Kardinalstaatssekretär Parolin: In der Krise Egoismen überwinden
Stefanie Stahlhofen und Andrea Tornielli – Vatikanstadt
Die katholische Kirche ist „allen nahe, die leiden und in Not sind“, versichert der vatikanische Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin angesichts der Corona-Pandemie. In einem am Donnerstagnachmittag veröffentlichten Gespräch mit den vatikanischen Medien ruft der italienische Kardinal zu Solidarität und verantwortungsvollem Handeln auf:
„Es ist wirklich notwendig, dass wir alle beten und uns persönlich dafür einsetzen, dass die internationale Solidarität nicht abnimmt. Trotz der Notlage, trotz der Angst, dürfen wir uns nicht abschotten. Leider erfahren wir in diesen Tagen, dass Probleme und Dramen, die wir weit entfernt von unserem Leben glaubten, an unsere Tür klopfen“, ruft Parolin zu Gemeinschaftssinn angesichts der Krise auf, die alle betrifft.
Es gehe darum, die aktuelle Situation als Gelegenheit zu nutzen, weltweit Solidarität zu zeigen und diese weiter wachsen zu lassen. „Diese Notlage wird Schwierigkeiten und tiefgreifende Veränderungen hervorrufen.
Politik für das Gemeinwohl
Daher müssen diejenigen, die politische Verantwortung tragen, diese ohne Egoismus und unabhängig von persönlichen, gruppenspezifischen und nationalen Interessen übernehmen“, nimmt die Nummer zwei des Vatikan die Politiker in die Pflicht. Kardinal Parolin ruft sie auf, „weise und verantwortungsbewusst“ zu handeln und „den Werten der Freiheit und Gerechtigkeit entsprechend“ das Gemeinwohl im Blick zu haben.
Der Kardinalstaatssekretär äußert sich in dem ausführlichen Gespräch mit dem Chefredakteur der vatikanischen Medien, Andrea Tornielli, auch zu den aktuellen Corona-Fällen im Vatikan, über die das Presseamt diesen Donnerstag informierte:
Corona-Fälle im Vatikan
„Wie bekannt ist, gibt es derzeit sieben Fälle von Covid-19. Zunächst gab es Anfang März eine Person, die beim vatikanischen Gesundheitsdienst war, für medizinische Untersuchungen hinsichtlich einer Anstellung in der Kurie. Zu diesem ersten Fall sind in den letzten Wochen sechs weitere hinzugekommen. Alle haben die kritische Phase bereits durchlaufen, ihr Zustand bessert sich jetzt. Natürlich überwachen wir, wie Italien und alle anderen Länder der Welt, die Situation Tag für Tag, Stunde für Stunde, dank des Engagements unserer Ärzte und Krankenschwestern.“
Die Pandemie sei für alle Länder und die Bevölkerung eine große Herausforderung, so Parolin. Persönlich sorge er sich besonders um wenig entwickelte Länder mit unterentwickelten Gesundheitssystemen, da diese bei einer Ausbreitung der Infizierungen mit Covid-19 die Menschen nicht angemessen behandeln könnten.
„Der Heilige Stuhl ist dazu berufen, immer die ganze Welt im Blick zu haben, er versucht, auch die nicht zu vergessen, die am weitesten entfernt sind, am meisten leiden und nicht im Scheinwerferlicht der internationalen Medien stehen. Das ist uns nicht nur in der aktuellen Notlage aufgrund der Pandemie ein Anliegen: Wie viele Kriege, wie viel Hungersnot, gibt es unter unseren Brüdern und Schwestern! Es braucht wirklich den Einsatz aller, damit die internationale Solidarität nie nachlässt.“
Wie der Heilige Stuhl hilft...
In der aktuellen Corona-Krise sei der Heilige Stuhl in Kontakt mit den Ortskirchen und versuche, so gut wie möglich der von der Verbreitung des Coronavirus besonders betroffenen Bevölkerung zu helfen - „unabhängig von ihrer religiösen oder nationalen Zugehörigkeit, wie er es immer getan hat“, so Parolin. Er erinnert auch an die Hilfsleistungen durch Papst Franziskus für besonders betroffene Länder, zunächst etwa China und die Diözese Hongkong sowie später für den Iran, Italien und Spanien. Der Heilige Stuhl prüfe zudem weitere Initiativen, „um die Solidarität zu konkretisieren und die Nächstenliebe zu bezeugen“.
und was der Heilige Vater tut
Zu internationaler Solidarität, nicht nur angesichts der Corona-Krise, ruft auch Papst Franziskus immer wieder auf. Kardinalstaatssekretär Parolin hebt im Gespräch mit den vatikanischen Medien auch Franziskus außergewöhnliche Antworten auf die Corona-Pandemie hervor:
„Der Heilige Vater versucht den Menschen weltweit über alle nur möglichen Wege nahe zu sein. Für ihn war und ist der Kontakt mit den Menschen immer von grundlegender Bedeutung. Daher will er ihn, wenn auch auf eine neue und beispiellose Weise, aufrechterhalten. Die tägliche Live-Übertragung der Heiligen Messe in Santa Marta ist ein konkretes Beispiel dafür. Das ständige Gebet für die Opfer, ihre Familien, das Gesundheitspersonal, die Freiwilligen, die Priester, die Arbeiter, die Familien - ein weiteres konkretes Zeichen. Wir alle versuchen auch, ihm dabei zu helfen, den Kontakt mit den Kirchen in allen Ländern der Welt aufrechtzuerhalten.“
Ostern und die Kraft des Glaubens
Die Corona-Pandemie schränkt auch die katholische Kirche weltweit in ihrer Arbeit ein. Sei es bei der Seelsorge auf Distanz, sei es mit Blick auf die Sakramente und ein vielerorts bestehendes Verbot öffentlicher Gottesdienste. Auch die Karwoche und Ostern sind dieses Jahr daher zwangsläufig anders, als sonst.
„Wir bereiten uns darauf vor, Ostern in dieser so besonderen Fastenzeit zu feiern: Jesus aufersteht, er besiegt den Tod und schenkt das Leben. Der Glaube hilft uns, in diesen schwierigen Zeiten, uns Gott immer mehr anzuvertrauen. An seine Tür zu klopfen mit unserem unaufhörlichen Gebet, auf dass er diese Zeit der Prüfung verkürzen möge.“
Es helfe auch, all das Gute zu sehen, das es vielerorts gebe, so Parolin. Als „tröstlich“ bezeichnete er etwa die Kreativität, mit der Bischöfe, Priester, Ordensmänner- und Ordensfrauen sowie viele Laien neue Wege der Seelsorge fänden. Ebenso würdigt Parolin in dem Gespräch mit den vatikanischen Medien erneut alle, die gegen die Krankheit kämpfen, von Ärzten und Ärztinnen über Krankenschwestern bis hin zu Freiwilligen.
„Ich denke, es ist gut, wie die Kirche unter Einsatz aller möglichen Mittel tausend Wege sucht und findet, damit die Menschen nicht allein sind, beten können, ein Wort des Trostes erhalten. Auch im aktuellen Drama der Corona-Pandemie gibt es Möglichkeiten, sich auszudrücken und Gemeinsamkeit zu schaffen - zum Beispiel durch Musik und Gesang. Ich wünsche mir, dass dies auch bei unseren Gemeinden geschehen könnte: Es wäre schön, wenn alle Kirchen gleichzeitig, z.B. mittags, eine Minute lang ihre Glocken läuten würden und ihr Klang ein Aufruf zum gemeinsamen Gebet wäre, für alle, auch wenn sie physisch weit voneinander entfernt sind ...“
(vatican news – sst)
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