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Franziskus und al-Tayyeb bei der Unterzeichnung des Dokuments in Abu Dhabi, Februar 2019 Franziskus und al-Tayyeb bei der Unterzeichnung des Dokuments in Abu Dhabi, Februar 2019 

Kardinal Müller würdigt das „Dokument von Abu Dhabi“

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich hinter das interreligiöse „Dokument von Abu Dhabi“ gestellt. In einem Aufsatz in der internationalen katholischen Zeitschrift „Communio“ nennt der frühere Präfekt der Glaubenskongregation, der in den Medien oft als Kritiker von Papst Franziskus dargestellt wird, den Text „sensationell“.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das „Dokument über die universelle Geschwisterlichkeit der Menschen“ wurde von Papst Franziskus und dem islamischen Spitzenvertreter Ahmed al-Tayyeb im Februar 2019 unterzeichnet. Den Rahmen dafür bildete Franziskus‘ Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate – die erste Reise eines Papstes auf die arabische Halbinsel überhaupt.

Kardinal Müller bekräftigt, das Dokument gebe „nicht eine Privatmeinung des Papstes wieder“. Stattdessen beanspruche es „von den Angehörigen der beiden Religionen eine Zustimmung, die sie in ihrem Gewissen verpflichtet“. Franziskus und der Großimam der Kairoer al-Azhar-Universität bekennten sich in dem Dokument zu einer „Folgerung“, die schon Benedikt XVI. in seiner Regensburger Rede 2006 gezogen habe, dass nämlich „jede Gewalt und jeder Zwang gerade in Glaubensfragen absolut unvereinbar“ seien.

Bahnbrechend: Die Papstreise nach Abu Dhabi 2019
Bahnbrechend: Die Papstreise nach Abu Dhabi 2019

Kein Relativismus, keine Einheitsreligion

„Weder Papst noch Groß-Imam haben in ihrer Erklärung ihr je eigenes und inhaltlich sich in wesentlichen Fragen widersprechendes Glaubensbekenntnis aufgegeben“, notiert Müller. „Das Dokument wurzelt ebenso wenig im Relativismus gegenüber dem Wahrheitsanspruch Gottes, wie es in die Richtung einer Einheitsreligion weist.“

In seinem Essay, der auch mehrfach aus dem Koran zitiert, wendet sich der Kardinal deutlich gegen den Einwand „nicht wenige(r) Christen, darunter Bischöfe und gelehrte Theologen“, dass das „Dokument von Abu Dhabi“ „eine Verleugnung Christi und einen Abfall vom christlichen Glauben“ bedeute. Das sei eine „These von enormer Sprengkraft für die Einheit der Kirche“, mahnt Müller.

Müller 2019 bei einem Interview mit Radio Vatikan
Müller 2019 bei einem Interview mit Radio Vatikan

„Interreligiöse Texte gehen nun mal durch viele Hände“

Zwar würden die göttliche Dreifaltigkeit und die Menschwerdung Gottes in Jesus, also zentrale christliche Glaubensinhalte, tatsächlich nicht erwähnt; stattdessen stellt der Text die „Verschiedenheit von Religion“ als gottgewollt dar. Doch gingen interreligiöse Dialogtexte nun mal „durch viele Hände“ und könnten „kaum auf eine ausgeglichene Hermeneutik und Terminologie zurückgreifen“. Darum solle man sie „eher von der guten Intention ihrer Autoren her“ interpretieren „als von der wissenschaftlichen Präzision im Ausdruck her“.

„Man wollte offenbar das positiv und mit Verweis auf die Autorität Gottes formulieren, was sonst negativ formuliert wird“, so Kardinal Müller. Es sei davon auszugehen, dass weder Franziskus noch al-Tayyeb „die den beiden Glaubensbekenntnissen zuwiderlaufende Theorie des Religionspluralismus“ verträten.

Umarmung unter Brüdern
Umarmung unter Brüdern

Bekenntnis zur Einzigkeit Gottes verbindet

„Innerer Grund“ des christlich-islamischen Dialogs sei, trotz aller unüberwindbaren Widersprüche, das Bekenntnis der Einzigkeit Gottes. Hier verankerten beide Seiten auch ihr Bild von Menschenwürde und Menschenrechten. Damit gingen sie beide „weit über die Begründung der universalen Brüderlichkeit in einer humanistischen Gesinnung (…) hinaus“. In dieser Hinsicht könnten beide Autoren ihren Text „zurecht“ mit der Formel „Im Namen Gottes“ einleiten.

Kardinal Müller war Dogmatikprofessor in München, Bischof von Regensburg und von 2012 bis 2017 Präfekt der Glaubenskongregation; dann nahm Papst Franziskus seinen Abschied von diesem Amt an. Müller ist auch ein Vertrauter des emeritierten Papstes Benedikt XVI.‘ und Herausgeber von dessen „Gesammelten Schriften“. Sein Aufsatz erschien in der dritten und aktuellen Ausgabe von „Communio“ im Jahr 2020. „Communio“ wurde 1972 von einem Kreis von Theologen gegründet, unter ihnen Joseph Ratzinger, damals Professor in Regensburg.

(communio)

Franziskus 2019 kurz nach seiner Ankunft in den Emiraten
Franziskus 2019 kurz nach seiner Ankunft in den Emiraten

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25. Mai 2020, 08:10