Vatikan: „Frauen helfen der Kirche durch ihren besonderen Arbeitsstil"
Brigitte Schmitt - Vatikanstadt
Seit 1993 wirkt die Italienerin Francesca Di Giovanni im vatikanischen Staatssekretariat, immer in der Abteilung für Multilateralismus, die sie seit 2020 auf Ernennung von Papst Franziskus leitete. In dieser langen Zeit unter drei Päpsten hat sich einiges geändert. Die Papst-Behörden arbeiten jetzt viel enger zusammen, sagt die Juristin, und das hat einen Grund: „Viele unserer Themen berühren verschiedene Aspekte. Migration etwa kann viele Ursachen haben: Konflikte, Klimawandel oder Hunger. Und aufgrund der vielen Facetten tun wir gut daran, zusammenzuarbeiten.“
Pastorale Anliegen treffen auf Diplomatie
Wesentlich bei der Arbeit des Staatssekretariats: Pastorale Anliegen treffen auf Diplomatie. Der Heilige Stuhl schmiedet Allianzen nicht etwa bloß zugunsten der Katholiken, sondern zugunsten der Benachteiligten. Das geht nur im großen Maßstab, und nicht umsonst setzt der Heilige Stuhl unter Papst Franziskus wie nie zuvor auf Multilateralismus, also die Zusammenarbeit mehrerer Staaten bei der Lösung globaler Herausforderungen. Allianzen lassen sich aber auch mit anderen Religionen schmieden, und der Heilige Stuhl hat das im Lauf der Zeit intensiviert. Di Giovanni erinnert sich an die Vorbereitungstreffen zur UN-Weltklimakonferenz COP26, die 2021 in Glasgow stattfand.
„Dabei versuchten wir, eine gemeinsame Linie zu finden, die wir Religionen gegenüber den Regierungsvertretern präsentieren wollten. Mit ,wir´ meine ich Konfuzianisten, Hindus, Muslime, Juden, Christen und so weiter. Wir haben auch mit Forschenden den Austausch gesucht. Dieser Erfahrungsaustausch war sehr schön. Unser Ausgangspunkt war immer, dass wir als Religionen uns um die Welt kümmern müssen, die Natur, die Umwelt, wo Menschen, Männer und Frauen leben.“
Und mit einem gewissen Stolz fügt sie hinzu, dass es gelang, „als eine gemeinsame Stimme der Religionsgemeinschaften in diesem multilateralen Kontext aufzutreten.“
Im Vatikan: „geschwisterlicher Arbeitsstil“
Wie schwer ist es eigentlich, als Frau die eigene Stimme zu Gehör zu bringen in einem maskulinen Umfeld wie dem Vatikan, das in vielen Fällen traditionell auf Männerargumente hört? Francesca Di Giovanni bleibt da gelassen. Ihre Erfahrung ist, „dass eine Frau in gewisser Weise zu dieser Art von Arbeitsstil beitragen kann, weil sie das Arbeitsteam zusammenbringt. Es ist ein geschwisterlicher Arbeitsstil. Man könnte das mit einer Mutter vergleichen. Was tut eine Mutter in der Familie? Sie versucht, die Kinder zusammenzuhalten, auch wenn sie streiten, sie versucht, das Gute in in allen zu finden und mit jedem und jeder zu reden.“ Frauen bringen Di Giovanni zufolge ein gewisses diplomatisches Geschick mit. Es liege ihnen, „Kontakte herzustellen, zu versuchen, die verschiedenen Stimmen zu Gehör zu bringen und so weit wie möglich einen gemeinsamen Standpunkt anzustreben.“
So hat denn auch Papst Franziskus die Zahl der Frauen in Führungspositionen beim Heiligen Stuhl in den zehn Jahren seines Pontifikats vervielfacht, wenn auch auf niedrigem Niveau. Frauen sind weiter unterrepräsentiert in den Leitungsebenen im Vatikan. „Da meine ich, das sollte sich verbessern", sagte uns Di Giovanni. Zugleich verweist sie darauf, dass die sogenannte Machtfrage in der Kirche sich weiter entwickelt und dass Klerikalismus ein Auslaufmodell sein sollte.
