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Die Weltsynode in der Audienzhalle Die Weltsynode in der Audienzhalle  (Vatican Media)

Eröffnung von Kardinal Mario Grech: Seine Rede im Wortlaut

Wir dokumentieren hier den Wortlaut der Rede des Generalsekretärs der Synode, Kardinal Mario Grech, bei der 1. Generalkongregation bei der Eröffnung der Zweiten Session der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode am 2. Oktober 2024 in einer deutschen Übersetzung.

Willkommen zurück! Allen Schwestern und Brüder in Christus sagen wir einen herzlichen Gruß!

 

Zur zweiten Sitzung der Vollversammlung sind wir zusammengekommen und rufen den Geist an, uns zu erleuchten und unsere Ohren auf seine Stimme aufmerksam zu machen. Der Geist, der aus den Tiefen der verletzten Schöpfung und der Geschöpfe, die Unrecht über Unrecht erleiden, stöhnt und unter den Geburten leidet, wird eine neue Zeit einleiten.

 

Während wir diese Generalversammlung begehen, werden in so vielen Teilen der Welt Kriege geführt! Wir stehen an der Schwelle zu einer Ausweitung des Konflikts. Wie viele Generationen werden noch vergehen müssen, bis sich kriegführende Völker wieder „zusammensetzen“ und miteinander reden können, um gemeinsam eine friedliche Zukunft aufzubauen?

 

Wir begrüßen die hier anwesenden Schwestern und Brüder, die aus Kriegsgebieten oder Nationen stammen, in denen die Grundfreiheiten der Völker verletzt werden. Durch ihre Stimmen können wir die Schreie und Tränen derjenigen hören, die unter den Bomben leiden, insbesondere der Kinder, die dieses Klima des Hasses atmen. Als Gläubige sind wir aufgerufen, das kostbare Geschenk des Friedens für alle Völker zu erbitten und dafür zu beten.

Glaubwürdigtes Zeugnis

Dem ständigen Gebet müssen wir stets ein glaubwürdiges Zeugnis hinzufügen. Diese Versammlung ist an sich schon ein glaubwürdiges Zeugnis! Die Tatsache, dass Männer und Frauen aus allen Teilen der Erde zusammengekommen sind, um auf den Geist zu hören, indem sie einander zuhören, ist ein Zeichen des Widerspruchs in der Welt. Mit kommt ein Wort des Heiligen Vaters in Erinnerung aus Anlass des 50. Jahrestages der Errichtung der Bischofssynode: „Eine synodale Kirche ist wie ein Banner, das unter den Völkern aufgerichtet wird (vgl. Jes 11,12), in einer Welt, die zwar zu Partizipation, Solidarität und Transparenz in der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten aufruft, aber oft das Schicksal ganzer Bevölkerungen in die gierigen Hände kleiner Machtgruppen legt.“

 

Die Synode ist im Wesentlichen eine Schule der Unterscheidung: Sie ist die Kirche, die mit Petrus versammelt ist, um gemeinsam zu unterscheiden. Eine synodale Kirche ist ein Angebot an die heutige Gesellschaft: Unterscheidungsvermögen ist die Frucht einer reifen Ausübung der Synodalität als Stil und Methode. Die kirchliche Unterscheidung kann eine Herausforderung und ein Beispiel für jede Art von Versammlung sein, die im gegenseitigen Zuhören der Mitglieder die Goldene Regel für die Suche nach der Wahrheit und dem Gemeinwohl finden muss. Ohne zu vergessen, dass die Unterscheidung eine „Brücke“ ist, über die Gläubige und Nicht-Gläubige einander zuhören und verstehen können, indem sie eine gemeinsame Grammatik verwenden. Dies ist nicht von mir, sondern von einem Autor, Umberto Eco, gesagt worden. Der Horizont unserer Versammlung ist die Kirche, aber der Wunsch ist, dass das Ergebnis unserer Arbeit an Beziehungen, Prozessen und Orten allen Menschen helfen und zum Aufbau einer gerechteren Welt beitragen möge.

