Vatikan nimmt erstmals an Rad-Weltmeisterschaft teil
Rien Schuurhuis*
In seinem Beitrag für den Ossservatore schreibt Rien Schuurhuis:
Ich bin im Jahr 2020 nach Rom gekommen und war sofort von den Werten und dem Gemeinschaftsgeist des Vatikan-Sportvereins Athletica Vaticana angezogen. Die Aufmerksamkeit Papst Franziskus' für den Sport und dass er immer wieder betont, dass Sport ein Mittel zur Begegnung mit anderen sein kann, stehen völlig mit meiner eigenen Lebenserfahrung im Einklang: Die Sprache des Sports ist wirklich universell und steht letztlich auch ganz im Sinne der Enzyklika „Fratelli tutti", über die Geschwisterlichkeit aller Menschen, die Papst Fanziskus im Oktober 2020 veröffentlichte.
Athletica Vaticana am 25. September erstmals bei der Straßen-Rad-WM in Australien vertreten zu dürfen, ist für mich eine unglaubliche Ehre. Um das zu erreichen haben wir wunderbare Teamarbeit geleistet und ich kann es kaum erwarten, diesen Teamgeist auch ins Rennen einzubringen.
Sport als Mittel für Integration, Geschwisterlichkeit und Frieden
Sport hat die Kraft, jeden von uns dazu zu bringen, das Beste zu geben, indem er Großzügigkeit, Aufopferungsgeist und Demut miteinander verbindet. Wir von Athletica Vaticana sind bereit, diese Werte bei den Weltmeisterschaften im australischen Wollongong einzubringen und alle Athleten zu ermutigen, „Botschafter des Sports" als Mittel für Integration, Geschwisterlichkeit und Frieden zu sein - was auch Papst Franziskus der Athletica Vaticana anlässlich der Mittelmeerspiele in Algerien im Juli mit auf den Weg gegeben hat.
Wem Schuurhuis den Sieg gönnen würde
Mal schauen, wie das WM-Rennen am Sonntag laufen wird. Ich hatte schon immer ein Faible für Underdogs: Ich würde gern einen Fahrer aus einer der aufstrebenden Radsportnationen als Sieger sehen. Der Eritreer Biniam Girmay zum Beispiel hat gezeigt, dass er da auf Augehöhe ist. Die Strecke in Wollongong liegt mir: Ich mag Anstiege, aber ich habe auch die Kondition, um im Flachland zu fahren. Ich setze mich gerne ab und arbeite mit Fahrern aus anderen Teams zusammen, um das Ziel zu erreichen. Der Radsport schenkt einem wirklich außergewöhnliche Erfahrungen.
Außergewöhnliches Training in Rom
Für die Weltmeisterschaft habe ich mich bestmöglichst vorbereitet und so hart trainiert, wie ich konnte. Ich wohne mit meiner Familie im historischen Zentrum von Rom und beginne mein Training jedes Mal mit einem Aufwärmtraining auf einer der befahrensten Straßen: Dem Lungotevere am Tiber. Ich muss zugeben, dass dies einer der lustigsten Teile meines Trainings ist, auch wegen der Reflexe, die ich mitten im dichten cahotischen römischen Verkehrimmer wieder zeigen muss.
Nachdem ich aus Rom raus gefahren bin, geht`s um den Braccianer See und den See von Albano. Außerdem fahre ich mit meinen beiden Söhnen regelmäßig mit dem Rad über die gepflasterten Straßen des Zentrums; MItten zwischen Fußgängern, Autos und Motorrädern hindurch. Das ist wirklich ein perfektes Training für ihr räumliches Vorstellungsvermögen und die Kontrolle des Rads.
