Die Dialoggruppe an diesem Mittwoch bei der Generalaudienz mit Papst Franziskus Die Dialoggruppe an diesem Mittwoch bei der Generalaudienz mit Papst Franziskus 

Erstes EU-Treffen von Hindus und Christen: Brauchen diesen Dialog

Erstmals haben sich am Dienstag in Rom auf Einladung des vatikanischen Dikasteriums für interreligiösen Dialog Christen und Hindus aus Europa ausgetauscht. Organisiert war das Treffen in Zusammenarbeit mit dem Hindu Forum of Europe, der italienischen Hindu Union und dem Ökumenischen Rat der Kirchen. Unter den rund 50 Teilnehmern aus Europa war auch Helmut Zander, Professor für Religionswissenschaften an der Université de Fribourg in der Schweiz. Wir haben ihn zum Interview ins Radio eingeladen.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Helmut Zander ist römisch-katholischer Theologe und Professor des Departements für Glaubens- und Religionswissenschaft der Université de Fribourg (Schweiz). Im Interview mit Radio Vatikan ging er auch auf den Hinduismus in Indien ein:

Helmut Zander: Man kann, glaube ich, sagen, dass der Hinduismus in Indien im Moment Teil der nationalen Identitätsbildung ist. Darunter leiden Muslime, besonders aber auch Christen. Es gibt etwa in der Hälfte der indischen Bundesstaaten Gesetze, die heißen eigentlich Gesetze zur Sicherung der Religionsfreiheit, sind aber faktisch Anti-Konversionsgesetze gegen Christen, insbesondere gegen evangelikale Christen, die sich weit weniger an gesellschaftliche Gebräuche halten, als das etwa die etablierten katholischen Christen in Südindien tun.

„Es ist klar, dass wir diesen Dialog brauchen. Auf der einen Seite zur Integration von Hindus in Europa. Aber auch wenn wir Christen helfen, schützen wollen, die in Indien in einer nicht so vorteilhaften Situation sind“

Kann da der Dialog, der jetzt hier gestartet wurde, vielleicht auch helfen?

Helmut Zander:  Auf lange Sicht wird der Dialog auch an dieser Stelle helfen können und helfen müssen. Im Moment sind wir in der Situation, wo wir uns annähern und eben nicht mit den Konflikten anfangen. Aber man kann den Dialog auf Dauer nicht führen, ohne die Probleme zu benennen. Ein viel größeres Problem ist im Moment in einer solchen Anfangsphase die Frage: Mit wem sprechen wir eigentlich, wenn wir mit dem Hinduismus sprechen, den es ja so nicht gibt? Und das ist eine offene Frage. Wir haben darauf keine Antwort gefunden.

Wir haben Vertreter und Vertreterinnen eines Hinduismus, oft mit Migrationshintergrund, die aber nur bestimmte Gruppen oder einen bestimmten Ashram, also eine Art klösterlicher Gemeinschaft, vertreten. Wir hatten aus Ligurien zwei Schwestern aus einem hinduistischen Ashram da, die natürlich nur für sich sprechen können, die eine ganz bestimmte Tradition der Verehrung einer Göttin haben, wo andere Hindus gar nicht unterschreiben würden.

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Gibt es schon Pläne für ein weiteres Treffen?

Helmut Zander: Ja, ich glaube, das Dikasterium denkt da sehr viel langfristiger, als unsereins sich das vorstellen kann. Es ist klar, dass wir diesen Dialog brauchen. Auf der einen Seite zur Integration von Hindus in Europa. Aber auch wenn wir Christen helfen, schützen wollen, die in Indien in einer nicht so vorteilhaften Situation sind. Deshalb besteht, glaube ich, von beiden Seiten ein großes Interesse, diesen Dialog fortzuführen. Und ich glaube, wir werden weitere Dialogveranstaltungen sehen.

Wie sieht es theologisch gesehen aus?

Helmut Zander: Diese Frage von einem Gott, vielen Göttern, also Monotheismus, Polytheismus. Das ist ein schwieriges Gelände geworden. Hindus, insbesondere wenn sie aus Europa kommen, sagen: ,Na ja, im Hintergrund gibt es ja doch eine Gottheit, ein Göttliches, ein Ganzes. Und das, was ihr unsere Götter nennt, das sind eigentlich nur Manifestationen dieses einen Göttlichen.` Das ist natürlich auch eine Sicht von philosophisch gebildeten Hindus. Ganz spannend fande ich eine Intervention von dem Bischof von Limerick aus Irland, Brendan Leahy, der gesagt hat: ,Na ja, wir sind in einer Situation, wo wir gerade darüber reflektieren, was im Hinduismus passiert, wenn man diese Vielfalt von Gottheiten jetzt monotheistisch interpretiert. Und er hat dann noch gesagt: Wir müssen uns vielleicht katholischerseits auch fragen, ob wir es nicht zulassen müssen, dass man die katholische Vielfalt von Heiligen polytheistisch interpretiert. Also er hat die Frage aufgeworfen, ob diese klassischen Brillen - der Hinduismus ist polytheistisch und das Christentum ist monotheistisch - ob das so in der Praxis überhaupt stimmt?

Offene Fragen: Reinkarnation, Montheismus, Wer ist Gott?

Wir hatten Brian Lobo da, Jesuit, der in Mumbai geboren ist und jetzt aber hier die europäischen Verhältnisse auch gut kennt. Und er kann vielleicht auch als Inder leichter die Differenzen auf den Punkt bringen. Dazu gehört zum Beispiel die Frage: ,Wer ist eigentlich Jesus?` Für Hindus ist das nicht sehr schwierig, Jesus einzugemeinden als eine der großen spirituellen Gestalten, vielleicht auch als Jesus, den Christus, den göttlichen Jesus. Während wir uns katholischerseits ganz sicher, ganz schwer tun würden, Shiva als Göttin der Fruchtbarkeit auch in den katholischen Heiligenbereich einzugemeinden. Das ist, glaube ich, eine zentrale Frage, deren Diskussion noch ansteht.