Aufstieg von Frauen in der Kirche als Machtfrage
„Ich glaube, dass die Autorität in der Kirche immer mehr als Dienst am Menschen gesehen werden müsste, ein Dienst an Gott und am Nächsten. Wenn der Papst von sich sagt, er sei Diener der Diener Gottes, dann müsste das auch immer mehr präsent sein. Dies würde - glaube ich - auch viele hierarchische Überbauten zum Einsturz bringen. Das meint auch Papst Franziskus, wenn er fordert, dass mehr Frauen in Entscheidungspositionen in der Kirche sein müssten, um einem gewissen Klerikalismus entgegenzusteuern, den der Papst immer kritisiert.“
Wo laut Statut immer eine Frau an der Spitze steht
Francesca Di Giovanni gehört der von Chiara Lubich gegründeten Fokolar-Bewegung an. Eine Besonderheit dieser weltweiten katholischen Gemeinschaft ist, dass an ihrer Spitze laut Statuten immer eine Frau steht. Mädchen und Frauen, die in der Kirche Verantwortung übernehmen möchten, rät die Juristin zunächst etwas ganz Grundsätzliches, nämlich eine gute Ausbildung:
„Heute leben wir in einer Zeit, in der der Beitrag einer Frau innerhalb der Kirche wertgeschätzt werden sollte. Sicher gibt es Widerstand in der Kirche, aber das ist Teil der „Old School“. Ich sehe Fortschritte, wenn eine Frau professionell und gut ausgebildet ist, und das wird immer wichtiger werden. Der Papst will eine stärkere weibliche Präsenz auch in der Römischen Kurie. Mit seinen Ernennungen versucht er, dies zu unterstreichen." Zweite grundsätzliche Anforderung, wie Di Giovanni hervorhebt: „Neben der Professionalität muss auch die Treue zur Kirche vorhanden sein, d.h. die Treue zur Frohen Botschaft. Ich würde sagen: Treue in Freiheit.“
Bildung als Schlüssel
Und im Rest der Welt? Auf den Bildern der jüngsten Papstreise in Afrika waren viele jubelnde Frauen und Mädchen zu sehen. Mehrfach forderte Franziskus, die Frauen zu schützen und respektieren. Die weibliche Bevölkerung dort hatte hohe Erwartungen an die Autorität des Papstes. Der Zugang zu Bildung ist für viele Mädchen in den Ländern des Südens schwer, weiß Di Giovanni:
„Leider hören wir etwa von unseren Priestern, von Ordensfrauen und Ordensmännern, die in katholischen Schulen arbeiten, dass der Schulbesuch für viele Mädchen zunächst einmal eine regelmäßige Mahlzeit sichert, weil die Familien nicht dafür sorgen können.“
Bildung, von der Grundschule bis zur Universität, ist der Schlüssel für eine friedlichere und gerechtere Gesellschaft, gerade in den Ländern des Südens. „Deshalb beharrt die Kirche auf der Forderung, dass Mädchen in die Schule gehen können", erklärt Di Giovanni. „Das ist mein innigster Wunsch, eine qualitativ hochwertige Ausbildung für alle Mädchen.“
Zur Person
Francesca Di Giovanni, die aus Palermo stammt, arbeitete zunächst in der Verwaltung der Fokolarbewegung. Im Januar 1993 wechselte sie in das Staatssekretariat am Heiligen Stuhl. Im Januar 2020 bestellte Papst Franziskus sie zur Untersekretärin für den Bereich der multilateralen Beziehungen in der Sektion für die Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen. Die Stelle des Untersekretärs für multilaterale Beziehungen war neu, und der erste Inhaber eine Frau.
Am 24. März wird Francesca Di Giovanni 70 Jahre alt und scheidet aus dem Dienst. Neuer Untersekretär wird der deutsche Priester Daniel Pacho, der seit 2010 im Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhles und seit 2018 im Staatssekretariat tätig ist.
(vatican news)
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