Das Vatikangericht im Finanzprozess, Aufnahme von März 2022 Das Vatikangericht im Finanzprozess, Aufnahme von März 2022 

Finanzprozess im Vatikan: Kardinal Becciu beteuert weiter seine Unschuld

Kardinal Giovanni Angelo Becciu erklärte sich in einer mehrseitigen Rede, deren Vortrag mehr als zwei Stunden dauerte, erschüttert über die Vorwürfe gegen ihn. Am Donnerstag hatte im Vatikan die 14. Anhörung im Prozess wegen angeblichen Missbrauchs von Geldern des Staatssekretariats stattgefunden. Becciu ist einer der Angeklagten.

Der italienische Kardinal war bis 2018 als Substitut an einer Schaltstelle im Staatssekretariat tätig. Ihm werden im großen vatikanischen Finanzprozess Veruntreuung und Amtsmissbrauch sowie Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Im Kern geht es in dem Prozess mit weiteren neun Angeklagten um finanzielle Unregelmäßigkeiten und Verluste von rund 270 Millionen Euro beim Erwerb einer noblen Londoner Immobilie. Bei der Anhörung in der Mehrzweckhalle der Vatikanischen Museen bekräftigte der Kardinal bei seiner zweiten Aussage vor dem Gericht nachdrücklich seine „absolute Unschuld" und sein Bedauern darüber, an einen „öffentlichen Pranger von weltweitem Ausmaß" gestellt worden zu sein. 

Kardinal Becciu
Kardinal Becciu

„Alles unbegründete Anschuldigungen“

„Jedes kirchliche Amt wurde mir aberkannt; ich wurde an den Rand der Kurie und der Kirche gedrängt", klagte Becciu mit teils brüchiger Stimme. Ganz zu schweigen vom Leid, das seine Familie erlitten habe. Er frage sich: „Warum wurden diese falschen Anschuldigungen dem Heiligen Vater gemeldet? Zu welchem Zweck?"

Kardinal Becciu verwahrte sich auch ausdrücklich gegen Vorwürfe der Veruntreuung von Geldern des Staatssekretariats sowie des „Peterspfennigs" für andere als wohltätige Zwecke. „Ich hätte meine Befugnisse missbraucht, um Leute zu bereichern, die mir weitgehend unbekannt sind?", so Becciu: „Alles unbegründete Anschuldigungen!"

Dem Kardinal werden zudem fragwürdige Überweisungen in seine sardische Heimatdiözese an eine karitative Kooperative unter Leitung seines Bruders angelastet, außerdem Zahlungen an die ebenfalls angeklagte Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna. Auch hier wies Becciu alle Vorwürfe sowie Spekulationen über eine private Beziehung der beiden zurück. Es sei eine rein professionelle Zusammenarbeit gewesen. Alle anderen Behauptungen zeugten „von mangelnder Rücksichtnahme auf Frauen im allgemeinen".

Vorwürfe gegen Perlasca

Die Anhörung unter dem Vorsitz von Giuseppe Pignatone wurde mit der Nachricht eröffnet, dass Alberto Perlasca, ehemaliger Leiter der Verwaltung des Staatssekretariats, der als „Schlüsselzeuge" in dem Prozess gilt, sich der Zivilklage angeschlossen hat. Er wird von Rechtsanwalt Angelo Alessandro Sammarco vertreten.

Becciu ging in seinem Monolog auch ausführlich auf Perlasca ein, der bisher nicht angeklagt wurde, sondern Hauptzeuge ist. Der Streit über Einsicht in Audio- und Videoaufnahmen von Befragungen Perlascas hatte den Prozess monatelang verzögert. Erstmals war ein Anwalt Perlascas beim Prozess anwesend. Perlasca habe sich als Leiter des Verwaltungsbüros quasi wie das Oberhaupt „eines kleinen Reiches" gefühlt, er sei  „jähzornig" und  „empfindlich" gewesen, so Becciu. Als er im Zuge der Ermittlungen von allen Aufgaben entbunden wurde, habe er mit Selbstmord gedroht. Dennoch habe er sich stets auf die große fachliche Expertise Perlascas verlassen und ihm vertraut, so Becciu. Der Kontakt sei freundlich gewesen - bis zu einem Abendessen 2020. Da sei er von Perlasca quasi verhört worden. Dass er bei diesem Gespräch von seinem ehemaligen Untergebenen wohl auch abgehört wurde, treffe ihn sehr, so Becciu.

Weitere Angeklagte zu befragen

In dem Prozess hatten bereits in den vergangenen Wochen die früheren Verantwortlichen der vatikanischen Finanzaufsicht AIF, Ex-Präsident Rene Brülhart und Ex-Direktor Tommaso di Ruzza, jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen. Beide betonten, dass sie keinerlei Aufsichtsrolle, gar Machtbefugnisse gegenüber dem Staatssekretariat gehabt hätten. Beiden wird Amtsmissbrauch, Di Ruzza zudem Veruntreuung und Verletzung des Amtsgeheimnisses vorgeworfen. Der Ex-Sekretär von Becciu, Mauro Carlino, beteuerte ebenfalls seine Unschuld.

Als weitere Angeklagte noch zu befragen sind Cecilia Marogna, die italienischen Finanzmakler Enrico Crasso und Gianluigi Torzi, der Fondsmanager Raffaele Mincione, der Rechtsanwalt Nicola Squillace sowie Finanzvermittler Fabrizio Tirabassi.

(vatcian news/kna - sst)

 

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06. Mai 2022, 10:43