Der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl verabschiedet sich
Radio Vatikan: Herr Botschafter, Sie blicken auf eine lange Karriere als Diplomat, und nun, seit 2018, waren Sie als Deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl tätig - ein krönender Abschluss, könnte man sagen. Denn in diesen Tagen endet ihr Auftrag, und Sie sehen nun der Pensionierung entgegen. Können Sie uns sagen, was den Botschafterposten hier in Rom am Heiligen Stuhl so besonders macht?
Michael Koch (scheidender deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl): Da gibt es sicherlich zwei Dinge, die beide festzustellen nicht sehr originell ist. Aber dafür hat es den Vorzug, wahr zu sein (lacht). Das eine ist, dass Rom als die ,Ewige Stadt‘ - die Stadt der Städte, würden manche sagen - natürlich eine spektakuläre Kulisse bietet, die unerschöpflich ist. Jeden Tag können Sie hier irgendetwas Neues, Großartiges, Wunderbares sehen und sich anschauen.
Das andere ist die ganz besondere Natur unseres Gegenübers, eben der katholischen Kirche, die aus naheliegenden Gründen etwas anderes ist als ein Staat und die ja über dieses respektheischende Alter verfügt. Es gibt keine Institution auf diesem Planeten, die älter wäre, und ein bisschen in die Geheimnisse dieser Institution einzudringen, das ist in der Tat etwas sehr Besonderes und Apartes.
Und lassen Sie mich das an dieser Stelle auch sagen, die Tatsache, dass ich hier gegenüber der katholischen Kirche unser Land habe vertreten dürfen, habe ich jederzeit als eine unverdiente Auszeichnung und besondere Ehre empfunden. In der Tat sehe ich es als den krönenden Höhepunkt einer langen Laufbahn im Auswärtigen Dienst.
Radio Vatikan: Nun waren sie zuvor beispielsweise auch in Pakistan tätig, was man ja in gewissem Sinn als Kontrastprogramm bezeichnen könnte. Mit einem Augenzwinkern gefragt, wie ist es denn so, wenn man da praktisch mit den Mullahs zusammensitzt und Verhandlungen führen muss? Gibt es große Unterschiede gegenüber den Verhandlungen mit den Kurienvertretern?
Michael Koch: Dieser Vergleich ist von Ihnen natürlich bewusst etwas herausfordernd geführt worden, deshalb werde ich jetzt in diesem Geist auch antworten und sagen, dass es zunächst einmal natürlich überhaupt nicht anders ist. Und zwar deswegen, weil das ja alles Menschen sind. Der große Bismarck hat gesagt, Diplomatie ist Arbeit am Menschenfleisch. Und dieses Menschenfleisch ist zunächst einmal das Produkt von anthropologischen Grundvoraussetzungen, die überall auf der Welt die gleichen sind.
Gleichzeitig – und insofern haben Sie natürlich auch wieder Recht – liegt es auf der Hand, dass die kulturellen Ausformungen dieser Gegebenheiten natürlich höchst unterschiedlich sind und von guten Diplomaten sehr sorgfältig zusammengestellte Kenntnisse verlangen, um das Richtige zu sagen oder das Bestmögliche zu sagen, um keine Fehler zu machen, um das Gegenüber nicht ungewollt zu irritieren oder zu beleidigen. Insofern gibt es immer Unterschiede. Mit einem Japaner oder einer Japanerin zu reden ist etwas anderes als mit einem Kolumbianer zu sprechen, eben weil es unterschiedliche Kulturen sind. Aber darüber hinaus würde ich das jetzt gar nicht weiter differenzieren wollen.
Die Kirche selbst ist sicher auch das Produkt einer sehr spezifischen, sozusagen katholischen Kultur, die mir ja auch als jemand, der selber Katholik ist, nicht ganz unvertraut ist. Das hat mir sicher geholfen. Aber insoweit und insgesamt würde ich jetzt gar nicht so sehr das Trennende, sondern eher das Gemeinsame hervorheben wollen.
Die Kunst, das Richtige - oder Bestmögliche - zu sagen
Radio Vatikan: Sie haben es selbst angesprochen, Sie sind Katholik. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil als Botschafter am Heiligen Stuhl?
