Domitilla-Katakomben: Der Tod ist die Tür zum auferstandenen Christus
Jonas Over – Vatikanstadt
Wenn die Besucher der Katakomben die erste Stufe hinunter in die unterirdischen Grabanlagen hinabgestiegen sind, verlassen sie ab diesem Moment das Staatsgebiet Italiens. Sie befinden sich nun auf exterritorialem Gelände des Staates der Vatikanstadt. Alle Katakomben auf der Apenninenhalbinsel sind tatsächlich offiziell nicht Teil Italiens, sondern unterstehen dem Papst. Auch jene, die weit weg von Rom sind, wie es beispielsweise in Sizilien der Fall ist.
Viele Touristen strömen täglich in die zugänglichen Teile der unterirdischen Grabanlage. Doch den Fremdenführern ist es wichtig, dass es sich nicht nur eine reine Attraktion für die zahlreichen Besucher Roms handelt. Auch Papst Johannes Paul II. hatte die Katakomben für Größeres bestimmt: „Der Papst hatte damals die Idee, die Katakomben aus dem Tourismusrummel rauszunehmen und ihrer eigentlichen Bestimmung wieder zuzuführen“, erklärte uns Wendel.
„Es besteht die große Gefahr, dass die Katakomben zu einer Touristenattraktion werden, wie das Kolosseum oder das Forum Romanum. Wenn das der Fall wird, dann hätten wir unsere Aufgabe verfehlt. Die Katakomben sind der Ort des Glaubens an die Auferstehung. Nun müssen wir nicht an jeder Ecke mit dem Zaunpfahl winken, aber es reicht, wenn man das einführt. Und oft kann man dann erleben, dass vor allen Dingen Schüler uns eine E-Mail oder einen Brief schicken, indem sie schrieben, dass sie mit dem Glauben nichts zu tun gehabt hätten, aber ihm hier ein bisschen nähergekommen seien.“
Bescheidenheit und Solidarität
Nicht um Prunk und Protz sei es den frühen Christen gegangen. Von prächtigen Grabanlagen reicher römischer Patrizier waren die Gräber weit entfernt. Es ging um viel mehr, als nur um äußerliche Schönheit. „Zum Beispiel, wenn wir Grabverschlussplatten haben, auf denen nichts draufsteht, dann sind das jetzt keine anonymen Bestattungen, sondern hier spielt Ihr Glaube die Hauptrolle. Im Buch der Psalmen steht ,Dein Name steht in meiner Hand'. Das heißt, für sie war es wichtiger, dass ihr Name in Gottes Hand steht als auf einer Marmorplatte. Es ist dieser kindliche Glaube, nicht kindisch, sondern man glaubt wie ein Kind. Wenn Paulus ihnen schreibt Freut euch, der Herr ist nah. Macht euch keine Sorgen, dann ist das für sie so! Dann machen sie sich keine Sorgen, denn er kommt“, erklärte Wendel die tief verwurzelte Bescheidenheit der frühen Christen in Rom.
Trotzdem ist eine der ersten Fragen, die Manfred Wendel bei seinen Führungen meist gestellt bekommt, wie viel es denn gekostet haben könnte, diese unterirdische Grabanlage zu errichten. „Also das kann ich nicht beantworten, aber ich weiß, wie sie es bezahlt haben. Und zwar hat jeder nach Maßgabe seiner finanziellen Möglichkeiten Sonntag für Sonntag in eine Begräbniskasse eingezahlt und aus dieser wurde der Platz und der Totengräber bezahlt. Damit waren alle gleich, egal, ob du arm oder reich warst. Diese Solidarität hat dazu geführt, dass jeder, sobald er getauft war, das Recht auf sein eigenes Grab gehabt hat. Aus dem Topf heraus wurde übrigens auch der Unterhalt für Witwen und Waisen bestritten, denn das gab es bei den Heiden nicht. Wenn da der Mann starb und er hinterließ kein Vermögen für die Frauen, war das oft eine Katastrophe. Sklaverei oder Prostitution für sich oder für die Kinder kam für Christen überhaupt nicht in Frage. Was ihr den geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan. Das sind keine frommen Sprüche, die man immer wieder mal hört und immer wieder mal sagt, sondern das ist Realität. Für diese urchristliche Gemeinde ist das die Realität. Man ist solidarisch über den Tod hinaus. Und das Interessante ist ja auch, dass letztendlich das solidarische Verhalten der Christen untereinander dazu geführt hat, dass das Christentum sich ausgebreitet hat.“
„Wir werden uns wiedersehen“
Viele der Gräber waren nun nicht, wie das heute meist der Fall ist, für Erwachsene gedacht, wie uns Wendel erzählte: „Das Erschreckende ist, dass die Mehrzahl aller Gräber in den Katakomben Roms, etwa 56 Prozent, die Gräber kleiner Kinder sind. Aber die Kindergräber sind der Beweis dafür, dass die urchristliche Gemeinde Kinder getauft hat.“
