Dieses Jahr wieder am Kolosseum: der Kreuzweg mit Papst Franziskus Dieses Jahr wieder am Kolosseum: der Kreuzweg mit Papst Franziskus 

Familien schreiben Kreuzweg-Meditationen: Krieg, Liebe, Berufung

Eine Familie aus der Ukraine und eine aus Russland, eine Familie mit behindertem Kind, eine Migrantenfamilie, ein junges und ein altes Paar – die diesjährigen Kreuzweg-Meditationen stammen von unterschiedlichen Familien. Der Vatikan veröffentlichte die Texte an diesem Montag.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Die 14 Kreuzweg-Meditationen seien „vom Lebensweg der jeweiligen Familie inspiriert“, gab der Vatikan zu den Texten bekannt. Eine deutsche Übersetzung ist in Arbeit. Vorgetragen werden die Meditationen am Karfreitag während des Kreuzweges mit Papst Franziskus, der erstmals seit 2019 wieder mit Gläubigen am römischen Kolosseum begangen wird.

Umgehen mit Krisen und Schicksalsschlägen

Die Texte zum Kreuzweg, die aus der Feder unterschiedlicher Familien mit unterschiedlichen Erfahrungen und aus unterschiedlichen Kontexten stammen, erzählen von persönlichen Ängsten und Wünschen, von Krieg und Flucht, von Berufung und Hoffnung. Zugleich wird beim Kreuzweg gemeinsam für Familien weltweit gebetet.

Es sind sehr persönliche Zeugnisse, formuliert etwa angesichts von Ereignissen, die das Gewohnte durchkreuzen und alles verändern – wie etwa die schwere Krankheit einer Ehefrau und Mutter, die für die ganze Familie zur Herausforderung wird: „Der Herr spricht zu uns durch Ereignisse, die wir nicht immer verstehen, und führt uns an der Hand zur Entfaltung des Besten in uns“, berichtet ihr Mann und beschreibt, wie es den Eltern gemeinsam gelang, die Herausforderung in eine Kraft zu verwandeln: „Durch diese Krankheit, an diesem Kreuz, sind wir zu der Säule geworden, an die sich die Kinder anlehnen können.“

„Der Herr spricht zu uns durch Ereignisse, die wir nicht immer verstehen, und führt uns an der Hand zur Entfaltung des Besten in uns“

Gesellschaftliche Missstände

„Unser Sohn wurde verurteilt, noch bevor er auf die Welt kam“, berichtet ein anderes Paar, das ein Kind mit Behinderung großzieht. Und es meditiert an der Station, wo Jesus dem Pilatus vorgeführt wird, über den schweren Weg als Familie in einer Wegwerf-Gesellschaft, in der Menschen, die anders sind, immer noch um Anerkennung und Rechte kämpfen müssen: „Als wir uns für das Leben entschieden, wurden auch wir verurteilt“, berichten die Eltern des Kindes: „,Er wird euch und der Gesellschaft zur Last fallen‘, wurde uns gesagt. ,Kreuzige ihn.‘ Wie oft ist das Urteil der Welt voreilig und oberflächlich und schmerzt uns schon bei einem flüchtigen Blick.“

„Wie oft ist das Urteil der Welt voreilig und oberflächlich und schmerzt uns schon bei einem flüchtigen Blick“

Besonders eindringlich unter den 14 Zeugnissen ist die einer ukrainischen und einer russischen Familie zugeordnete Meditation. An der vorletzten Kreuzweg-Station, Jesu Tod am Kreuz, fassen sie den Schrecken des Krieges gemeinsam in Worte: „Warum ist unser Land so dunkel geworden wie Golgatha?“ heißt es in dem Text, der von Tod, Sinnlosigkeit und Verzweiflung erzählt. „Wo bist du, Herr? Warum hast du unsere Familien auf diese Weise auseinandergerissen? Warum haben wir nicht mehr den Willen zu träumen und zu leben?“

Die Wunden des Krieges

Wie tief die Erschütterung dieser Kriegsopfer geht, wird an folgenden Zeilen deutlich: „Wir wissen, dass Du uns liebst, Herr, aber wir spüren diese Liebe nicht, und das macht uns verrückt. Wir wachen morgens auf und sind für ein paar Sekunden glücklich, aber dann erinnern wir uns schnell daran, wie schwierig es sein wird, sich zu versöhnen.“

