Vatikan: Messe für Frieden in der Ukraine
Auch die Botschafter Russlands und der Ukraine waren bei einer Messe für den Frieden anwesend, die am Mittwochabend im Petersdom in Rom gefeiert wurde. Vor zahlreichen Diplomaten und Bischöfen wiederholte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der die Messe zelebrierte, einen Appell des Papstes: „Bringt die Waffen zum Schweigen!“
Die Initiative zu der Messe kam aus den Reihen der Botschafter, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert sind. Parolin hat in den letzten Tagen immer wieder die Bereitschaft des Heiligen Stuhls betont, auf jede erdenkliche Weise zu Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine beizutragen.
Bei den Fürbitten wurde auch in mehreren östlichen Sprachen gebetet: auf Russisch für die Regierenden, auf Ukrainisch für die Opfer des Krieges, auf Polnisch für alle, die sich für Flüchtlinge engagieren.
„Wir sind heute Abend hier, um Gott um die Gabe des Friedens in der Ukraine zu bitten und ihn zu bitten, jedem Mann und jeder Frau guten Willens zu helfen, Handwerker des Friedens zu sein“, sagte Parolin in seiner Predigt. Gottes Herrlichkeit verlaufe über das Leiden und das Kreuz; die scheinbare Herrlichkeit der Welt hingegen führe zu Tod, Leere, Nichts.
„Glaubt ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass alle Konflikte auf der Erde allmählich verschwinden würden, wenn wir die Worte Jesu wirklich in die Tat umsetzen würden? Glaubt ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass, wenn wir ein wenig mehr auf die Einladung unseres Herrn hören würden, die Waffen verstummen würden oder gar nicht gebaut werden müssten?“
Die Wurzel aller Kriege sei – damit zitierte der vatikanische Chefdiplomat ein Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils – „die tiefer liegende Störung des Gleichgewichts, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat“. Das Problem Krieg sei also nicht nur politisch oder wirtschaftlich, sondern auch „ein grundlegend spirituelles“.
„An diesem Ort, in dieser ehrwürdigen Basilika, wenden wir uns an Gott „mit einem von den Ereignissen in der Ukraine zerrissenen Herzen“ und flehen mit Papst Franziskus: Bringt die Waffen zum Schweigen! Gott ist mit den Friedensstiftern, nicht mit denen, die Gewalt anwenden!“
Die Predigt Parolins im vollen Wortlaut
Wir sind heute Abend hier, um Gott um die Gabe des Friedens in der Ukraine zu bitten und ihn zu bitten, jedem Mann und jeder Frau guten Willens zu helfen, Handwerker des Friedens zu sein.
Auf der einen Seite erklingen die Worte unseres Herrn Jesus in der Bergpredigt: „Selig die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Mt 5,9). Der Friede ist eine Eigenschaft Gottes selbst. Der heilige Paulus nennt ihn „den Gott des Friedens“ (Phil 4,9). Er liebt die Schöpfung und die Menschen mit dem Herzen eines Vaters und hat für alle „Pläne des Friedens und nicht des Unheils“ (vgl. Jer 29,11). Aus diesem Grund sind diejenigen, die sich für den Frieden einsetzen, wie er: sie sind seine Kinder.
Andererseits ist die Realität, die wir erleben, eine ganz andere, wie Papst Franziskus beim Angelus am Sonntag, dem 6. März, sagte: „In der Ukraine fließen Ströme von Blut und Tränen. Es handelt sich nicht um eine Militäroperation, sondern um einen Krieg, der Tod, Zerstörung und Elend bringt. Es gibt immer mehr Opfer, immer mehr Menschen, die fliehen, vor allem Mütter und Kinder. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in diesem gepeinigten Land steigt stündlich dramatisch an.“
Wenn wir hier sind, um für den Frieden zu beten, dann deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass das Gebet niemals nutzlos ist, dass das Gebet selbst in den menschlich verzweifeltsten Situationen etwas bewirken kann, dass es vor allem die Herzen und den Geist verändern kann, gemäß der Verheißung des Herrn, von der im Buch des Propheten Hesekiel berichtet wird: „Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch“ (36,26).
Der Heilige Vater hat in seiner Predigt vom 12. März in der Kirche „Il Gesù“ über die Wirksamkeit des Gebets gesprochen: „Vielleicht haben uns die Macht der Gewohnheit und eine gewisse Ritualisierung dazu verleitet zu glauben, dass das Gebet den Menschen und die Geschichte nicht verändert. Und doch verwandelt das Gebet die Wirklichkeit. …. Es bedeutet nicht Entfernung von der Welt, sondern Veränderung der Welt.“ Lassen wir diese Gewissheit wieder aufleben und danken wir dem Diplomatischen Korps, dass es diesen Moment des Gebets gewollt hat.
