Kardinal Parolin: Warum der Heilige Stuhl Politik macht
Der Heilige Stuhl unterhält über das Staatssekretariat ein ausgedehntes diplomatisches Netzwerk. Mit mehr als 180 Staaten bestehen volle diplomatische Beziehungen. Der Ansatz ist „im Wesentlichen ein moralischer”, formuliert Parolin. Man arbeite in der internationalen Diplomatie, „um freundschaftliche Beziehungen zwischen Völkern und Nationen zu erleichtern und zu pflegen.“
Das sei unter den gegenwärtigen Bedingungen gefragt wie nie, fuhr der Kardinal fort. „Mehr denn je braucht es eine klare Stimme, um die Nationen zu ermutigen, die Fehler und Schrecken vergangener und leider auch der gegenwärtig stattfindenden Konflikte nicht zu vergessen.“ Die Lehre von Papst Franziskus, die „in der Soziallehre der Kirche verwurzelt ist“, wie Parolin betonte, lege „besonderen Nachdruck auf die Einheit der Menschheitsfamilie“. Der Papst bestehe darauf, „dass die internationale Gemeinschaft die Herausforderungen in einer konzertierten und multilateralen Weise angeht.“
Wenn der Heilige Stuhl mit Staaten und internationalen Organisationen zusammenarbeitet und dabei auf Solidarität, Gerechtigkeit, Abrüstung, nachhaltige Entwicklung und Bewahrung der Schöpfung drängt, alles eminent politische Themen, dann tut er das auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, erklärte der Kardinalstaatssekretär. Der Mensch ist nach christlicher Auffassung nach dem Bild Gottes geschaffen und hat seinen Wert in einer transzendenten Würde. Daraus leitet die Kirche gewissermaßen eine Pflicht zur Politik ab. Parolin: „Gerade im Licht der Achtung vor der menschlichen Person, ihrer ganzheitlichen Entwicklung und ihrer universellen und grundlegenden Rechte sieht es der Heilige Stuhl als moralische Verpflichtung an, die internationale Gemeinschaft bei der Suche nach Frieden zu unterstützen und den Dialog und die Brüderlichkeit zu fördern.“
Unbequeme Themen
Genau deshalb setzen sich Papst und Heiliger Stuhl für menschenfreundliche Lösungen bei manch unbequemem Thema ein, das die internationale Gemeinschaft beschäftigt, „beginnend mit dem Engagement für Migranten, Flüchtlinge und Binnenvertriebene“, so Parolin. „Auch die Enzyklika Laudato si', in der der Heilige Vater Fragen zu unserem gemeinsamen Haus anspricht und sich dabei nicht auf technische und wissenschaftliche Aspekte beschränkt, oder in jüngerer Zeit die Enzyklika Fratelli tutti über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft haben ein breites Echo in der internationalen Gemeinschaft gefunden.“
Das Eintreten für den Menschen auf dem Weg der Diplomatie lässt sich der Vatikan einiges kosten. Parolin spricht von 128 Apostolischen Nuntiaturen in aller Welt. „Die ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben für das Jahr 2020 beliefen sich auf insgesamt rund 23,8 Millionen Euro, davon 20,1 Millionen ordentliche und 3,7 Millionen außerordentliche Ausgaben“, so der Kardinalstaatssekretär. „Der größte Teil betraf die Bauarbeiten am neuen Hauptsitz in Osttimor. Sollten sich die Ausgabenzahlen für 2020 bestätigen, würde dies zu einer Kostenreduzierung von ca. 3,8 Mio. Euro im Vergleich zu 2019 führen.“
Drei Sektionen, hoher Frauenanteil
Das Staatssekretariat besteht aus drei Sektionen, eine allgemeine, eine „außenpolitische“ für die Beziehungen mit den Staaten und seit wenigen Jahren eine dritte, die für die Auswahl und Fortbildung des diplomatischen Personals des Heiligen Stuhles mit zuständig ist. Alles in allem arbeiten mehr als 200 Angestellte im Staatssekretariat, davon gut 100 Laien, von diesen wiederum mehr als die Hälfte Frauen, in absoluten Zahlen 55. Im Januar 2020 ernannte Papst Franziskus eine langjährige Mitarbeiterin in der zweiten Sektion des Staatssekretariats, Francesca Di Giovanni, zur Untersekretärin für den Bereich Multilaterale Beziehungen. Das Staatssekretariat sitzt im Apostolischen Palast.
(vatican news – gs)
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