„Kirche verurteilt Verfolgung wegen sexueller Orientierung“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Er sei einmal „fast gestorben“, als er ein Dokument gelesen habe, in dem sich selbst als Katholiken bezeichnende Verfasser einem Militärregime dafür dankten, eine repressive Gesetzgebung gegen homosexuelle Menschen eingeführt zu haben, so Kardinal Fernández bei der Pressekonferenz auf die Nachfrage einer Journalistin. Auch wenn für die Kirche eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern niemals der Verbindung zwischen Mann und Frau gleichgestellt werden könne, so heiße dies keinesfalls, dass sie die Verfolgung von Menschen wegen derer sexuellen Orientierung gutheiße, so der Glaubenspräfekt in seinen Erläuterungen zum Dokument.
„Der Text unterstreicht, dass es im Gegensatz zur Menschenwürde steht, wenn eine Person verfolgt, gefoltert, eingesperrt oder auch getötet wird nur wegen der Tatsache, dass sie gay ist, nur wegen ihrer sexuellen Orientierung, was in vielen Ländern der Welt auch auf legale Weise geschieht. Man spricht zu wenig von dieser Verletzung der menschlichen Würde, von diesem Angriff auf die Menschenrechte!"
Doch auch auf die Kritik an der im vergangenen Dezember veröffentlichten Erklärung des Glaubensdikasteriums, Fiducia supplicans, ging der Argentinier, der als Vertrauter von Papst Franziskus gilt, vor den Journalisten ein.
So sei das Dokument, mit dem sich der Vatikan unter bestimmten Bedingungen gegenüber einer Segnung homosexueller Paare öffnet, laut einer unveröffentlichten Studie bereits Milliarden Mal im Internet aufgerufen worden, während ein Großteil, nämlich 75 Prozent, der unter 30-jährigen befragten Italiener mit den Inhalten der Erklärung einverstanden sei, erläuterte Fernández. Die Daten seien vom Vatikan nicht veröffentlicht worden, weil die Erhebung von einer externen Agentur vorgenommen worden und dem Vatikan kulanzhalber zur Verfügung gestellt worden sei, so der Präfekt des Glaubensdikasteriums zu den Hintergründen der Datenerhebung. Ob die Studie schließlich veröffentlicht werde, liege in der Hand der erhebenden Institute. Es handle sich bei dem Thema nicht um ein „Herzensanliegen“ des Papstes, doch es sei ihm wegen der seelsorgerischen Dimension wichtig gewesen, dazu eine Erklärung zu veröffentlichen, um den Segensbegriff auszuweiten, unterstrich Fernandez.
Der Papst hatte das Recht dazu
Zwar sei er dafür von einigen Liturgie-Experten kritisiert worden, doch habe Franziskus die Änderung gewollt und habe als Papst auch das Recht dazu gehabt, sie einzuführen. Grundsätzlich gelte die Pflicht zum Gehorsam dem Papst gegenüber auch, wenn er nicht „ex cathedra“ spreche, erteilte Fernández anderslautenden Interpretationen eine Absage. Geistlichen sei es nun möglich, außerhalb des liturgischen Rahmens einen Segen zu erteilen, ohne dass die Gesegneten in vollem Einklang mit den Lehren der katholischen Kirche leben müssten.
Der heutige Präfekt des Glaubensdikasteriums hatte während seiner Zeit in Argentinien einmal selbst – im Auftrag seines Bischofs, wie er erläuterte – einen kurzen Text dazu geschrieben, warum die Segnung homosexueller Paare durch die Kirche nicht möglich sei. Überhaupt, so Fernández weiter, werde Franziskus seiner Einschätzung nach „niemals ex cathedra“ sprechen, ein neues Glaubensdogma einführen oder eine endgültige Erklärung abgeben wollen. Er glaube jedoch, dass der Papst jenseits des Charismas der Unfehlbarkeit auch „den Beistand des Heiligen Geistes dabei habe, die Kirche zu führen und zu erleuchten“.
