Papst Franziskus bei dem Treffen mit den Indigenen-Vertretern aus Kanada im Vatikan (1.4.2022) Papst Franziskus bei dem Treffen mit den Indigenen-Vertretern aus Kanada im Vatikan (1.4.2022)  Leitartikel

Franziskus in Kanada: Eine Pilgerreise der Buße

Die Besonderheit bei der kommenden Reise von Papst Franziskus nach Kanada: eine konkrete Geste der Nähe zu den indigenen Völkern.

ANDREA TORNIELLI

Noch nie zuvor in seinem fast zehnjährigen Pontifikat hat Franziskus eine seiner internationalen Reisen als „Pilgerreise der Buße“ bezeichnet. Doch genau diese Definition, die der Papst beim Angelus am Sonntag, den 17. Juli, verwendete, gibt einen Einblick in die Besonderheiten seiner bevorstehenden Reise nach Kanada. Es handelt sich nicht in erster Linie um eine Reise in ein Land und auch nicht um einen Besuch mit dem Hauptzweck, katholische Gemeinschaften kennenzulernen, sondern um eine konkrete Geste der Nähe zu den indigenen Völkern, die dieses Land bewohnen und die unter den Folgen des Kolonialismus gelitten haben.

Eines der Übel des Kolonialismus war der Versuch, die Kulturen der Indigen auszulöschen. Dies geschah in den so genannten „Residential Schools“, also Einrichtungen, in denen die Kinder der Eingeborenen mit harter Disziplin „erzogen“ und „unterrichtet“ werden sollten, wobei sie von ihren Familien getrennt wurden. Diese Schulen, die eine sehr hohe Sterblichkeitsrate aufwiesen, waren von der kanadischen Regierung eingerichtet worden, die sie auch finanzierte, aber ihre Verwaltung wurde den christlichen Kirchen und damit auch den katholischen Orden anvertraut.

Der Weg der Heilung und Versöhnung hat schon vor einiger Zeit begonnen, und eine wichtige Etappe waren die Treffen in Rom zwischen Ende März und Anfang April, als Franziskus zunächst einzeln und dann gemeinsam mit den Gruppen der so genannten First Nations, der Métis und der Inuit zusammentraf und ihnen gegenüber „Empörung und Scham“ über das Geschehene zum Ausdruck brachte. Die indigenen Völker fühlten sich willkommen und vor allem angehört. Aber sie wollten unbedingt, dass der Bischof von Rom ihr Land besucht und dort um Vergebung bittet.

Der Schlüssel zum Verständnis der Reise liegt also in der bußfertigen Haltung, die ihre wichtigsten Momente kennzeichnet. Es ist die gleiche Haltung, die Benedikt XVI. 2010 angesichts des Skandals des Kindesmissbrauchs einnahm und die Johannes Paul II. während des Jubiläums 2000 zur „Reinigung des Gedächtnisses“ vorschlug. Damals forderte der polnische Papst „einen Akt des Mutes und der Demut bei der Anerkennung der Fehler derer, die den Namen der Christen trugen und weiterhin tragen“, ausgehend von der Überzeugung, dass wir alle „wegen jenes Bandes, das uns im mystischen Leib miteinander vereint, (…) die Last der Irrtümer und der Schuld derer (tragen), die uns vorausgegangen sind, auch wenn wir keine persönliche Verantwortung dafür haben, und nicht den Richterspruch Gottes, der allein die Herzen kennt, ersetzen wollen“ (Incarnationis mysterium 11).

Es ist zutiefst christlich, zuzuhören, sich in die Lage der Opfer und ihrer Familien zu versetzen, ihren Schmerz zu teilen und zu verstehen, mit Gesten der Nähe zu beantworten und nicht nur mit historischen Analysen oder der Kälte von Statistiken. Der Nachfolger Petri kommt „im Namen Jesu, um zu begegnen und zu umarmen“, als Hirte einer Kirche, die sich nicht schämt, Demut zu zeigen und um Vergebung zu bitten.

(vatican news)

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19. Juli 2022, 09:33