Neues Dokument: Wie gültig ist eine Ehe ohne Glauben?
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Das Verhältnis von Glaube und Sakramenten in der Ökonomie des Heils“ – so heißt das an diesem Dienstag (nur auf Spanisch!) veröffentlichte Papier. Die Kommission, die der vatikanischen Glaubenskongregation zugeordnet ist, hat seit 2015 daran gearbeitet.
„Wir haben einige Zeit gebraucht, um eine Methodik und eine Richtung bei diesem Thema zu finden“, erklärt der spanische Jesuit Gabino Uríbarri Bilbao im Interview mit Radio Vatikan. „Die angesprochenen Themen sind sehr vielfältig: allgemeine Sakramententheologie, biblisches Fundament, pastorale Implikationen, unterschiedliche Sakramente, unterschiedliche Praxis auf den verschiedenen Kontinenten. Bis wir zu einem Schlussdokument kamen, haben wir elf Entwürfe erstellt.“
Beim Thema Ehe wird's besonders kritisch
In den fünf Kapiteln des Papiers geht es nicht nur um die Ehe, sondern auch um die drei Sakramente der Einführung ins Christliche, also Taufe, Eucharistie und Firmung. Der Ausgangsgedanke geht so: Es gibt eine Beziehung zwischen einem Sakrament und dem Glauben dessen, der es empfängt. Fehlt nun der Glaube völlig oder teilweise, dann hat das auch Folgen für die Gültigkeit des Sakraments.
Beim Thema Ehe wird das besonders kritisch: Viele Menschen heiraten nämlich kirchlich, weil sie den schönen Rahmen schätzen – oder weil sich der Opa sonst grämt. Kommt es dann zu einem Annullierungsverfahren, ist das Argument schnell bei der Hand: Meine Frau hat ja gar nicht richtig an das Sakrament geglaubt, als wir geheiratet haben, also war die Ehe von Anfang an ungültig.
Der Schritt zum Kirchenrecht ist nicht weit
„Die Bischofssynoden zur Familie (1980, 2014, 2015) und zur Eucharistie (2005) haben mit fast hundert Prozent der Stimmen um eine Klärung der pastoral ungelösten Situation gebeten: Was ist mit einem Sakrament der Ehe, das ohne Glauben eingegangen wird? Dieses komplexe Problem versuchen wir zunächst vom Standpunkt der Dogmatik zu beleuchten.“
Aber der Schritt zum Kirchenrecht ist da nicht weit. Und tatsächlich kommt das Dokument zu demselben Schluss, den auch das höchste kirchliche Ehegericht, die Römische Rota, bei einigen seiner Urteile erkennen lässt: dass nämlich, wenn der Glaube fehlt, der sakramentale Charakter der Hochzeit Schaden nimmt.
Kein Automatismus
„Die katholische Lehre sagt, dass die Ehe zur Schöpfungsordnung gehört. Das ist die natürliche Ehe, Jesus Christus hat sie zum Sakrament erhoben. Ihre Merkmale sind Unauflöslichkeit, Treue und Offenheit für die Weitergabe des Lebens; das gilt sowohl für die natürliche wie für die sakramentale Ehe. Bei sogenannten getauften Nichtglaubenden ist die Absicht, eine Ehe mit diesen Merkmalen einzugehen, nicht garantiert. In dem Fall gibt es dann aber auch keine sakramentale Ehe.“
Aber Vorsicht: Das Papier der Theologenkommission redet keinem Automatismus das Wort. Nicht jede Ehe zwischen Getauften ist automatisch ein Sakrament – einerseits. Nicht jedes Schwächeln im Glauben macht eine kirchliche Ehe ungültig – andererseits. Pater Uríbarri Bilbao glaubt, dass die ganze Problematik noch „weiterer Vertiefung“ bedarf.