Erhobenen Hauptes durchhalten
Was wiederum die hier und da aufgekommene Kritik an seiner Person betreffe, so wisse er den Papst hinter sich, so Fernández. Der Kardinal ließ auch durchblicken, dass Papst Franziskus ihn mit seinem Spitznamen „Tucho“ anspricht: Bei einem Treffen habe ihm der Papst „fest und mit Wertschätzung“ gesagt, er müsse durchhalten und erhobenen Hauptes mit seiner Arbeit weitermachen, könne ihm doch keiner seine ureigene Würde nehmen.
„Diese wenigen Worte haben mich für immer gezeichnet, und ich würde mir wünschen, dass diese Botschaft für jeden von euch gilt“, so der Kardinal mit Blick auf die unauslöschliche Würde, die auch im Zentrum der aktuellen Erklärung der Glaubensbehörde stehe.
Ein Papstzitat aus Osnabrück
Die Erklärung ist mit ausdrücklicher Billigung des Papstes und unter Einbeziehung verschiedener Experten in fünfjähriger Arbeit verfasst und in Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen veröffentlicht worden. Der Titel des Dokumentes, so Fernández unter Rückgriff auf ein oft gebrauchtes Zitat des Papstes, hätte auch sein können: „Al di la di ogni circostanza“ – zu deutsch in etwa „Ohne Ansehen der äußeren Umstände“ - ein Ausdruck des Gedankens, dass jeder Mensch, egal unter welchen Umständen er geboren sei und lebe, die gleiche angeborene „unendliche Würde“ besitze. Stattdessen habe man sich letztlich jedoch, was den Titel angehe, für ein Zitat von Johannes Paul II. entschieden, der 1980 in Osnabrück bei einer Begegnung mit behinderten und kranken Menschen von der „unendlichen Würde“ eines jeden Menschen gesprochen hatte (Angelus 16.11.1980).
„Die anderen können mich zu einem unwürdigen Leben zwingen. Aber sie werden mir niemals die immense persönliche Würde nehmen können, die ich als menschliches Wesen besitze. Ich habe dieselbe Würde, ob ich in Italien oder in Äthiopien geboren bin. Ich habe dieselbe Würde, ob ich in Israel oder im Gaza geboren bin. Es ist genau dieselbe, unveräußerliche, immense Würde,“ so Fernández.
Besonders ungerecht sei es beispielsweise, zu beobachten, dass Kinder mit völlig verschiedenen Chancen für ihr künftiges Leben aufwüchsen, wenn sie auf verschiedenen Seiten eines Grenzzaunes geboren worden seien, so Fernández weiter.
Heikle moralische Fragen
Großes Gewicht räumten die anwesenden Journalisten in ihren Fragen dem Thema von Homosexuellen und Transgender-Menschen ein. Diese seien in der Kirche willkommen, bekräftigte Fernández mit Blick auf die Aussage des Papstes, dass „alle, alle, alle“ in der Kirche willkommen seien. Zwar lehne die katholische Kirche die Geschlechtsumwandlung als solche ab, doch gelte diese Ablehnung nicht für die Betroffenen. Allerdings sei aktuell eine Tendenz zu beobachten, nach der die Menschen sich ihre Wirklichkeit scheinbar selbst erschaffen wollten, in der Illusion von Allmacht, die sie ihrer Intelligenz und ihrem Willen zuschrieben, als hätte es vor ihnen nichts gegeben. Doch beim Thema Geschlechtsumwandlung, insbesondere wenn diese Minderjährige betreffe, gebe es noch weitaus tiefere Fragen zu bedenken, die nicht sofort sichtbar seien, mahnte der Glaubenspräfekt.
Ähnlich äußerte er sich zum Thema Leihmutterschaft. Nicht das Kind, das aus einer solchen Transaktion geboren werde, sei abzulehnen, vielmehr müssten sich die Menschen mit Elternwunsch fragen, ob sie ihre Wünsche über die menschliche Würde des zu erzeugenden Kindes – das letztlich eine Art Vertragsgegenstand darstelle - stellen könnten.
(vatican news - cs)
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