Vatikan: Militärausgaben reduzieren, Frieden maximieren
Mario Galgano - Vatikanstadt
Die Genfer Abrüstungskonferenz, die diese Woche durchgeführt wird, ist das einzige ständige globale Verhandlungsforum für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung. Sie wurde 1978 per Beschluss der UN-Generalversammlung geschaffen. Ihr gehören 65 Staaten aus allen Weltregionen an, zusätzlich nehmen in diesem Jahr 35 weitere Staaten als Beobachter teil.
In seiner Video-Erklärung sagte der Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten des Heiligen Stuhls, Erzbischof Paul Richard Gallagher, dass der Papst diese Konferenz „durch ein erneuertes Gefühl der Dringlichkeit und Mitverantwortung“ würdige. Es gehe Franziskus darum, dass man „aus den Sackgassen schnell“ herauskomme.
Angesichts der vielen sicherheitspolitischen Herausforderungen, mit denen die internationale Gemeinschaft heute konfrontiert sei, sei es unerlässlich, dass diese Konferenz auch die heiklen Themen anspreche, so Erzbischof Gallagher.
Sicherheit und Stabilität
„Der Wunsch nach Frieden, Sicherheit und Stabilität ist eine der tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens. Das gegenwärtige Klima des gegenseitigen Misstrauens und die Erosion des Multilateralismus behindern jedoch die Bemühungen um die Verwirklichung dieser edlen Bestrebungen“, fügte er an. Dies sei auf dem Gebiet der Abrüstung noch gravierender.
Während die Bedeutung der Abrüstung bei nuklearen, chemischen und biologischen Waffen besonders deutlich werde, gelte dies ebenso für den zunehmenden militärischen Wettbewerb im Weltraum sowie in den Bereichen Cyberspace und künstliche Intelligenz. Mit Blick auf tödliche autonome Waffensysteme mahnte der Vatikan-Diplomat: „Hier wie auch anderswo haben die Staaten eine gemeinsame Verantwortung, aus der sich konkrete Grenzen ergeben, die im Interesse der gemeinsamen Menschlichkeit eingehalten werden müssen“, so Gallagher.
Der Vatikan sei auch besorgt über den illegalen Handel mit Klein- und Leichtwaffen sowie über Explosivwaffen, insbesondere in bewohnten Gebieten, die immer weniger „konventionell“ und immer mehr zu „Massenvernichtungswaffen“ geworden seien. Davon betroffen seien Städte, Schulen, Krankenhäuser, Gotteshäuser und die grundlegende Infrastruktur für die Zivilbevölkerung, die dadurch zerstört würden. Dadurch seien auch die „ganzheitlichen Entwicklungschancen“ der Menschen beeinträchtigt, mahnte Gallagher.
Scheinbar endloses Wettrüsten
Abrüstung, Entwicklung und Frieden seien drei voneinander abhängige Themen, fuhr der vatikanische Außenminister fort. Die enormen Militärausgaben, die weit über das hinausgingen, was zur Sicherstellung einer legitimen Verteidigung erforderlich sei, schürten den Teufelskreis eines „scheinbar endlosen Wettrüstens“. Dies verhindere, dass potenzielle Ressourcen zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit, Ungerechtigkeit sowie zur Förderung von Bildung und Gesundheit eingesetzt würden, argumentierte der Erzbischof. Die Verknüpfung der nationalen Sicherheit mit der Anhäufung von Waffen sei eine „falsche Logik“ und bleibe „ein Skandal“. Dies sei nicht hinnehmbar, da es zu einem „schreienden Missverhältnis“ zwischen den „Ressourcen an Geld und Intelligenz, die dem Dienst am Tod gewidmet sind“, und den Ressourcen, „die dem Dienst am Leben gewidmet sind“, führe.
Ermutigende Zeichen
Gleichzeitig gebe es „eine Reihe von ermutigenden Zeichen, wie das Inkrafttreten des Vertrags über das Verbot von Atomwaffen (TPNW) und die Verlängerung des sogenannten New-START-Vertrags zur Reduzierung strategischer Waffen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika um weitere fünf Jahre.