Lassen wir uns also von dem Wort Gottes, das wir gehört haben, erleuchten! Der Text des Evangeliums ist der bekannte Abschnitt über die Bitte, die die Mutter der Söhne des Zebedäus an Jesus richtete, nachdem er das Geheimnis seines Leidens, Sterbens und seiner Auferstehung verkündet hatte: „Lass einen dieser meiner Söhne zu deiner Rechten und einen zu deiner Linken sitzen in deinem Reich“. Der legitime Wunsch einer Mutter - könnte man sagen -, die wie alle Mütter das Beste für ihre Kinder will. Aber diese Bitte steht im Widerspruch zu den Worten, die Jesus gerade gesprochen hat.
Im Grunde handelt es sich um den Zusammenstoß zweier unterschiedlicher Logiken, zweier unterschiedlicher „Herrlichkeiten“: die Herrlichkeit Gottes, die über das Kreuz geht, und die Herrlichkeit der Menschen, die im Streben nach weltlichem Erfolg und Macht besteht.
Bei diesem doppelten Begriff der Herrlichkeit, liebe Brüder und Schwestern, geht es um unsere Existenz, um die Geschichte der ganzen Welt. Die eine ist die Herrlichkeit, die trotz des gegenteiligen Anscheins zum Tod, zur Leere, zum Nichts führt; die andere ist die Herrlichkeit, die besiegt und verloren scheint, aber zur Auferstehung und zum Leben führt. „Per crucem ad lucem“, durch das Kreuz kommen wir zum Licht, zur Herrlichkeit!
Jesus will uns genau in diesem Punkt heilen, wie er es bei den Zwölfen getan hat, indem er der Frau ziemlich barsch antwortete: „Du weißt nicht, worum du bittest“. Nein, sagt er uns, wer groß sein will, muss klein werden, und wer der Erste sein will, muss sich in den demütigen Dienst der anderen stellen und dem Beispiel dessen folgen, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele".
In diesem Vers wird uns in aller Einfachheit die Größe Gottes vor Augen geführt, die im Wesentlichen Dienst ist und die uns Jesus am Abend vor seiner Passion zeigt. Beim Letzten Abendmahl, in dem vollen Bewusstsein, vom Vater zu kommen und zum Vater zurückzukehren, im vollen Bewusstsein seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes, legt er sein Gewand ab, legt sich ein Leintuch um und wäscht den Jüngern die Füße.
Glaubt ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass alle Konflikte auf der Erde allmählich verschwinden würden, wenn wir die Worte Jesu wirklich in die Tat umsetzen würden? Glaubt ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass, wenn wir ein wenig mehr auf die Einladung unseres Herrn hören würden, die Waffen verstummen würden oder gar nicht gebaut werden müssten? Der Friede, den Gott uns lehrt, ist nämlich durch Beziehungen strukturiert, in denen wir uns nicht gegenseitig versklaven und bekämpfen, sondern einander dienen und einander nützlich sind, uns gegenseitig befreien und miteinander wachsen, so dass jeder den anderen leben lässt.
Genau das Gegenteil der Erfahrung des Propheten Jeremia, von der uns in der ersten Lesung berichtet wird. Als unbequemer Mann, der als Stimme Gottes die herrschenden Klassen Jerusalems für ihre Unzulänglichkeiten und Sünden anprangerte, hatte er sich einen Kreis von Feinden geschaffen, die mit allen Mitteln versuchten, Zwietracht zu säen und ihn zu beseitigen. Ein interner Krieg, der viele Jahrhunderte zurückliegt, aber dennoch ein Krieg! Dessen Wurzel, wie bei allen Kriegen, in jener „Störung des Gleichgewichts“ liegt, „die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nr. 9) beschreibt. Das Problem ist also nicht nur ein politisches oder wirtschaftliches, sondern ein grundlegend spirituelles: „Unter dem Deckmantel der globalen Unruhen“, schreibt ein Autor, „verbergen sich grundlegende spirituelle Fragen, die nur mit einer theologisch vollständigeren Lesart der Realität und einer tieferen Analyse des menschlichen Herzens erfasst werden können“ (D. Groody, Globalizing Solidarity, 262).