Michael Koch: Ich glaube, in den allermeisten Fällen ist es ein Vorteil, da es natürlich das Verständnis für manche Dinge erleichtert, wenn man mit Vorwissen anreist, das sich derjenige, der nicht so gebunden ist, dann erst erwerben muss.
Aber es gibt natürlich auch Nachteile. Es ist sehr wichtig, dass man sich selber aufmerksam beobachtet, um zu vermeiden, dass man in problematische Befangenheiten gerät. Das ist aber etwas, das in ganz vielen Fällen gilt. Wir gehen ja nicht als Automaten, sondern als lebendige Menschen mit einer Geschichte, einer Biographie in unsere Verwendung. Da ist es oft so, dass wir aus dem einen oder anderen Grund befangen sein können. Unsere professionelle Disziplin erzieht uns dazu, das wahrzunehmen und in Rechnung zu stellen. Dann glaube ich, ist es ein Vorteil, weil man natürlich manches eher versteht und eher nachvollziehen kann.
Radio Vatikan: Gibt es denn eine, sagen wir mal, diplomatische Errungenschaft in diesen Jahren, auf die Sie besonders stolz sind?
Michael Koch: Also es gibt ein, zwei Dinge, über die ich jetzt schlecht reden kann, weil das indiskret wäre. Und jeder weiß ja, dass Indiskretion das größte Laster des Botschafters ist. Aber es gibt auch ein, zwei, vielleicht nicht so große Dinge, die einen dennoch zufrieden machen, wenn sie gelingen.
Wir hatten jetzt beispielsweise vor ein paar Wochen den deutschen Außenminister Maas hier für einen eintägigen Aufenthalt zu einem Besuch am Heiligen Stuhl, von dem ich den Eindruck hatte, dass er ungewöhnlich harmonisch und freundlich und effektiv war und den Minister sehr gefreut hat. Wir hatten eine lange Papstaudienz, und das war schon eine gute Sache und etwas, worauf ich stolz bin.
Wobei man auch immer sagen muss: Wir sind Teamplayer, in diesem Fall meine ganze Botschaft. Also insofern ist das jetzt nicht nur meine persönliche Leistung, sondern mindestens so sehr die von einer ganzen Reihe von anderen Kolleginnen und Kollegen.
Radio Vatikan: Nagt es denn ein bisschen an Ihnen, dass Papst Franziskus trotz wirklich offener Arme während Ihrer Amtszeit nicht nach Deutschland gereist ist?
Michael Koch: Naja, „nagen“ wäre wohl zu viel gesagt. Es hätte uns natürlich sehr gefreut und es würde uns sehr freuen, würde der Papst irgendwann in der Zukunft eine solche Reise machen.
Auf der anderen Seite muss man ja verstehen, dass dieses Amt eine so hohe Visibilität hat - und das ja überall, in allen Kulturen, überall auf der Welt, so dass praktisch jedes Land der Welt sich freuen würde, den Papst zu empfangen. Gleichzeitig ist auch dessen Tag nicht länger als 24 Stunden...
Insofern hat er auch seine Grenzen dessen, was er leisten kann. Also es hätte uns gefreut, aber es ist nicht so, dass wir dem Papst böse wären, weil wir es gar nicht verstehen, dass er es nicht geschafft hat.
Radio Vatikan: Gibt es denn ein Erlebnis, das Sie besonders beeindruckt hat?
Michael Koch: Also, da muss ich wahrscheinlich ganz an den Anfang meines Aufenthaltes zurückgehen, nämlich die wirklich sehr eindrückliche Zeremonie bei der Einführung von Botschaftern, so wie das hier praktiziert wird in Rom, mit dem anschließenden Gang in den Petersdom, mit der gesamten Belegschaft meiner Botschaft und meiner Familie, mit vier, fünf Schweizer Gardisten und einer ganzen Reihe weiterer Offizieller. Das war schon wirklich herausragend. Und etwas, das ich sicher bis an das Ende meiner Tage als ein wirklich sehr eindringliches Erlebnis in Erinnerung behalten werde.
