Kardinal Schönborn vor Synode: Einander respektvoll zuhören
Andrea Tornielli und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Kardinal Schönborn ist als Mitglied des Synodenrates bei der Weltbischofsversammlung im Vatikan dabei. Der 78-jährige Kirchenmann ist seit 2012 in dem gewählten Gremium, das die Bischofssynoden vorbereitet. Aber Schönborn hat auch sonst viel Synodenerfahrung: Er nimmt bereits zum achten Mal an einer Synodenversammlung in Rom teil. Bei der 1. Sitzung der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode geht es vom 4. bis 29. Oktober 2023 um das Thema „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“. Auf die Frage, ob das nicht ein sehr „technischer Titel" sei, antwortet Schönborn im auf Italienisch geführten Interview mit den vatikanischen Medien:
Synodalität: Der Modus Operandi der kirchlichen Gemeinschaft
„Ich habe schon 1985 an der Synode teilgenommen, nicht als Bischof, aber als Theologe bei dieser Synode. Das Thema 1985 war: 20. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils. Da ging es viel um die Communio (Gemeinschaft) - ein wesentliches Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils. Auch diese Synode hatte also kein spezifisches Thema, aber sie war quasi eine Synode über die Gemeinschaft: Communio als wesentliche Note der Kirche, als Merkmal des kirchlichen Lebens. Ich denke, jetzt bei der Synode zur Synodalität ist es ähnlich. Synodalität ist etwas sehr einfaches, sie ist der Modus Operandi der kirchlichen Gemeinschaft, die Teilhabe auch an Fragen und Entscheidungen der Leitung, an Aspekten des kirchlichen Lebens. Die Synode über die Synodalität ist eine Synode über die Art und Weise, wie das Evangelium gelebt werden kann, wie gemäß dem Evangelium gelebt werden kann, eine Synode zur kirchlichen Gemeinschaft, dem gemeinsamen Weg des Gottesvolks, aller Glieder des Gottesvolks", betont der Kardinal und verweist auf die Verbindung zwischen der Synode, die die Kirche derzeit erlebt, und der Synode von 1985. Die aktuelle Synode zur Synodalität bezeichnet Schönborn als „weiteren Schritt der Aufnahme des Zweiten Vatikanischen Konzils - die Communio und ihr Modus Operandi - die Synodalität." Zur Synodalität gehöre auch, ihre Geschichte und die vorigen Gläubigen nicht zu vergessen.
Laien, Sensus fidei und Heiliger Geist
Die Bischofssynonde zur Synodalität begann bereits 2021 mit Umfragen in den Ortskirchen auf aller Welt; die Ergebnisse wurden gesammelt und später folgten Kontinentalversammlungen, bei denen die Erfahrungen ausgetauscht und in internationalen Gruppen weiter beraten wurde. Der katholischen Kirche war es dabei Anliegen, nicht nur Gläubige einzubeziehen, sondern auch Menschen, die sich von der Kirche entfernt haben oder Andersgläubige.
„Es ist auch wichtig, auf die Stimme derer zu hören, die sich entfernt haben, denn dieses Echo ermöglicht es uns, besser zu unterscheiden. Und dann auf die Stimme der Gläubigen zu hören, den sensus fidei. Der ist natürlich nicht in Statistiken zu finden. Wenn wir uns nicht die Arbeit machen, auf den sensus fidei zu hören, hören wir auch den Heiligen Geist nicht. Denn was im sensus fidei des Gottesvolkes lebt, muss wahrgenommen werden, es ist ein Kernpunkt, das Herz des Glaubens der Kirche", betont Kardinal Schönborn. Bei der aktuellen Weltbischofssynode sind auch Laien stimmberechtigt, Männer wie Frauen, und zwar mehr, als je zuvor. Für Kardinal Schönborn ändert sich dadurch aber gar nicht so viel:
„Schon bei den Synoden der vergangenen 50 Jahre waren immer auch Laien dabei, Männer und Frauen, als Experten und Hörer und Hörerinnen. Jetzt sind zum ersten Mal eine ganze Reihe von Laien Vollmitglieder der Synode. Ich denke aber, dass sich dadurch die Charakteristik der Synode nicht grundlegend ändert. Denn natürlich ist es eine Bischofssynode, die Mehrheit der Teilnehmer sind nach wie vor Bischöfe, denn die Synode ist traditionsgemäß in erster Linie ein Bischofstreffen. Aber die Beteiligung der Laien ist sicherlich wichtig, um das Zuhören zu verbessern. Ich habe an zahlreichen Synoden teilgenommen und erinnere mich an Beiträge von Männern und Frauen, Laien, unter den Experten, unter den Hörerinnen und Hörern, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Arbeit hatten. Diesmal wird ein weiterer Schritt getan, um diese Stimmen einzubeziehen. Auch Delegierte aus anderen Kirchen sind dabei. Ich denke, das ist einfach eine Bereicherung. (...) Wir sind uns bewusst, dass es bei der Synode auch sehr wichtige Abstimmungen gibt, aber auch diese Abstimmungen sind Ausdruck des sensus fidelium, auch der Erwartungen des Gottesvolkes, die letztlich dem Papst zur letzlichen Unterscheidung übermittelt werden. Diese neue Teilhabe ändert daher nicht grundlegend den Sinn einer Nach-Konzils-Synode."