Andere Probleme betreffen etwa Reinkarnation. Für Hindus ist das zentral, für katholische Christen, für Christen überhaupt ist das eine No-Go-Area. Letztlich die Frage: Wer ist Gott? Für Hindus ist Gott alles in allem in der Materie, in den Pflanzen. Es gibt eigentlich keine Differenz zwischen Gott und der Welt. Letztlich natürlich konkret schon - aber philosophisch kann dieser Unterschied aufgehoben werden. Während wir in der christlichen Tradition eine Schöpfungstheologie haben, die davon ausgeht, dass mit der Schöpfung der Mensch selbstständig wird und eigenständig und autonom. Das hakt natürlich, wenn man versucht, hier beide Religionen zu vereinen, zu fusionieren oder so. Aber da sind wir noch relativ weit von weg. Die Debatte, wie wir mit den manifesten Unterschieden umgehen, die ist offen.

„Die Debatte, wie wir mit den manifesten Unterschieden umgehen, ist die ist offen“

Kloster Einsiedeln in der Schweiz
Kloster Einsiedeln in der Schweiz

Kloster Einsiedeln in der Schweiz - Pilgerziel für Hindus und Christen

Sie kommen aus der Schweiz. Dort gibt es ein konkretes Beispiel, wo Hinduisten und Katholiken gemeinsam die Madonna verehren...

Helmut Zander: Ja, unser Vorzeigebeispiel für diesen manchmal konfliktreichen, in der Regel aber schönen interreligiösen Dialog, ist das Kloster Einsiedeln. Ein Benediktinerkloster, ein wunderbar großer barocker Bau, der ein bisschen das monastische Herzstück der deutschsprachigen Schweiz ist. Ein großer Konvent auch heute noch. Da wallfahrten katholische Hindus zur Schwarzen Madonna. Und eines Tages merken sie, dass es noch weitere Tamilen dort gibt. Und dann stellte sich heraus, es sind hinduistische Tamilen, die wallfahrten auch zur Schwarzen Madonna. Wobei sie in der Madonna zumindest auch eine hinduistische Göttin, vielleicht die Göttin Kali, verehren. Als man das gemerkt hat, war der Friede fürs erste vorbei, weil die katholischen Hindus der Meinung waren: ,Wir haben die Verehrung falscher Götter aufgegeben und jetzt tauchen unsere tamilischen Mitschwestern und -Brüder hier auf...' Der Konvent, der relativ offen auch gegenüber den hinduistischen Tamilen war, hat dann entschieden, dass man beide Wallfahrten toleriert, aber im Moment versucht, dass man sich nicht unmittelbar begegnet.

Es geht eben darum, wie alle Religionen gut miteinander zusammenleben können...

Helmut Zander: Genau. Jetzt gibt es noch wirklich einen spannenden Punkt: Wie hat das Dikasterium diese Konferenz eigentlich ausgerichtet? Die Überschrift war „Hindus and Christians in Europe: Building together a ,fraternity-based new humanism’  - also ein neuer Humanismus in einer geschwisterlichen Haltung. Das ist natürlich genau der Punkt, dass es große Probleme gibt, die uns alle betreffen. Aber ich lese diesen Titel auch als einen vorsichtigen Schritt, nicht mit diesen Differenzen zu beginnen. Denn wenn wir über Reinkarnation und Montheismus sprechen, ist das zu Ende. Es ist viel einfacher zu sagen: Wir brauchen einen neuen Humanismus. Und dieser Humanismus muss brüderlich, muss geschwisterlich sein. Das ist der Punkt, wo wir beginnen. Auf dieser Basis können wir dann, glaube ich, irgendwann mal auch die Differenzen diskutieren.

„Wir brauchen einen neuen Humanismus. Und dieser Humanismus muss brüderlich, muss geschwisterlich sein. Das ist der Punkt, wo wir beginnen. Auf dieser Basis können wir dann, glaube ich, irgendwann mal auch die Differenzen diskutieren“

Heute, Mittwoch, Generalaudienz bei Papst Franziskus. Da waren Sie auch dabei. Wie war das?

Helmut Zander: Für diejenigen, die einen hinduistischen Background haben, war es, glaube ich, ein relativ emotionaler Moment. Ich habe die Frauen und Männer gefragt, und die Antwort war immer: ,Es ist beeindruckend. Wir sind davon berührt.` Ich fand es sehr eindrücklich, in dem Moment, in dem wir ein Foto mit dem Papst gemacht haben: Da waren es insbesondere unsere Brüder und Schwestern aus dem Hinduismus, die ein großes Interesse daran hatten, den Papst auch zu berühren, nicht nur zu sehen und zu winken, sondern wörtlich sozusagen das Heilige zu spüren. Das fand ich für mich sehr eindrücklich, gerade zum Abschied.

Herzlichen Dank!

Helmut Zander: Danke für die Einladung nach Rom.

Prof. Helmut Zander, Religionswissenschaftler der Université de Fribourg (Schweiz) im Interview mit Stefanie Stahlhofen von Radio Vatikan
Prof. Helmut Zander, Religionswissenschaftler der Université de Fribourg (Schweiz) im Interview mit Stefanie Stahlhofen von Radio Vatikan

(vatican news - sst) 

 

 

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03. Mai 2023, 13:55