 

Viele denken, dass das Ziel der Synode eine strukturelle Veränderung der Kirche ist, eine Reform. Das ist eine Sorge, ein Wunsch, der sich durch die ganze Kirche zieht. Wir alle wünschen sie, aber wir haben nicht alle die gleiche Vorstellung von der Reform und ihren Prioritäten. Bereits 1950 sprach Yves Congar von einer „wahren oder falschen Reform in der Kirche“. Damit sie wahr ist, müssen auch unsere Prioritäten wahr sein, das heißt, sie müssen dem „Geist der Wahrheit, der die Kirche in alle Wahrheit leitet“ (Joh 16,13), unterworfen sein. Hätte der Heilige Geist nicht den Vorrang in unserer Arbeit, wäre der Zweck der Synode verwaltungsjuristisch oder politisch, nicht kirchlich!

Erkenntnis der Wahrheit

Es ist der Geist, der die Kirche zur Erkenntnis der Wahrheit führt. Das Konzil hat daran erinnert, dass „Gott, der in der Vergangenheit gesprochen hat, ohne Unterbrechung mit der Braut seines geliebten Sohnes spricht, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt erklingt, die Gläubigen in die ganze Wahrheit einführt und das Wort Christi in ihnen reichlich wohnen lässt“ (DV 8c). Um zu erklären, wie dies geschehen kann, erinnert die Konstitution Dei Verbum daran, dass „das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte sowohl durch die Betrachtung und das Studium der Gläubigen, die darüber in ihrem Herzen meditieren (vgl. Lk 2, 19. 51), als auch durch das tiefe Verständnis der geistlichen Dinge, die sie erfahren, und durch die Verkündigung derer wächst, die durch die bischöfliche Sukzession ein sicheres Charisma der Wahrheit empfangen haben“ (DV 8b).

 

Dies sind die Subjekte, die die Dynamik der Überlieferung ermöglichen, die „in der Kirche sub assistentia Spiritus Sancti fortschreitet“ (DV 8b). Diese Subjekte sind keine anderen als die Kirche selbst, das mit den Hirten versammelte Gottesvolk, das „unablässig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und im Gebet verharrt (Apg 2, 47), so dass im Halten, Ausüben und Bekennen des überlieferten Glaubens eine einzigartige Übereinstimmung zwischen Hirten und Gläubigen besteht“ (DV 10). Der Konsens der Kirchen war für die frühe Kirche ein sicheres Kriterium für die Wahrheit Christi: Was die Kirche glaubt, ist wahr, weil die Gesamtheit der Getauften kraft der Gabe des Geistes im Glauben nicht irren kann.

 

Von Beginn dieses synodalen Prozesses an haben wir bekräftigt, dass er in dieser Wahrheit die kirchliche Unterscheidung begründet, das gegenseitige Hören auf das, was der Geist der Kirche sagt. Es ist ein Hören, das alle Etappen des Prozesses untermauert hat: die Konsultation des heiligen Gottesvolkes in den Ortskirchen, die Unterscheidung der Hirten in den Bischofskonferenzen, die weitere Unterscheidung in den kontinentalen Versammlungen, die Doppelsitzung der Versammlung mit dem Heiligen Vater, dem Prinzip und Fundament der Einheit der ganzen Kirche. So aufgezählt, scheinen die Etappen einen linearen Prozess zu schaffen, bei dem das Volk Gottes nur am Anfang erscheint, um die Illusion zu vermitteln, an einem Entscheidungsprozess teilzunehmen, der jedoch in den Händen einiger weniger konzentriert bleibt. Wenn dies der Fall wäre, hätten diejenigen Recht, die behaupten, dass der synodale Prozess, sobald er die Stufe der bischöflichen Unterscheidung erreicht hat, jede prophetische Instanz des Volkes Gottes ausgelöscht hat!

Aufeinander hören

Aber der „universelle Konsens“, der sich aus der Unterscheidung ergibt, entsteht durch das Hören auf alle. Es lohnt sich zu wiederholen, was der Heilige Vater anlässlich des 50. Jahrestages der Errichtung der Synode gesagt hat: „Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hörens“, in der alle - das heilige Volk Gottes, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom - aufgerufen sind, aufeinander zu hören, um zu hören, was der Geist den Kirchen sagt. Um sicherzustellen, dass dieses Hören allen gehört und immer alle - also die Kirche - einbezieht, haben wir das Prinzip der Wiederherstellung eingeführt. An jeder Stelle, an der die laufende kirchliche Unterscheidung in einem Text festgelegt wurde, haben wir den Kirchen die Frucht des Hörens zurückgegeben.

