Nuntius in Syrien: Das Land ist zum Bettler geworden
Auch wenn in internationalen Medien mittlerweile andere Nachrichten die Schlagzeilen bestimmen: Der Krieg in Syrien ist nicht vorbei. Doch die Kirche steht an vorderster Front bereit, die Not der Menschen – egal welcher Religion – zu lindern. Deutlich wurde dies wieder einmal an diesem Freitag: Bei einer Konferenz in Rom wurde das Projekt der Offenen Krankenhäuser vorgestellt. Drei Krankenhäuser und vier Gesundheitszentren bieten kostenlose Gesundheitsversorgung für alle bedürftigen Syrer an.
Große humanitäre Notlage
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat der Krieg mittlerweile fast 400.000 Tote und 200.000 Vermisste gefordert. Von den 21 Millionen Einwohnern, die vor dem Krieg in Syrien lebten, sind 6,6 Millionen ins Ausland geflüchtet, hauptsächlich in die Nachbarstaaten. Insbesondere junge Menschen sehen keine Perspektive mehr in ihrer Heimat. Statistiken zeigen, dass 90 Prozent der im Land verbliebenen Bevölkerung gezwungen sind, unterhalb der Armutsgrenze zu leben. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms (WFP) leben mehr als 12 Millionen Syrer, also 60 Prozent der Bevölkerung, in unsicherer Ernährungslage. Insgesamt sind 14,6 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon 9,6 Millionen dringend.
Unterstützung der zerstörten Gesundheitsversorgung
„Damit wir Syrien und die Syrer nicht vergessen“ war der Titel der Konferenz, mit der das seit 2017 durch die katholische Stiftung AVSI ins Leben gerufene Projekt der Offenen Krankenhäuser vorgestellt wurde. Diese wurde von der Stiftung gemeinsam mit dem vatikanischen Entwicklungs-Dikasterium und dem Dikasterium für die orientalischen Kirchen organisiert. Dank Spenden von privaten Kleinspendern, großen Unternehmen, der italienischen und ungarischen Regierung sowie zahlreichen europäischen Bischofskonferenzen kann seitdem in Syrien die dringendste Gesundheitsversorgung für Bedürftige angeboten werden.
Bereits 80.000 Behandlungen
„Das Projekt geht auf die Bitte des Nuntius in Syrien zurück, der uns angesichts der dramatischen Situation im Land gebeten hat, die katholischen Gesundheitsstrukturen zu unterstützen“, berichtete bei der Konferenz Giampaolo Silvestri, Generalsekretär der Vereinigung AVSI. „Es handelt sich um drei Krankenhäuser, die jeweils von einer religiösen Kongregation geleitet werden und der gesamten Bevölkerung eine kostenlose Gesundheitsversorgung bieten". In seiner Rede verwies Silvestri darauf, dass in den vergangenen Jahren rund 80.000 Bedürftige in den drei Krankenhäusern in Damaskus und Aleppo und den vier in den entlegensten Gebieten verteilten Ambulanzen kostenlos behandelt worden waren. „Das Ziel ist es, bis Ende 2024 140.000 Dienste zu erreichen“. Die Konferenz solle einerseits dazu dienen, die Ergebnisse zu präsentieren, aber vor allem, „das Projekt wiederzubeleben und über die Presse bekannt zu machen, denn die weltweite Krise hat verheerende Auswirkungen in Syrien“, so Silvestri abschließend: „Syrien ist aus den Medien verschwunden, aber die Bedürfnisse bleiben, ebenso wie die Armen, die Vertriebenen und die Flüchtlinge.“
Zenari: Katholische Gesundheitsfürsorge in Syrien vorbildlich
„Es war keine Intuition, sondern eine Notwendigkeit. Zu diesem Zeitpunkt war die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen unbrauchbar, so dass wir beschlossen, die Aktivitäten der drei katholischen Krankenhäuser in Syrien zu verstärken und neue Ambulanzen zu eröffnen, was wir mit der Unterstützung des Papstes angegangen sind“, erklärte Kardinal Mario Zenari in seiner Rede am Pressepunkt der Konferenz.
Zenari zeigte sich zufrieden mit den Errungenschaften des Projekts: „Die Menschen werden geheilt und sind zufrieden, und diese Tätigkeit ermöglicht es der Kirche, in Syrien zu bleiben, weil sie bei allen Gemeinschaften der verschiedenen Religionsgemeinschaften, einschließlich der mehrheitlich sunnitischen Muslime, gut ankommt, weil ihre Frauen in unseren Krankenhäusern geheilt werden und ihre Kinder in unseren Schulen unterrichtet werden. Gesundheit und Bildung sind die Juwelen in der Krone der Christen in Syrien“. Zenari unterstreicht, dass die Kirche selbst in den dunkelsten Zeiten der dschihadistischen Verfolgung für diese soziale Rolle anerkannt worden sei: „Wir heilen die Körper und fördern die Gemeinschaft“, betonte Zenari.
Wiederaufbau eines zerstörten Landes
Der Apostolische Nuntius in Damaskus geht auch auf die allgemeinen Bedingungen in Syrien ein, das durch mehr als elf Jahre Krieg verwüstet wurde: „Leider gibt es keinen Wiederaufbau oder wirtschaftlichen Aufschwung, das Land ist im Stillstand. Die Almosen der internationalen Gemeinschaft reichen nicht aus, wir als Kirche können die unmittelbare Notlage bewältigen, aber es bedarf eines großen Engagements aller Akteure, damit Syrien wieder auf die Beine kommt und auf eigenen Füßen stehen kann. Wir müssen uns für die Entwicklung einsetzen.“
Der Kardinal erinnert daran, dass Syrien vor dem Krieg ein wohlhabendes Land war, das über eine gute Gesundheitsversorgung verfügte und die Medikamente produzierte und exportierte, die es jetzt braucht. „Nachdem Syrien geschlagen und verlassen wurde, ist es zu einem Bettler geworden“, fügte Zenari hinzu.
Es gebe weder ausreichend zu essen, noch Strom, Wasser, vernünftigen Wohnraum oder Perspektiven für die Jugend. Die von den Gebern auf der Brüsseler Konferenz zugesagten sechs Milliarden Euro (von denen laut AVSI weniger als die Hälfte tatsächlich vor Ort angekommen ist) reichten nicht aus, um das gebeutelte Land wieder auf die Beine zu bringen. Der Nuntius bittet die Geberländer um ein größeres Engagement für Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte, für die mindestens 100 Milliarden Euro benötigt würden. Die Zukunft Syriens hänge von den Möglichkeiten ab, die jungen Menschen geboten werden, denn ohne sie sei ein Wiedererstarken nicht denkbar. „Wir müssen den Exodus der jungen Menschen stoppen, die ihre Stimme und ihre Hoffnung verloren haben“, so der Kardinal abschließend.
(vatican news - cs)
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