Radfahren schon immer Teil des Lebens
Solange ich denken kann - ich wurde am 12. August 1982 in Groningen, Niederlande, geboren - war Radfahren Teil meines Lebens. In meiner Heimat gehört das Radfahren zum Alltag. Wir fuhren per Drahtesel zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen und zur Kirche. Mein erstes Taschengeld habe ich für ein Fahrrad hingeblättert. Ich weiß nicht genau, wann meine Liebe zum Radsport erwachte, aber ich glaube, sie war schon immer in meinem Herzen. Ich war Fan des Spaniers Miguel Indurain; ich habe seine Bescheidenheit und Demut in- und außerhalb des Radsports sehr bewundert. Er inspirierte viele junge Radfahrer. Ganz im Gegensatz dazu steht übrigens mein Kindheitsheld Mario Cipollini mit seiner lebhaften Persönlichkeit.
Radsport verbindet
Im Laufe der Jahre habe ich über das Radfahren viele Freundschaften mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Kultur geschlossen. Sport kennt keine Sprach-, Glaubens- oder Altersgrenzen. Der älteste meiner Radsportfreunde könnte der Großvater meines jüngsten Radsportfreundes sein. Meine Fahrradfreundschaften haben mir geholfen, wirklich in die Orte einzutauchen, an denen ich gelebt und die ich bereist habe. Sie haben mir geholfen, andere Kulturen zu verstehen und mich auch persönlich weiterzuentwickeln. Der Radsport hat mich gelehrt, immer das Beste zu geben.
Wirklich, Radsport und Sport im Allgemeinen waren für mich ein großartiges Mittel, um mich in Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu integrieren: Im Jahr 2009 zog ich mit meiner Frau nach Australien; seitdem haben wir in Indien, im französischen Pazifik und jetzt in Italien gelebt. An jedem dieser Orte habe ich Freunde gefunden und durch den Sport gemeinsame Erfahrungen geteilt. Australien, das jetzt meine zweite Heimat ist, hat mich gelehrt, wie verbindend der Sport sein kann: Die Hälfte der australischen Bevölkerung wurde im Ausland geboren oder hat einen Elternteil, der im Ausland geboren wurde. Es gibt eine ganz unglaubliche Mischung von Kulturen und Sprachen. Sport schafft Bindungen, die solche Unterschiede überwinden.
Besondere Freundschaften auf aller Welt
In Indien zum Beispiel, das werde ich nie vergessen, lief ich in Neu-Delhi einen Halbmarathon an der Seite einer Frau, die barfuß und aufgrund der sengenden Hitze mit einer Kopfbedeckung lief. Wir tauschten ein Lächeln und ein paar aufbauende Worte aus. In Neukaledonien habe ich mich trotz meiner mangelnden Französischkenntnisse mit mehreren jungen Radfahrern angefreundet, von denen einige von den inidgenen Kanak abstammen. Sie hatten echt wenig Unterstützung und Geld und es war mir eine Ehre und ein Privileg, einige von trainieren und betreuen zu können und sie bei der Beschaffung von Fahrrädern und anderen Dingen zu unterstützen.
Ich bin per Rad und Pedes in ganz Asien und im Pazifik unterwegs gewesen: In Malaysia, Indonesien, Neuseeland und Französisch-Polynesien. Eine der unglaublichsten Erfahrungen war ein Radrennen auf der Insel Flores in Indonesien. Wir wurden bei den einzlenenn Etappen in mehreren über die Insel verteilten Klöstern untergebracht -das war eine spirituelle Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Die Straßen waren voller Zuschauer, es schien, als wäre die ganze Insel da, um uns anzufeuern. Die Menschen unterstützten jeden, völlig unabhängig von Rasse, Hautfarbe oder Religion.
Papstreise nach Kanada inspiriert Athletica Vaticana
Rien Schuurhuis und das Team aus dem Vatikan wollen nach der Radsport-WM in Australien übrigens zusammen mit dem Apostolischen Nuntius und der Caritas im Nachgang der Kanada-Reise von Papst Franziskus auch einige Indigene treffen.
* übersetzt und redaktionell bearbeitet von Stefanie Stahlhofen
(or-sst)
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