Doch obwohl der Tod sicherlich auch für die Christen damals keine freudige Angelegenheit war, sind die Katakomben kein Ort von Traurigkeit, wie die bunten Malereinen in der gesamten Anlage belegen: „Also wir suchen vergebens nach einer weinenden Mama, nach einem traurigen Engel und dann dem Sensenmann. Das haben wir zu Hause auf den Friedhöfen und leider Gottes auch in den Kirchen zu Genüge. Die Malereien hier erzählen etwas ganz was anderes. Das erste, was man nämlich sieht, wenn man von der Straße hier reinkommt, ist oben an der Decke ein wunderschöner Weinstock, weil der Wein das Menschenherz erfreut. Und dieser Weinstock war für die ersten Christen wichtig. Weil Christus gesagt hat: ,Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben.' Und dabei nimmt er Bezug auf den 53. Psalm. Luther übersetzte diese Stelle mit: ,Ihr sollt euch voll saufen an meiner Freude.' Dieser Glaube, hat etwas mit Freude zu tun hat. Auch und gerade im Augenblick des Todes. Ihr sollt euch voll saufen an meiner Freude. Ihr sollt besoffen werden an meiner Freude. So wurden bei den Beerdigungszeremonien keine schwarzen Gewänder getragen, sondern man erschien in seinen farbenfrohesten und schönsten Festgewändern, denn sonst seid ihr nicht besser wie die Heiden, die keine Hoffnung haben. Im Johannes Evangelium Kapitel 16 steht: ,Wir werden uns wiedersehen und die Freude kann euch keiner nehmen.' Und das wird hier ausgedrückt. Man soll also das Geschmäckle kriegen, den Geschmack bekommen von dem, was Gott ihnen bereitet hat. Und hier ist eben nichts von Traurigkeit zu sehen, weil einfach der Umgang mit dem Tod ein ganz anderer ist. In dem Zusammenhang fällt mir ein Satz von Papst Benedikt XVI. ein, der einmal gesagt hat: Der Tod ist die Tür zum auferstandenen Christus.“
Nah bei den Heiligen
Wie in vielen anderen Katakomben auch, wurden auch in dieser die Märtyrer der ersten Gemeinden begraben. In den Domitilla- Katakomben waren dies die beiden römischen Soldaten Nereus und Achilleus. Die beiden konvertierten im 3. Jahrhundert nach Christus zum Christentum. Der damalige Kaiser wollte das Militär allerdings von Christen säubern, so wurde die beiden für ihren Glauben ermordet. Ihre Körper wurden in den Katakomben bestattet, was dazu führte, dass auch viele weitere Christen dort in ihrer Nähe ihre letzte Ruhestätte finden wollten, wie Manfred Wendel im Interview erzählte:
„Es war die Sehnsucht, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gräbern der Märtyrer begraben zu werden. In der Apokalypse des Johannes, steht, wenn Christus kommt und die Posaunen schallen, da gibt es Stufen der Auferstehung. Dann werden zuerst die Märtyrer auferstehen, weil sie für Christus ihr Blut vergossen haben und dann die anderen. Das heißt, man will partizipieren an der Auferstehung der Heiligen. Es gab mal ein Gospel, der lautete: ,Und wenn die Heiligen auferstehen, dann will ich dabei sein'. Und genau das ist es. Man will dabei sein, wenn die Heiligen auferstehen. Und deswegen gruppiert sich dann am Ende die Katakombe um Gräber der Märtyrer, um am Tag der Auferstehung in diese Sogbewegung hineinzugeraten, um mit ihnen dann zusammen in den Himmel zu kommen. Letztendlich haben wir das auch zu Hause. Sie haben eine Kirche und um die Kirche herum den Friedhof. Das ist genau das Gleiche wie hier auch. Man will dabei sein, wenn die Heiligen auferstehen. Und das Interessante ist: selbst die Kirchen der Reformation, die doch mit so vielem gebrochen haben, daran hielten sie fest. Auch ihre Friedhöfe liegen immer um eine Kirche herum. Ich habe vor einiger Zeit mal einen evangelischen Landesbischof hier gehabt. Dann haben wir uns darüber unterhalten und ich habe gesagt, auch Ihre Friedhöfe liegen um eine Kirche herum. Und da meinte dann der Landesbischof etwas schmunzelnd: ,Wir sind auf Nummer sicher gegangen.' Also dabei sein, wenn die Heiligen auferstehen.“
Durch diesen regen Zulauf von Gräbern auf diesem kleinen Areal, auf welchem die Christen ihre Verstorbenen begruben, musste man nach unten ausweichen und man errichtete ein weit verzweigtes unterirdisches Tunnelsystem, um der immer größer werdenden christlichen Gemeinde gerecht zu werden.
„Du landest sowieso auf dem Friedhof“
Manfred Wendel ist nun nicht erst seit gestern Fremdenführer. Seit über 25 Jahren führt er Menschen aus aller Welt durch die unterirdische Grabanlage: „Ich war im Schuldienst in der Erzdiözese München und Freising, aber nur für eine kurze Zeit. Und bin dann vor 25 Jahren unter Johannes Paul II. gefragt worden, ob ich nicht hierher möchte. Der Papst hatte ja damals die Idee, die Katakomben aus dem Tourismusrummel rauszunehmen und ihrer eigentlichen Bestimmung wieder zuzuführen. Und er hatte die Vorbereitung zum Heiligen Jahr in drei Schritten vollziehen lassen. Vater, Sohn, Heiliger Geist und da waren die Brüder damals, die die Katakomben betreut haben, auf der Suche. Ich bin dann gefragt worden, ob ich nicht hierher möchte. Und dann habe ich mir gedacht ,Ach, weißt du was, früher oder später, du endst sowieso auf den Friedhof. Am besten ist, man gewöhnt sich schon mal ein bisschen dran, dann ist es nachher nicht mehr so schlimm'. Und jetzt sind 25 Jahre ins Land gezogen und es macht immer noch Riesenfreude.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.