Der Liturgiewissenschaftler Prof. Stefan Kopp Der Liturgiewissenschaftler Prof. Stefan Kopp 

Ökumene: Wir tun noch nicht alles, was wir könnten

Die Päpste seit Paul VI. haben die Ökumene mit ihrer je eigenen Handschrift liturgisch gestaltet. Welcher Papst dabei die größte Formenvielfalt entwickelt hat und wie Papst Franziskus die Ökumene in der Liturgie praktiziert, erklärt der in Paderborn lehrende Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp im Interview mit Radio Vatikan.
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Radio Vatikan: Welche unterschiedlichen liturgischen Handschriften haben die Päpste seit Paul VI.? Gibt es da eine klare Entwicklungslinie durch die Jahrzehnte oder sind die Unterschiede eher auf den Personalstil des jeweiligen Papstes zurückzuführen?

Stefan Kopp: Ich würde sagen, hier handelt es sich jedenfalls nicht nur um eine Frage des persönlichen Stils. Ein Blick auf die Beteiligung der Päpste an ökumenischen Gottesdiensten im 20. Jahrhundert macht in gewisser Weise einen Lernprozess deutlich. Papst Paul VI. war auf diesem Gebiet meines Erachtens ein Pionier unter den Päpsten. Er hat auf dieser Ebene die ersten ökumenischen Gottesdienste mit katholischer Beteiligung gefeiert. Unter ihm wurden bekannte Gottesdienstformen adaptiert – zum Teil auch auf eine Weise, die wir uns heute schwer vorstellen können: Zum Beispiel wurden dafür Teile des Eucharistischen Hochgebetes verwendet.

Radio Vatikan: Wie hat dann Johannes Paul II. in seinen fast 27 Jahren als Papst die Frage der ökumenischen Feiern gehandhabt? 

Stefan Kopp: Das Pontifikat Papst Johannes Pauls II. steht im Hinblick auf die ökumenische Gottesdienstkultur für die Etablierung einer gewissen Formenvielfalt. Durch seine vielen Auslandsreisen ist die Liste ökumenischer Gottesdienste lang. Allein in den ersten 20 Jahren seines Pontifikats stand er in der ganzen Welt 60 ökumenischen Gottesdiensten vor. Völlig neu gegenüber der Praxis von Paul VI. war unter Johannes Paul II. die Feier der Eucharistie mit Beteiligung ökumenischer Vertreter zu bestimmten Anlässen und regelmäßig zum Abschluss der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. In diesem Bereich war Papst Benedikt XVI. deutlich zurückhaltender als sein Vorgänger und setzte gedanklich wieder bei der Praxis Pauls VI. vom ökumenischen Gottesdienst als Wort-Gottes-Feier bzw. Vesper an. Auf dieser Linie liegt auch Papst Franziskus.

 

Radio Vatikan: Der Liturgie nach zu schließen ist Papst Franziskus der ökumenischste unter den letzten vier Päpsten? Stimmt das?

Stefan Kopp: Ich denke, so einfach kann man das nicht sagen. Papst Franziskus liegt in diesem Bereich grundsätzlich auf der Linie seiner Vorgänger seit Paul VI. Einen neuen und wichtigen Akzent setzte er aber etwa bei der Eröffnung des Reformationsgedenkjahres im schwedischen Lund am 31. Oktober 2016. Allein die Präsenz des Papstes bei dieser liturgischen Feier war schon etwas Besonderes. Dann kommt noch hinzu seine Gewandung und räumliche Positionierung – auch optisch wahrnehmbar als Bruder unter Geschwistern im Glauben. Dies zeigte für mich seinen ökumenischen Ansatz, dass neben Konsenserklärungen und dogmatischen Annäherungen auch solche Begegnungen wichtig sind. Begegnungen auf Augenhöhe mit gemeinsamen gottesdienstlichen Initiativen, die das ökumenische Ziel der Einheit des Christentums fördern können. Dazu passte auch die programmatische Überschrift der Feier „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“. Ein Weg, der unter Papst Franziskus weitergegangen wird. Ich denke, Franziskus möchte die offenen theologischen Fragen im Gehen des Weges beantworten und legt seinen Schwerpunkt auf Begegnung und Klärung im Unterwegssein. Er erinnert die getrennten Christen daran: Ökumenische Annäherung muss neben der theoretisch-theologischen auch eine praktisch-persönliche Dimension der Begegnung haben.

Radio Vatikan: 2015 hat Papst Franziskus ja auch der evangelisch-lutherischen Christusgemeinde in Rom einen Abendmahlskelch geschenkt, ein sehr symbolkräftiger Akt. Wie weit sind wir davon entfernt, dass dieser Papst auch ein gemeinsames Abendmahl möglich macht?

Stefan Kopp: Das kann man ganz schwer sagen. Ich bin als Wissenschaftler auch nicht Prophet oder Futurologe. Ich glaube, dass Franziskus ein gutes Gespür dafür hat, was möglich oder nicht möglich ist, zu welcher Zeit welches prophetische Zeichen wirken kann. Ich glaube, er wäre da in letzter Konsequenz auch sehr zurückhaltend, einen übereilten Schritt zu setzen. Aber nach meiner Wahrnehmung steht er schon dafür, dass die Möglichkeiten, die bereits bestehen, ausgenutzt werden. Das ist mir in den letzten Jahren auch nochmal sehr wichtig geworden und aufgefallen, dass das notwendig ist. Wir tun eigentlich noch nicht alles, was wir längst könnten. Ich denke zum Beispiel an ökumenische Initiativen wie zum Beispiel die ökumenische Feier der Tagzeitenliturgie. Das ist eine Form, gemeinsam zu leben, gemeinsam zu beten und das auch regelmäßig zu tun. 

Radio Vatikan: Haben Sie noch einige Zukunftsperspektiven, wie die Ökumene sich weiterentwickeln könnte?

Stefan Kopp: Für mich besteht unter Papst Franziskus die Perspektive, weitere offene theologischen Fragen noch im Gehen des Weges zu beantworten. Er legt seinen Schwerpunkt eben auf Begegnung und auf Klärung im Gehen. Ich denke, dieser Ansatz zeigt, dass ökumenische Annäherung neben einer theoretisch-theologischen Ebene auch eine praktisch-persönliche Ebene braucht. Da helfen auch regelmäßige Feiern von ökumenischen Gottesdiensten, die aber nicht am grünen Tisch erfunden werden sollen, sondern die aus der Tradition verschiedener Kirchen schöpfen und auch als gemeinsame Kraftquelle für christliches Leben erlebbar sind.

Die Fragen stellte Teresa Roelcke.

(vaticannews - tr)

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21. Januar 2020, 15:45