Papst Franziskus feiert Liturgie vom Leiden und Sterben Christi
Am Karfreitagnachmittag stand Papst Franziskus wie üblich der Liturgie vom Leiden und Sterben des Herrn vor, die Predigt bei dieser Gelegenheit hielt traditionsgemäß der Prediger des Päpstlichen Hauses, Raniero Cantalamessa, den Franziskus 2020 in den Kardinalsstand erhoben hatte. Etwa 4500 Gläubige nahmen an der Feier im Petersdom teil.
Im bei der Liturgie gesungenen Johannes-Evangelium, das die Leidensgeschichte Jesu beschreibt, gebe es ein „Crescendo“ zu den früheren Aussagen Jesu über sich selbst, führte der Kapuziner in seine Überlegungen ein. Am Ende eines Streits sagt Jesus dort zu seinen Widersachern: „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin“ (Joh 8,28). Die „beispiellose Neuheit“ dieses Christuswortes erschließe sich jedoch letztlich nur, wenn man das darin angedeutete Martyrium am Kreuz mitlese, betonte Kardinal Cantalamessa.
Totale Umwälzung der Gottesvorstellung
„Wir stehen vor einer völligen Umwälzung der menschlichen Vorstellung von Gott und in gewissem Maße auch der alttestamentlichen Vorstellung von Gott. Jesus ist nicht gekommen, um die Vorstellung, die sich die Menschen von Gott gemacht haben, zu verbessern und zu vervollkommnen, sondern in gewissem Sinne, um sie umzustürzen und das wahre Gesicht Gottes zu offenbaren.“
Dies fordere auch uns heraus, trügen wir selbst doch alle, zu allen Zeiten, in unserem Unterbewusstsein die Vorstellung eines „einzigartigen“ Gottes, von „einem reinen Geist“ oder einer „höchsten Entität“. Doch wie, so die Frage des Päpstlichen Predigers, „können wir ihn in der Vernichtung durch seinen Tod am Kreuz sehen?“ Schließlich zwinge Gott den Menschen seinen Willen nicht auf, könne nichts anderes tun, „als die freie Entscheidung der Menschen bis ins Unendliche zu respektieren“: „Die wahre Allmacht Gottes ist die totale Ohnmacht von Golgatha. Es braucht wenig Macht, um sich zu zeigen; es braucht dagegen viel Macht, um sich zu verbergen, um sich auszulöschen“, so wie Gott dies getan habe, fuhr der Kardinal fort.
Selbst der „Triumph“ Christi in seiner Auferstehung sei letztlich ein anderer, als menschliche Denkmuster zu erfassen gewöhnt seien, nämlich im Verborgenen und ohne Zeugen, ganz im Gegensatz zu seiner öffentlich zelebrierten Hinrichtung, gab der Prediger des Päpstlichen Hauses weiter zu bedenken. In der Vergangenheit habe man zwar gerne vom „Triumph der Heiligen Kirche“ gesprochen, für ihn gebetet und sich an seine „historischen Momente und Gründe“ erinnert – doch heute wisse man, wie sehr sich dieser Triumph von demjenigen Jesu unterschied: „Aber wir sollten nicht über die Vergangenheit urteilen. Es besteht immer die Gefahr, ungerecht zu sein, wenn wir die Vergangenheit mit der Mentalität der Gegenwart beurteilen.“
Vielmehr gelte es, die Einladung anzunehmen, die Jesus „von der Höhe seines Kreuzes aus“ an die Welt richtete: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken." (Mt 11,28). Die Einladung, die angesichts der schmachvollen Situaton Jesu fast wie eine „Ironie“ wirken könnte, richte sich an die „ganze Menschheit, an allen Orten und zu allen Zeiten“, betonte Kardinal Cantalamessa weiter:
„Komm du, der du alt, krank und einsam bist; du, den die Welt im Elend, im Hunger oder unter Bomben sterben lässt; du, der du wegen deines Glaubens an mich oder wegen deines Kampfes für die Freiheit in einer Gefängniszelle schmachtest; komm du, Frau, Opfer von Gewalt. Kurzum, alle, niemand ist ausgeschlossen“.
Allmacht der Liebe
Zwar habe Jesus sich von der menschlichen Vorstellung von Allmacht losgesagt, behalte jedoch seine Allmacht, „die die Allmacht der Liebe“ sei, schenke „Erquickung“, „auch ohne die Müdigkeit und den Überdruss in dieser Welt zu beseitigen“, wie diejenigen bezeugen könnten, die dies erlebt hätten: „Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ Mit diesen Worten des Apostels Paulus im Römerbrief beendete Kardinal Cantalamessa seine Predigt.
Anschließend trug Papst Franziskus die sogenannten Großen Fürbitten für die Anliegen der Kirche und der Welt in lateinischer Sprache vor. Nach der Liturgie ist ab 21.15 Uhr der traditionelle Kreuzweg am römischen Kolosseum angesetzt; die Meditationen dazu hat Papst Franziskus in diesem Jahr erstmals in seinem Pontifikat selbst verfasst.
(vatican news - cs)
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