Die Teilhabe von Laien am kirchlichen Leben sei auch bei den bisherigen Treffen der Synode zur Synodalität auf allen Ebenen zentral gewesen, so Schönborn. Welchen Einfluss konkrete Forderungen zu geänderten Rollen von Frauen und Laien in der Kirche oder Änderungsvorschläge mit Blick auf die Moraltheologie bei der kommenden Synode nehmen werden, sei jedoch abzuwarten, meint der Kardinal:
Thema Frauen sicher präsent
„Wir werden sehen. Was ich wahrgenommen habe, ist, dass die kontinentalen Synoden-Treffen und auch das Echo zahlreicher Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt durchaus auf der Frage der Beteiligung der Laien am Leben der Kirche beharren. Dies ist bereits ein zentrales Thema des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Beteiligung der Laien ist im Herzen des Konzils, und es gibt da noch viel zu lernen und zu tun. Schon Papst Johannes XXIII. hatte gesagt, dass das Thema der Frauen im Leben der Kirche eines der Zeichen der Zeit ist, eine der großen Fragen, die sich in der ganzen Welt stellen. Dieses Thema wird sicherlich präsent sein. Ich bin jedoch ein wenig skeptisch, dass die Liste der viel diskutierten Themen, insbesondere in der säkularisierten westlichen Welt, so zentral für die Weltkirche sind.(...) Ich glaube, manchmal braucht es ein wenig mehr Unterscheidungsvermögen und auch Ehrlichkeit, um die Komplexität der Themen zu erkennen. In diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass die Synode eine schöne und gute Gelegenheit sein wird, gemeinsam über diese Themen nachzudenken".
Die Kunst des Discernimento
Kardinal Schönborn betont im Interview mit den vatikanischen Medien auch immer wieder das von Papst Franziskus gewünschte Discernimento - Unterscheidungsfähigkeit.
„Der Papst hat uns die Methode des spirituellen Gesprächs gelehrt - und wir praktizieren das bereits mit gutem Ergebnis. Worum geht es da? Es geht darum, einander mit Respekt zuzuhören, sich gegenseitig willkommen zu heißen, zu einer Unterscheidung zu gelangen, zu verstehen, was Gottes Wille ist. Für mich war beeindruckend, dass Papst Franziskus zur Amazonien-Synode an einigen Stellen gesagt hat: ,Ich habe das Gefühl, hier fehlt es an Unterscheidungsvermögen, wir brauchen mehr Discernimento. Woher wissen wir, dass wir die notwendige Unterscheidung getroffen haben, um zu einer Entscheidung zu gelangen?` Hier ist sicherlich die Führungskunst des Papstes, aber auch der Synode, der Synodenmitglieder gefragt. Und so denke ich, dass wir bei diesem Zuhören eine starke Erfahrung von Kirchlichkeit machen werden. Natürlich ist die Liste vieler Fragen und Themen lang, und es wird viel Zeit für Diskussionen und den Austausch über dieses oder jenes Thema geben, aber immer in der Perspektive des Hörens auf den Geist".
(vatican news)
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