Vom Thema Flucht und Diskriminierung erzählt das Zeugnis einer Flüchtlingsfamilie an der letzten Kreuzwegstation: „Es ist schwer für eine Familie, sich zwischen ihren Träumen und der Freiheit entscheiden zu müssen. Zwischen Sehnsucht und Überleben“, heißt es darin. „Wir sind hier nach Reisen, auf denen wir Frauen und Kinder, Freunde, Brüder und Schwestern sterben sahen“, berichten sie über ihren schweren Weg. „Wir sind Katholiken, aber selbst das scheint manchmal der Tatsache, dass wir Migranten sind, untergeordnet zu sein. Wenn wir nicht resignieren, dann deshalb, weil wir wissen, dass der große Stein vor der Tür des Grabes eines Tages weggerollt werden wird.“

„Wenn wir nicht resignieren, dann deshalb, weil wir wissen, dass der große Stein vor der Tür des Grabes eines Tages weggerollt werden wird“

Von Berufung und dem Reichtum des Gebens

Doch auch hoffnungsvolle Töne klingen in den Texten an, etwa wenn es um christliche Berufung, Glauben und soziales Engagement geht. „Wir sind vor fast zehn Jahren in die Mission gegangen, Herr, weil unser eigenes Glück nicht ausreichte. Wir wollten unser Leben geben, damit andere die gleiche Freude erleben können“, erzählen zwei Laien-Missionare, die vor fast zehn Jahren in die Mission ins Ausland gingen: „Wir wollten unser Leben geben, damit andere die gleiche Freude erleben können. Wir wollten die Liebe Christi auch denjenigen zeigen, die ihn nicht kennen. Egal wo. Das Leben in der Gemeinschaft und die täglichen Aktivitäten helfen uns, unsere Kinder mit einem offenen Blick auf das Leben und die Welt zu erziehen.“

Ein Paar mit eigenen Kindern und Enkelkindern, das ihr Haus für bedürftige Waisenkinder öffnete, sagt: „Unser Haus ist groß, nicht nur in Bezug auf den Raum, sondern vor allem wegen des menschlichen Reichtums, der darin lebt.“ Die beiden Eheleute berichten, dass es die Trauer war, die sie auf das Wesentliche zurückgebracht habe: „Auf dem schmerzhaften Lebensweg so vieler Gegeißelter und Gekreuzigter, neben ihnen, unter der Last ihres Kreuzes, haben wir entdeckt, dass der wahre König derjenige ist, der sich selbst hingibt und für Nahrung, Leib und Seele hergibt.

14 Familien

Die Kreuzweg-Texte stammen - in der Reihenfolge der Kreuzwegstationen - von folgenden Familien: Einem seit knapp zwei Jahren verheirateten Paar, einer Familie zweier Laien-Missionare, einem alten Paar ohne Kinder, einer kinderreichen Familie, einer Familie mit einem Sohn mit Behinderung, einer Familie, die ein Familienhaus betreibt, einer Familie mit einem kranken Elternteil, einem Großelternpaar, einer Adoptionsfamilie, einer Witwe mit Kindern, einer Familie mit einem gottgeweihten Sohn, einer Familie, die eine Tochter verlor, einer ukrainischen und einer russischen Familie, einer Migrantenfamilie.

Anlass für die Auswahl von Familien als Autoren für den diesjährigen Kreuzweg ist das laufende „Jahr der Familie“, mit dem die Kirche den fünften Jahrestag des apostolischen Schreibens „Amoris laetitia“ feiert. Im Juni findet in Rom als Abschluss des Themenjahres das nächste Weltfamilientreffen statt. Der Papst ist am Thema Ehe und Familie von jeher besonders interessiert; er hat ihm zwei Bischofssynoden gewidmet und mit „Amoris laetitia“ von 2016 einen seiner grundlegendsten Texte. Derzeit läuft ein weltkirchlich angelegtes Amoris-laetitia-Themenjahr, das die Anliegen präsent hält. 

Mit dem Verfassen der Kreuzweg-Meditationen beauftragt der Vatikan jährlich jeweils andere Gruppen. 2021 hatten etwa Pfadfinder- und Kommunionskinder die Texte zu den traditionell 14 Stationen verfasst, im Jahr 2020 Häftlinge.

Live-Übertragung

Radio Vatikan überträgt den diesjährigen Kreuzweg mit dem Papst sowie alle anderen Oster-Höhepunkte live und mit deutschem Kommentar auf unserer Homepage und den Social Media-Kanälen, die genauen Zeiten werden noch bekanntgegeben.

(vatican news – pr)
 

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11. April 2022, 13:21