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Kardinal Sandri bei der Göttlichen Liturgie im Armenischen Priesterkolleg in Rom Kardinal Sandri bei der Göttlichen Liturgie im Armenischen Priesterkolleg in Rom 

Vatikan/Armenien: Ein Schandfleck in der Geschichte der Menschen

Der Präfekt der Ostkirchen-Kongregation, Kardinal Leonardo Sandri, hat eine Göttliche Liturgie im Päpstlichen Armenischen Kolleg zum Gedenken an den 106. Jahrestag des Völkermordes zelebriert. In seiner Predigt sagte er: „Die Armenier sind Opfer eines systematisch geplanten Leidens, aber sie haben den Schatz des Glaubens nicht verloren.“

Mario Galgano und Salvatore Cernuzio – Vatikanstadt

„Das Drama des armenischen Volkes vor 106 Jahren war ein Schandfleck in der Geschichte der gesamten Menschheit“, aber alle Armenier, Opfer eines „systematisch geplanten Leidens“, „haben den Schatz des Glaubens nicht verloren“ und „den Trost Gottes“ sichtbar gemacht. Daran erinnerte Kardinal Leonardo Sandri in seiner Predigt an diesem Samstag. Die Göttliche Liturgie wurde im Gedenken an die Hunderttausenden von Männern, Frauen, Alten und Kindern, die während des sogenannten „Medz Yeghern“ getötet wurden, dem „großen Übel“, das sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts (1915-16) ereignete. Der Gottesdienst fand im Päpstlichen Armenischen Kolleg zum Gedenken an den hundertsechzehnten Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern statt.

In der von Erzbischof Raphael Minassian geleiteten Feier, in Anwesenheit der Botschafter Armeniens beim Heiligen Stuhl und in Italien sowie von Kurienbischof Nunzio Galantino, dem Präsidenten der vatikanischen Güterverwaltung APSA, erinnerte der Kardinal an den Schmerz dieses Volkes. Die Armenier seien das erste Volk in die Geschichte gewesen, das im Jahr 301 die Taufe empfing. Sie seien aber auch jene gewesen, die die „unermessliche Gewalt bis zum Tod“ erlitten haben, aber wieder aufzustehen wussten. Ein „fleißiges und intelligentes Volk, Schöpfer von Kunst und Kultur“, fügte Sandri an; ein Volk von Heiligen, wie Gregor von Narek, der 2015 vom Papst zum Doktor der Weltkirche ernannt wurde, der „die Menschheit weit über die Grenzen des armenischen Territoriums hinaus erleuchtet hat“.

Die Göttliche Liturgie im armenischen Priesterkolleg in Rom
Die Göttliche Liturgie im armenischen Priesterkolleg in Rom

Das große Übel und die alltäglichen Übel

In den Seelen dieser Menschen wiege noch immer, was vor über einem Jahrhundert geschah. Die Definition von „Medz Yeghern“, betonte der Kardinal - und erinnerte an das, was Papst Franziskus bei der Feier am 12. April 2015 in der vatikanischen Basilika gesagt hatte – „zwingt uns jeden Tag, uns mit der Frage des Bösen in der menschlichen Geschichte, aber besonders in unserer persönlichen Geschichte auseinanderzusetzen, wenn wir den Kompromissen der Versuchung nachgeben, wenn wir aufhören, auf das Wort Gottes zu hören, wenn wir unseren Brüdern und Schwestern gegenüber gleichgültig sind oder, schlimmer noch, versuchen, ihr Böses zu tun, anstatt ihnen gegenüber Segen und Gutes zu vermehren“.

„Das große Übel stellt unsere kleinen täglichen Übel in Frage, denn den großen negativen Ereignissen geht immer eine Vorgeschichte der fortschreitenden Betäubung des Gewissens voraus“, sagte der Präfekt der Kongregation für die Ostkirchen mit Blick auf die Aktualität der Pandemie. Es sei „ein Drama“, sagte er, „aber dennoch eine Gelegenheit, über den Sinn des Daseins nachzudenken, das nicht als einsamer Akt gedacht werden kann und darf, sondern immer in Solidarität und Geschwisterlichkeit, wie der Heilige Vater in der Enzyklika Fratelli tutti erinnert hat“.

Armenier als Zeugen des Glaubens

Es sei genau diese Geschwisterlichkeit, die dem armenischen Volk geholfen hat, auf den Weg des Lebens zurückzukehren: „Die Tragödie von vor 106 Jahren war ein Schandfleck in der Geschichte der gesamten Menschheit, nicht nur bei denen, die damals die negativen Protagonisten waren oder bei denen, die durch Gleichgültigkeit oder Mitschuld geschwiegen haben. Diejenigen, die Gewalt erlitten haben, haben durch ihre Nachkommen den Schatz des Glaubens nicht verloren und sind immer noch hier, wie wir heute, um ihn zu verkünden und zu feiern.“

Wie das jüdische Volk in der Shoah, das in den Vernichtungslagern fragte, wo Gott sei, „so könnten auch wir“ - fügte der Kardinal hinzu – „uns das angesichts des systematisch geplanten Leidens des armenischen Volkes fragen. Vor jedem Weg zu einer Antwort sind wir jedoch aufgerufen, eine weitere, damals wie heute gültige Frage hinzuzufügen: Wo ist der Mensch? Wo ist der Mensch, wo ist dein Herz, das für das Gute geschaffen wurde, aber so fähig ist, Hassgefühle zu hegen bis zu dem Punkt, dass du deine Brüder und Schwestern ausrotten willst und es auch tatsächlich tust?“.

Die Opfer des Vernichtungsversuchs sind „Freunde Gottes“

Auf diese quälenden Fragen senkt sich die göttliche Barmherzigkeit wie ein Balsam: „Das Evangelium tröstet uns mit dem Gedanken, dass die Söhne und Töchter des armenischen Volkes, die vor 106 Jahren Opfer der versuchten Ausrottung wurden, 'Freunde Gottes' sind, die auf die Existenz Jesu hin konfiguriert sind“, so der Präfekt der Kongregation für die Ostkirchen. „Das Leben unserer Brüder und Schwestern war wie das Leben Jesu, ein Weizenkorn, das in die Erde fiel und durch sein Sterben der ganzen Welt das Leben schenkte und sie rettete: ihre Frucht bleibt, und wir in der Welt sind es, die diesen Tag im Glauben feiern.“

Der Völkermord an den Armeniern gilt als einer der ersten systematischen Genozide des 20. Jahrhunderts. Er geschah während des Ersten Weltkrieges. Verantwortlich dafür seien, gemäß Historikern, die von den sogenannten jungtürkischen Gruppen und vom Komitee für Einheit und Fortschritt gebildeten Regierung des Osmanischen Reichs gewesen, was die heutige Türkei bestreitet. Auch bestritten werden die Zahlen. So seien bei den  Massakern und Todesmärschen, die im Wesentlichen in den Jahren 1915 und 1916 stattfanden, je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen zu Tode gekommen.

(vatican news)

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24. April 2021, 13:07