Viel zu Grübeln gibt es nach dem 4. Verhandlungstag im Vatikan Viel zu Grübeln gibt es nach dem 4. Verhandlungstag im Vatikan 

Vatikan-Finanzprozess: Weiter alles offen

Der Prozess im Vatikan über mutmaßlich illegale Aktivitäten, die mit Geldern des Heiligen Stuhls finanziert wurden, wird wahrscheinlich noch einige Zeit dauern. Nach dem vierten Verhandlungstag an diesem Mittwoch wurde auf den 1. Dezember vertagt. Grund ist ein Streit um Beweismittel. Die Verteidigung sprach diesbezüglich von unvollständigem beziehungsweise manipuliertem Material, die Anklage hingegen beteuerte: alles korrekt.

Verfahrensrechtliche Scharmützel also gab es auch in dieser Runde. Die Verteidiger erklärten erneut die Nichtigkeit der Vorladung wegen „Verstümmelung" der Beweise und einer „unzulässigen" Ermittlungsmethode, was die volle Ausübung des Rechts auf Verteidigung verhindere. Die andere Seite erklärte, dass vorgenommene Kürzungen des hinterlegten Materials neue, noch laufende Ermittlungsstränge beträfen, die die Frage des Ermittlungsgeheimnisses aufgeworfen hätten. Nachdem er beide  Seiten angehört hatte, gab der Vorsitzende Richter Giuseppe Pignatone kein Urteil ab, sondern vertagte alles auf eine nächste Anhörung - am 1. Dezember ab 9.30 Uhr.

„Es braucht Zeit, um anzufangen, wenn es uns überhaupt gelingt, anzufangen“

„Es braucht Zeit, um anzufangen, wenn es uns überhaupt gelingt, anzufangen", lautete das Fazit Pignatones nach der Anhörung von diesem Mittwoch, die fast drei Stunden gedauert hatte.

Im großen Finanzprozess rund um Kardinal Giovanni Angelo Becciu wurde inzwischen die Anzahl der Angeklagten reduziert, statt zehn sind es noch sechs: Kardinal Becciu, der früherere Direktor der vatikanischen Finanzaufsicht, Tommaso Di Ruzza, sowie die Finanzmanager Enrico Crasso und Gianluigi Torzi, die Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna und der Schweizer Finanzexperte und Ex-Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht, René Brülhart. Die Vorwürfe reichen von Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Geldwäsche bis hin zu Betrug und Erpressung. Von den Angeklagten war nur Kardinal Becciu persönlich erschienen. 

Massig Material - und viele offene Fragen

Die gesamte mündliche Anhörung ging um das bisher hinterlegte Material, das aus mehr als 115 Stunden Gesprächsaufzeichnungen auf 53 DVDs besteht. Die Verteidiger beklagten diesbezüglich, eine „offensichtliche Unzulänglichkeit der zur Verfügung stehenden Zeit, um diese enorme Menge an Material zu prüfen". Ebenso kritisierten sie, dass große Teile der Aussagen aus „ermittlungstechnischen Gründen" gekürzt worden seien. 

Fabio Viglione, der Anwalt von Kardinal Becciu, sagte mit Blick auf das Beweismaterial,  es sei „dezimierter, verstümmelter Natur" - sowohl mit Blick auf  Audio- als auch Videobeweise und  Materialien der beschlagnahmten Computer. Es sei nötig, über das gesamte Material zu verfügen, um „sich verteidigen zu können". 

Der vatikanische Strafverfolger Alessandro Diddi bezeichnete die von der Verteidigung aufgeworfenen Fragen hingegen als „fadenscheinig" und bekräftigte, Auslassungen seien aufgrund des „Ermittlungsgeheimnisses" nötig gewesen.  „Diese Anschuldigungen sind ein Sündenfall", erklärte Diddi. Wer glaube, hier seien Fälschungen produziert worden, solle eine Anklage diesbezüglich starten. 

Doch es kamen noch mehr Fragen auf: Offen blieb am vierten Prozesstag auch, ob Papst Franziskus selbst im Zusammenhang mit dem Prozess gehört wurde - in den Akten taucht er jedenfalls bisher nicht als Zeuge auf. 

(vatican news - sst)

 

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17. November 2021, 17:06