Traurige Premiere: Ostern im Vatikan ohne Gläubige
Wie genau das laufen wird, darüber berät der Vatikan noch intern. Wie soll man’s etwa mit dem Kreuzweg am Kolosseum halten, an dem seit 1750 immer Tausende von Menschen teilgenommen haben? Und ist ein „Urbi et Orbi“ nur per Fernsehen, einfach aus einem Vatikan-Saal nach draußen übertragen, wirklich vorstellbar?
„Ich habe bisher nichts Vergleichbares gefunden, nicht mal, als in Rom die Cholera wütete, oder in den Kriegszeiten.“ Das sagte Vatikan-Experte Ulrich Nersinger dem Kölner Domradio. „Man hat immer gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Aber man hat nie ganz auf die Zeremonie öffentlicher Gottesdienste verzichtet.“
Feiert der Papst in der Sixtina?
Nersinger könnte sich vorstellen, dass Franziskus die Liturgien der Kar- und Ostertage in die Sixtinische Kapelle im Apostolischen Palast verlegt. „Wie sind denn früher päpstliche Liturgien abgelaufen? Diese großen Liturgien, die wir aus den letzten Jahrzehnten kennen, gab es zwar früher in Rom auch, aber in einem anderen Maßstab und Umfeld. So sind viele Liturgien der Karwoche bis zum Jahre 1929, also bis zur Gründung des Vatikanstaates, nicht in St. Peter oder im Lateran gefeiert worden, sondern größtenteils in der Sixtinischen Kapelle.“
An diese Tradition könnte man doch jetzt angesichts der Corona-Krise anknüpfen, überlegt der Vatikankenner. „Das klingt vielleicht erst mal nicht sehr klug, weil ja die Sixtina ein abgeschlossener Raum ist. Aber man darf nicht vergessen, dass die Kapelle über eines der modernsten Belüftungssysteme der Welt verfügt – damals gedacht zum Schutz der Kunstwerke. Da überlegen auch momentan die Techniker im Vatikan, ob das nicht eine gute Möglichkeit ist.“
Santa Marta oder Audienzhalle wären wohl das falsche Ambiente
Im übrigen gebe es im Vatikan doch genug große Räume, in denen man auch die Liturgie feiern könnte. Aber man sollte dabei eine kluge Wahl treffen, findet Nersinger. „Da ist es auch wichtig, dass man das entsprechende Ambiente nimmt. Das Gästehaus Santa Marta oder die Audienzhalle wären vielleicht das falsche Zeichen. In diesen Zeiten erweckt das einen kühlen Eindruck, fast wie im Krankenhaus. Ich denke, man muss versuchen, Liturgien zu feiern in einem Rahmen, der auch das Gemüt anspricht.“
Ein Beispiel dafür, wie man es jetzt nicht machen sollte, könnte der Abschluss der Kinderschutz-Konferenz sein, die Papst Franziskus vor gut einem Jahr im Vatikan ausgerichtet hat. Da feierte er die Schlussmesse zusammen mit den Vorsitzenden von Bischofskonferenzen aus aller Welt in der prächtigen Sala Regia des Vatikans. Die Wandfresken, die u.a. die Schlacht von Lepanto zeigen, passten nicht zur Anti-Missbrauch-Botschaft, die der Papst nach draußen vermitteln wollte.
Urbi et Orbi über einem leeren Petersplatz?
„Eine Papstliturgie im Petersdom ohne Volk kann ich mir schwer vorstellen. Aber ich sehe seit ein paar Tagen einige Internet-Auftritte von Priestern, die doch sehr beeindrucken. Wo ein Priester mit dem Allerheiligsten in Italien allein, oder mit einer Begleitung, durch die Straßen geht und die Leute mit dem Allerheiligsten segnet. Es gab einen Priester, der auf einem kleinen Lastwagen mit der Madonna durch seine Stadt fuhr. Das sind Sachen, die ich sehr beeindruckend finde, die auch ein Gefühl vermitteln, dass Kirche bei einem ist.“
Nersinger kann es sich darum vorstellen, dass der Papst seinen Ostersegen wie üblich von der mittleren Loggia des Petersdoms aus erteilt, selbst wenn niemand auf dem Petersplatz ist. „Ich denke, das könnte sogar eine viel stärkere Wirkung haben. Ich könnte mir auch theoretisch vorstellen, dass der Papst die Palmensegnung auf dem leeren Petersplatz vornimmt und dann nach St. Peter zieht. Das wären Bilder, die sich doch sehr einprägen und die dann auch eine gewisse religiöse Bedeutung haben.“
Kardinal Stella: Jetzt müssen Priester erfinderisch werden
Am letzten Sonntag nach dem Angelus, der aus einem Saal des Apostolischen Palastes übertragen wurde, hat der Papst aus dem Fenster den leeren Petersplatz gesegnet – das war ein eindringliches Bild.
Aber ist es wirklich vorstellbar, dass die Kartage und Ostern dieses Jahr einfach ins Internet verlegt werden? Der Präfekt der vatikanischen Kleruskongregation, Kardinal Beniamino Stella, sagt uns im Interview:
„Es ist normal, dass einem das zu Herzen geht. Wir sind daran gewöhnt, die Karwoche und Ostern jedes Jahr ‚direkt‘ zu feiern. Aber dieses Jahr muss man sich eben an eine ganz neue Lage gewöhnen. Und wie der Papst das formuliert hat: Wir sollten kreativ sein und uns etwas ausdenken, damit Seelsorge weiter nah an den Menschen dran ist. Wie das gehen soll? Da müssen Priester erfinderisch werden.“
Einziger Präzedenzfall war 1941
Kardinal Stella rät den Menschen, die Kar- und Ostertage zuhause, im Kreis der Familie, am Radio oder Fernsehen mitzuverfolgen. „Man hat ja die Heilige Schrift, das Wort Gottes, und man kann die Riten im Internet finden, um sich in Einheit mit dem Papst zu setzen.“
Das einzige Mal, dass der Vatikan in der neueren Geschichte die Osterfeiern eingeschränkt hat, ist für das Jahr 1941 verzeichnet. Angesichts des Zweiten Weltkriegs hielt Papst Pius XII. es damals für geraten, seinen Ostersegen Urbi et Orbi nur per Radio Vatikan zu erteilen. „Die Traurigkeit der jetzigen Zeit für die Menschheit verträgt sich nicht mit dem Fest der Freude“, urteilte der Pacelli-Papst.
Seine Radio-Botschaft mit Segen wurde in seiner Privatbibliothek im Apostolischen Palast aufgezeichnet. Das ist derselbe Ort, den auch Papst Franziskus für seine Angelus- und Audienz-Übertragungen in Corona-Zeiten ausgewählt hat.
(vatican news / domradio – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.