Der Heilige Stuhl wolle bekräftigen, so Gallagher weiter, dass eine Welt frei von Atomwaffen sowohl möglich als auch notwendig sei. Diese Überzeugung, die durch das Inkrafttreten der genannten Verträge verstärkt werde, sei auch „im Geist des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) verankert“ - ein Vertrag, der dem Vatikan sehr am Herzen liege. Letztlich würden all diese Abrüstungsverträge „von denselben moralischen Imperativen und Zielen inspiriert und angetrieben“. „Sie verstärken und ergänzen sich gegenseitig und zeigen, wie eifrig der Wunsch nach Frieden, Sicherheit und Stabilität wirklich ist“, so Gallagher.
Der Heilige Stuhl beabsichtige jedoch keineswegs, die Komplexität von Abrüstung und Rüstungskontrolle zu übersehen. Aus diesem Grund wolle er den Mitgliedstaaten dieser Konferenz „in aller Bescheidenheit die folgenden zwei Vorschläge unterbreiten“, sagte Gallagher und zählte auf:
Zwei Vorschläge
„Erstens möchte der Heilige Stuhl die Abrüstungskonferenz ermutigen, eine Expertenstudie über die Frage der Überprüfung zu erstellen, die als Grundlage für mögliche zukünftige Verhandlungen über Abrüstung und Rüstungskontrolle dienen könnte. Dies ist von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die nukleare Abrüstung – könnte aber auch für andere Waffentypen angewendet werden. In dieser Hinsicht lohnt es sich, die Möglichkeiten neuer Technologien zur Verbesserung einer zuverlässigen Verifikation zu nutzen. Die Überprüfung ist nicht nur eine unglaublich wertvolle vertrauensbildende Maßnahme, sondern auch ein grundlegender Bestandteil zur Sicherstellung der Wirksamkeit von Verträgen nach dem bekannten Sprichwort ,Vertrauen und Prüfen' .“
Wiederaufnahme einer formellen Diskussion
„Zweitens ist der Heilige Stuhl auch der Ansicht, dass die Wiederaufnahme einer formellen Diskussion über Rüstungsbegrenzungen und über allgemeine und vollständige Abrüstung unter wirksamen Kontroll- und Verifikationssystemen für die Arbeit dieser Konferenz äußerst nützlich wäre. Dies gilt umso mehr, wenn wir die Hauptbedrohungen für Frieden und Sicherheit mit ihren vielen Dimensionen in dieser multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts in Betracht ziehen, wie zum Beispiel Terrorismus, asymmetrische Konflikte, Cybersicherheit, Umweltprobleme, Armut.“
Weiter sagte Gallagher, dass diese Bedrohungen eine Aufforderung seien, „mit einer geschlossenen und verantwortungsvolleren Zusammenarbeit zu reagieren“. Auch die Covid-19-Pandemie zeige auf dramatische Weise die Notwendigkeit, „in diese Richtung zu gehen“. Wie Papst Franziskus schon oft angemerkt habe, könne man die gegenwärtige Krise nur dann überwinden können, „wenn wir zusammenarbeiten, als eine vereinte Menschheitsfamilie“. In der Tat sei niemand sicher, solange nicht alle sicher seien.
Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die internationale Gemeinschaft heute stünde, könne Abrüstung nicht länger als ein optionales Ziel betrachtet werden. Sie sei ein „ethischer Imperativ“. Der Heilige Stuhl ermutige deshalb die Konferenz in Genf, „eine erneuerte Überzeugung der Dringlichkeit und des Engagements anzunehmen, um konkrete und dauerhafte Vereinbarungen für Frieden und Geschwisterlichkeit zu erreichen“. Bestimmte Themen sollten sich über den Konsens erheben und über individuelle Interessen und Agenden hinausgehen. Morgen zu handeln, sei vielleicht schon zu spät, schloss Erzbischof Gallagher sein Video-Statement ab.
(vatican news)
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