„Das Rituale zur Feier der Trauung sagt ausdrücklich, dass das Sakrament der Ehe Glauben erfordert und voraussetzt (Praenotanda § 16). Der Katechismus der Katholischen Kirche hingegen definiert die Ehe so: ‚Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben‘ (§ 1601). Zwischen diesen beiden Aussagen gibt es eine Spannung, die nicht aufzulösen ist: In der ersten wird der Glaube als Bedingung genannt, in der zweiten nicht.“
Den gordischen Knoten kann nur ein Pfarrer durchhauen
Dieses Einerseits-andererseits ist aus Sicht der Theologen ein gordischer Knoten, der höchstens pastoral zu durchschlagen ist. Es liege an den Seelsorgern, zu entscheiden, ob im konkreten Fall eines darum nachsuchenden Paares eine kirchliche Hochzeit angesagt ist – oder nicht. „Beten kann man für die Eheleute immer. Aber nicht immer wird es opportun sein, den Ritus zu feiern.“ Das hat die Theologenkommission schon 1977 mal so ähnlich gesagt. Woraufhin Johannes Paul II. dann verfügte: „Wenn hingegen die Brautleute trotz aller pastoralen Bemühungen zeigen, dass sie ausdrücklich und formell zurückweisen, was die Kirche bei der Eheschließung von Getauften meint, kann sie der Seelsorger nicht zur Trauung zulassen. Wenn auch schweren Herzens, hat er die Pflicht, die gegebene Lage zur Kenntnis zu nehmen und den Betroffenen zu verstehen zu geben, dass unter diesen Umständen nicht die Kirche, sondern sie selber es sind, die die Feier verhindern, um die sie bitten.“ (Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 68)
„Wir reden hier sozusagen von Extremfällen“, erläutert der spanische Jesuit: „Völliges Fehlen von Glauben, Zurückweisung dessen, was das Sakrament bedeutet. Diese Unterscheidung muss der Priester für jeden konkreten Fall durchführen. Uns ging es darum, jede Kasuistik zu vermeiden – aber wenn man nicht die Absicht sieht, eine natürliche Ehe einzugehen, dann sollte man den sakramentalen Ritus nicht feiern. Wir müssen uns klar darüber sein, dass die Kirche die Hürden für den Zugang zum Ehesakrament sehr niedrig legt, gleichzeitig aber von der Ehe einen sehr hohen Begriff hat, der hohe Ansprüche mit sich bringt. Auch da gibt es eine Spannung…“
Übrigens lässt sich der Grad oder Wert des Glaubens ja auch nicht messen. Also, die Sache bleibt gewissermaßen am Pfarrer hängen. Etwas Luft bekommt er aber dadurch, dass ja Ehe-Vorbereitungskurse in den Pfarreien angeboten werden sollen – so fordert das jedenfalls Amoris laetitia, das Dokument von Papst Franziskus zur Ehe- und Familienpastoral. In solchen Kursen (wenn es sie denn gibt) lässt sich natürlich trefflich die Gretchenfrage stellen: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“
„Keiner hat die Absicht, eine Barriere zu errichten“
Gabino Uríbarri Bilbao: „Unsere Absicht ist es ganz und gar nicht, Barrieren vor den Sakramenten aufzubauen! Im Gegenteil, wir sähen es gerne, wenn das Dokument dazu beitragen könnte, die Sakramentenpastoral und –praxis zu stimulieren. Den sakramentalen Charakter der Heilsgeschichte ernstzunehmen, setzt ein Minimum an Glauben voraus. Sonst wird die Feier der Sakramente zu einem leeren Ritual, zu Magie oder zu einer Privatisierung des Glaubens, die mit dem kirchlichen Glauben nichts mehr zu tun hat.“
Faust und Gretchen schafften es nicht vor den Altar...
In Goethes „Faust I“ antwortet der von Gretchen in die Zange genommene Faust übrigens so auf die Frage nach der Religion: „Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut…“ Zum Altar haben es die beiden nicht geschafft – zu Recht, wenn man die Maßstäbe der Internationalen Theologischen Kommission anlegt.
(vatican news)
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