Genau auf dieser geistlichen Ebene wollen wir zulassen, dass die Worte Jesu: „Bei euch soll es nicht so sein“, die im heutigen Evangelium so nachdrücklich erklungen sind, in unsere Ohren und in unsere Herzen dringen. Der Gläubige bezeugt durch sein Wort und sein Leben, dass die Herrlichkeit Gottes nicht dazu da ist, zu unterdrücken, sondern genau das Gegenteil; und es ist diese Herrlichkeit, die die Welt wahrhaftig mit Schönheit, mit Güte erfüllt, die Leben schenkt und Frieden stiftet.
Versuchen wir, den Appell Jesu noch konkreter zu machen durch das, was Papst Johannes XXIII. zwei Monate vor seinem Tod in der Enzyklika „Pacem in Terris“ geschrieben hat, in der er die vier grundlegenden Bedingungen für den Aufbau des Friedens in der Geschichte nennt: die Achtung vor der Wahrheit, das Streben nach Gerechtigkeit, die geschwisterliche Liebe, die der Gewalt entsagt, die Freiheit, die jeden erdrückenden Zwang ausschließt.
In seiner Interpretation dieser Botschaft schrieb Johannes Paul II. 40 Jahre später, dass „die Achtung vor der Wahrheit die Grundlage des Friedens sein wird, wenn sich jeder Einzelne nicht nur seiner Rechte, sondern auch seiner Pflichten gegenüber den anderen ehrlich bewusst wird. Die Gerechtigkeit wird Frieden schaffen, wenn jeder Mensch konkret die Rechte der anderen achtet und sich bemüht, seine Pflichten gegenüber den anderen vollständig zu erfüllen. Die brüderliche Liebe wird der Sauerteig des Friedens sein, wenn die Menschen die Bedürfnisse der anderen als ihre eigenen empfinden und das, was sie besitzen, mit anderen teilen, angefangen bei den geistigen Werten. Schließlich wird die Freiheit den Frieden nähren und fruchtbar machen, wenn die Menschen bei der Wahl der Mittel zu seiner Verwirklichung der Vernunft folgen und mutig die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen“ (Botschaft zum XXXVI. Weltfriedenstag, Nr. 3).
Beim Letzten Abendmahl, bevor er sein Leben am Kreuz opferte, um jeden Menschen mit seinem Schöpfer zu versöhnen und alle Menschen in der Harmonie der einen Menschheitsfamilie zu versammeln, sagte der Herr Jesus zu den Aposteln und zu uns allen: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (Joh 14,27).
„Den Frieden lasse ich euch.“ Der Friede ist also sein Erbe, und deshalb verliert der Jünger Jesu nie die Hoffnung... Wer den Frieden Christi ernsthaft liebt, wer ihn inmitten von tausend Hindernissen und tausend Widerständen bezeugt, wer den Herrn täglich im Gebet darum bittet, dass der wahre Friede herrsche, der trägt wirksam dazu bei, die Erde wenigstens ein wenig barmherziger und menschlicher zu machen.
An diesem Ort, in dieser ehrwürdigen Basilika, wenden wir uns an Gott „mit einem von den Ereignissen in der Ukraine zerrissenen Herzen“ und flehen mit Papst Franziskus: „Bringt die Waffen zum Schweigen! Gott ist mit den Friedensstiftern, nicht mit denen, die Gewalt anwenden!“.
Und wir beten: „Herr Jesus, Fürst des Friedens, sieh auf deine Kinder, die zu dir rufen: Hilf uns, Frieden zu schaffen, bewahre unsere Zunge vor dem Bösen und unsere Lippen vor der Lüge, wende unsere Herzen von der Ungerechtigkeit ab und dem Guten zu. Wecke in den Menschen den Wunsch nach Frieden und erleuchte ihren Verstand, damit sie Wege der Versöhnung beschreiten können. Tröste, barmherziger Gott, die betrübten Herzen so vieler deiner Kinder, trockne die Tränen derer, die in der Prüfung sind, lass die süße Liebkosung deiner Mutter Maria die traurigen Gesichter so vieler Kinder erhellen, die fern sind von der Umarmung ihrer Lieben. Du, der Du der Schöpfer der Welt bist, bewahre diese Erde vor der Zerstörung durch den weit verbreiteten Tod, lass die Waffen schweigen und gib, dass sich die süße Brise des Friedens erhebt. Herr, Gott der Hoffnung, erbarme dich dieser tauben Menschheit und hilf ihr, den Mut zur Vergebung zu finden“.
Amen.
(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)
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