Radio Vatikan: Erst vor ein paar Tagen waren sie ja auch beim Papst, um sich persönlich von ihm zu verabschieden. Was können Sie uns denn aus dem Gespräch berichten?
Michael Koch: Sie wissen natürlich, dass Gespräche mit dem Papst vertraulich sind, so dass ich Ihnen nicht im Einzelnen sagen kann, was wir besprochen haben. Das ist meiner Regierung vorbehalten. Aber ich darf Ihnen versichern, dass wir überaus freundlich voneinander geschieden sind. Ich habe ihm ein Kompliment gemacht, er hat mir ein Kompliment gemacht… Ich glaube, man kann sagen, dass die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und speziell diesem Papst und unserem Land, der Bundesrepublik Deutschland, außergewöhnlich positiv und bestimmt von gegenseitiger hoher Wertschätzung sind. Das ist in diesem Abschlussgespräch auch wieder deutlich geworden.
Radio Vatikan: Sie wollen natürlich nicht den Lehrmeister spielen, aber wenn ihr Nachfolger um einen Rat fragen würde, worauf es bei dieser Botschafterposition besonders ankommt, was würden Sie ihm sagen?
Michael Koch: Dann würde ich sagen, auf den Monsignore Lahl kommt es besonders an. Der Monsignore ist der gegenwärtige Stelleninhaber der Stelle des geistlichen Konsultors. Das haben wir weltweit nur ein einziges Mal, nämlich an dieser Botschaft. Und seine Aufgabe oder die Aufgabe des jeweiligen Stelleninhabers ist es, dem Botschafter zu helfen und zu beratschlagen und ihm dabei zu helfen, die oft ja nicht einfach zu durchschauenden und verschachtelten Strukturen der Kirche zu durchschauen. Ich glaube, ohne diesen Konsultor müsste man für jeden Botschafter sozusagen ein zusätzliches halbes Jahr der Einarbeitung vorsehen. Insofern verdient er sich sein Geld dadurch, dass diese Einarbeitung gespart wird.
Ich war schon immer sehr dankbar dafür, dass die Weisheit meiner Vorgänger dafür gesorgt hat, dass es ein solches Amt gibt. Das würde ich sagen, oder habe ich bereits meinem Nachfolger gesagt, dass das etwas ist, das er in kürzester Zeit sehr zu schätzen lernen wird.
Radio Vatikan: Wie sehen denn Ihre Pläne für die Pension aus? Ist es ein Ruhestand, oder ist es eher der klassische Unruhestand?
Michael Koch: Ich deute Ihre Frage so, dass Sie wissen möchten, ob ich in der Pensionierung nun unmittelbar plane, in einer anderen Rolle zu arbeiten. Das tue ich nicht und weiß auch noch nicht, was wird. Ich bin für alles offen.
Ich habe den Beruf, den ich jetzt Ende dieses Monats verlassen werde, 36 Jahre lang ausgeübt. Es wäre sicher nicht wahr, wenn ich behaupten würde, dass jeder Tag für mich das reine Vergnügen war. Aber es war ein wunderbarer Beruf. Ich schaue mit großer Befriedigung und großer Dankbarkeit auf diese 36 Jahre zurück, die mich am Ende hierhergeführt haben, an diesen Ort; wir haben darüber gesprochen.
Aber ich bin Philosoph, und ich weiß, dass alles im Leben irgendwann zu Ende kommt. Wenn ich irgendwo in einer Aufgabe, welcher Art auch immer, helfen kann und jemand glaubt, dass ich helfen könnte, dann werde ich das sehr gerne in Betracht ziehen. Wenn das nicht der Fall ist, werde ich privatisieren und mich um meine Familie kümmern, vielleicht ein bisschen schreiben und mich wie auch immer sinnvoll beschäftigen. Ich hoffe es jedenfalls.
Radio Vatikan: Vielen Dank, Herr Botschafter, und viel Glück für die Zukunft.
Michael Koch: Herzlichen Dank!
Die Fragen stellte Christine Seuss
(vatican news)
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