumentum Laboris”) hat eine ganz breite Basis, es ist aus einer Befragung von nicht weniger als 87.000 Menschen am Amazonas hervorgegangen. Und es ist immer wieder aufregend, diese Brechungen der Realität zu hören. Heute haben nacheinander einige Indigene gesprochen, unter anderem über das, was ihre Identität ausmacht.
Vatican News: Und was ist dabei grundlegend?
Gudrun Sailer: Die Leben mit der Natur, in Harmonie, und, ganz wichtig: die Sprache. Wie fundemental es ist, dass die Seelsorger und Schwestern ihre Sprache lernen und sprechen, und dass ihnen nicht das Wort verboten wird. Ein indigener Katechet sagte, ein Pfarrer habe ihm verboten, quechua zu sprechen, und da sei er sich vorgekommen wie der blinde Bartimäus im Evangelium, der auf einen Baum klettert, weil er Jesus sehen will, und die anderen sagen ihm: sei still. Dieses “sei still”, das hören Indigene oft heute noch. Viele Indigene und ihre Fürsprecher machen auch unmissverständlich klar, was sie sich von der Kirche wünschen: eine Seelsorge der Anwesenheit, nicht Seelsorger auf Durchflug, Priester, die wegen der riesigen Distanzen nur ein, zweimal im Jahr vorbeikommen können.
Vatican News: Wie sehen denn die Lösungen aus, die in der Synode vorgeschlagen weden?
Gudrun Sailer: Ganz verschieden. Die Indigenen, aber auch viele Missionare, Synodenväter, Bischöfe, Priester, Schwestern, tragen da manches vor, und zwar aus ihrer Erfahrung. Ämter und Dienste für Frauen wird ganz häufig genannt, genauer gesagt, eine Institutionalisierung von Ämtern und Diensten, die Frauen in den Gemeinden am Amazonas de facto längst schon übernehmen, als Katechetinnen, Kommunionspenderinnen, Lektorinnen, Gemeindeleiterinnen. Der Ausgangspunkt von solchen Vorschlägen, und das ist wichtig, ist aber nicht die Ämterfrage an sich, also die Theorie, sondern die Praxis, die Wirklichkeit. Es ist erkennbar, dass da aus Amazonien wirklich eine Not zur Sprache kommt, eine eucharistische Not, ein Hunger nach Sakramenten, ein unfreiwilliges Fasten. Und die meisten in der Aula, so mein Eindruck, stimmen darin überein, dass die Kirche da in der Pflicht steht, weil Gläubige ein Recht auf die Sakramente haben.
Vatican News: Wie großen Raum nehmen denn bei der Amazoniensynode die ökologischen und sozialen Fragen ein?
Gudrun Sailer: Einen sehr großen. Am erschütterndsten sind auch da die Einlassungen von Indigenen, ihre Erzählungen davon, wie ihr Urwald, ihr Zuhause, zerfressen wird und wie stark ihre Existenz bedroht ist, ökologisch, aber auch durch nackte Gewalt von Akteuren, die stärker sind als sie: Großkonzerne, Großgrundbesitzer, Agrobusiness. Das ist sie, die Wirtschaft, die tötet. Was vielleicht noch ein wenig unterbelichtet ist, das ist der theologische Überbau, also etwa wie neue, stärkere Formen der Gerechtigkeit, auch gerechtes Wirtschaften, ins Lehramt der Kirche kommt. Ich merke aber, dass das in den Sprachzirkeln vertieft wird mithilfe von Theologen, die als Berater dabei sind. Und auch da ist die Hinwendung zur Erde und zur Weisheit der Indigenen ein Weg. Einer sagte, in nur 50 Jahren haben die Konzerne, die an den Amazonas vorgedrungen sind, diese Gebiete ruiniert. Sie sind von außen gekommen mit ihrer Logik des Profits. Jetzt muss man auf eine Form des Wirtschaften zielen, das “von innen” kommt, von der Weisheit der Indigenen. Es braucht eine Pro-Life-Ökonomie, keine Profit-Ökonomie. Die Amazoniensynode könnte den Anstoß dazu geben, das noch viel stärker zu vertiefen. Das selbst zu tun, ist nicht ihr Kernauftrag, denn es ist im Wesentlichen eine Pastoralsynode.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.