Kardinal Lazarus You: Christ sein heißt frei sein
Der Südkoreaner leitet seit August 2021 das vatikanische Dikasterium für den Klerus, das hauptsächlich mit der spirituellen, intellektuellen und pastoralen Bildung des Klerus befasst ist. Papst Franziskus hatte Lazarus You Heung-sik im August 2022 zum Kardinal erhoben.
Kein exklusiver Status
Im Interview mit der Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ hebt Kardinal You Heung-sik die Bedeutung einer glaubwürdigen Verkörperung des Evangeliums hervor. Je nach Kulturkreis gebe es „sehr unterschiedliche Sensibilitäten und Interpretationen“ der Rolle des Priesters – fester Kern sei allerdings die „Sakramentalität des Amtes“. Damit sei kein „Status der Exklusivität“ gemeint, betont der Kardinal, es gehe vielmehr um „die Inkarnation des Gesetzes der Liebe im Leben eines zu Christus Berufenen“, wie er formuliert.
„Das Paradigma des guten Priesters - wo immer er in der Welt lebt und wirkt - ist das Gesetz der Liebe, das jede andere moralische oder kanonische Norm übertrifft. Der Priester ist berufen, zur Liebe zu führen, und er kann dies nur dann wirksam tun, wenn er selbst in der Liebe lebt. Die Liebe ist nicht die Suche nach einer Vollkommenheit, die durch die menschliche Begrenztheit verhindert wird, sondern die barmherzige Annahme dieser Begrenztheit. Das Evangelium zu leben heißt nicht, moralische Gesetze zu kodifizieren, sondern andere glücklich zu machen, indem man sie mit der unendlichen und barmherzigen Liebe Gottes in Berührung bringt.“
Wort, Gebet, Gemeinschaft
In der Priesterbildung sollten weltweit „bestimmte Praktiken üblich sein“, betont der Leiter des Dikasteriums für den Klerus. Dazu zählten eine glaubhafte Verinnerlichung des Evangeliums („Begegnung mit dem Wort“), das Gebet und das Gemeinschaftsleben, in das auch Priester gut integriert sein müssten.
„Ein Priester, der in Einsamkeit lebt oder sich nach Einsamkeit sehnt, ist nicht gut ausgebildet. Ich weiß sehr wohl, dass das Gemeinschaftsleben oft schwierig ist, voller Hindernisse und gegenseitiger Missverständnisse. Aber es sind gerade diese Schwierigkeiten, die den Charakter eines guten Priesters formen, im Sinne der Fähigkeit, willkommen zu sein, geduldig zu sein, demütig zu sein, offen und verständnisvoll für die vielen Andersartigkeiten zu sein, die die Welt bietet.“
Kardinal Lazarus You empfiehlt hier vor allem den Kontakt zu Laien und Familien, „um die Dimension des Realen nicht zu verlieren“ und nicht selbstreferentiell zu werden.
Frau betreut Priesterseminar
Was Frauen in der Kirche betrifft, sieht Lazarus You „dank theologischer und pastoraler Wege zu diesem Thema und vor allem dank der Impulse und Entscheidungen von Papst Franziskus“ eine Verbesserung, die es in der Kultur der Kirche weiter zu verankern gelte.
„Wir müssen gute und gültige Wege finden, um bestimmte kanonische Aspekte in Bezug auf die Rollen der Leitung und der Verantwortung zu überwinden und vor allem unseren pastoralen Widerstand zu überwinden, wenn es um die normale Beteiligung von Frauen am Leben der Kirche geht. Persönlich denke ich, wie ich auch in einem Buch berichtet habe, dass der Weg mit konkreten Gesten beschritten wird: Ernennung von Frauen in Leitungspositionen, Ernennung von Lektorinnen und Akolythinnen. Ich hatte eine Frau in das Team des Priesterseminars aufgenommen und ich ermutige solche Entscheidungen.“
Botschaft der Freiheit
Er selbst stamme ursprünglich aus einer nicht-gläubigen Familie und sei durch Ordensschwestern ins Christentum eingeführt worden, die ihm Orientierung im Leben gegeben hätten, berichtet der Kardinal über seine persönliche Prägung. Auch seinem Religionslehrer habe er viel zu verdanken, ergänzt der Koreaner. In seinem Heimatland, dessen Gesellschaft durch Hierarchie- und Klassendenken geprägt war, sei das Christentum als Befreiung wahrgenommen worden. Im Westen, wo Kirche vorrangig als „normative Institution“ und „konservative Struktur“ wahrgenommen würde, gelte es, diese Freude wiederzuerlangen:
„Ich denke, die neue Pastoral, zu der Papst Franziskus uns einlädt, sollte diese Sehnsucht nach Freiheit wieder aufgreifen und das Evangelium als die wahre Quelle wahrer Freiheit freudig präsentieren. Die frohe Botschaft ist keine Liste von Erlaubnissen und Verboten, sondern der auferstandene Jesus: das leere Grab, das verkündet, dass wir nicht mehr sterben. Gibt es ein größeres Glück? Zum Evangelium zurückzukehren bedeutet also, nichts anderes zu verkünden als den auferstandenen Jesus, der auch die Erstlingsfrucht unserer Auferstehung ist.“
(or/vatican news - pr)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.