 

Dies ist kein Akt der Höflichkeit. Im Gegenteil, es ist ein ordentlicher Akt, eine Anwendung des Prinzips der Zirkularität, das das Leben der Kirche bestimmen muss. Jedes Dokument an den Bischof, „Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Kirche“, zu senden, bedeutet, die Frucht der Unterscheidung an das Subjekt zurückzugeben, von dem der gesamte synodale Prozess ausgegangen ist - das Volk Gottes -, damit die Antwort der Kirchen der kirchlichen Unterscheidung neue Impulse geben kann. Die letzte Bedeutung dieser Rückgabe ist kirchlich: Wenn die Kirche „der Leib der Kirchen“ ist, „in dem und aus dem die eine und einzige katholische Kirche besteht“ (LG 23), dann ist die Synode ein Prozess, der die ganze Kirche und jeden in der Kirche einbezieht, jeden entsprechend seiner oder ihrer Funktion, seinem oder ihrem Charisma und Dienst.

 

Sie beauftragt das Generalsekretariat der Synode, das „dem Papst in Angelegenheiten von großer Bedeutung zum Wohl der ganzen Kirche auf die von ihm festgelegte oder festzulegende Weise wirksam zur Seite steht“ (EP 33). Durch eine ständige Zirkularität wird es möglich sein, einen synodalen Stil und eine synodale Form der Kirche heranreifen zu lassen, in der das Prinzip des Austausches der Gaben gilt: Möge es bald geschehen, dass jede Kirche „ihre eigenen Gaben den anderen Kirchen und der ganzen Kirche anbietet, damit die Ecclesia tota und jede Kirche von der gegenseitigen Kommunikation aller und vom gemeinsamen Streben nach dem Heil profitiert“ (LG 13).

 

Sie betrifft jeden Bischof in seiner Kirche. Eine synodale Kirche hängt weitgehend von einem synodalen Bischof ab. Seine erste und grundlegende Aufgabe ist es, Lehrer und Garant für die kirchliche Unterscheidung zu sein. Diese Aufgabe gilt in erster Linie in seiner Kirche, in der er seinen Leitungsdienst ausübt. Sie ist aber nicht weniger gültig, wenn er sie gemeinsam mit den anderen Bischöfen in den Gremien ausübt, die die Zusammenschlüsse der Kirchen darstellen. So setzt der Bischof, der die Konsultation in seiner Kirche eingeleitet und die Mitwirkungsgremien als Subjekte der kirchlichen Unterscheidung aktiviert hat, diese Unterscheidung in der Bischofskonferenz und in den Kontinentalen Versammlungen fort, die uns der Synodenprozess als einen bedeutenden „Ort“ des Hörens auf die Kirchen eines Kontinents übergeben hat. Wir müssen weiterhin über diesen Aspekt auf theologischer, kirchenrechtlicher und pastoraler Ebene nachdenken.

Dienst an der Einheit der Kirche

Dieser Prozess kommt in hohem Maße dem Petrusamt zugute, das sich immer mehr als Dienst an der Einheit der Kirche und in der Kirche erweist: die communio Ecclesiarum, Fidelium, Episcoporum ist „das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit“, das die ganze Kirche zum synodalen Handeln aufgerufen hat und um der Kirche willen die Früchte der Unterscheidung sammelt und zurückgibt, aufgrund ihres Dienstes der Fürsorge für alle Kirchen. Dies gilt für diese 16. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, die die Synodalität zum Thema hat. Aber es kann zum Stil und zur Vorgehensweise in einer synodalen Kirche werden, die mit dem Geist, der zur Kirche spricht, auch die Kraft der kirchlichen Unterscheidung als Frucht des Hörens auf den Geist durch das gegenseitige Hören aller in der Kirche wiederentdeckt hat. Das Petrusamt ist die Achse der katholischen Synodalität, und der synodale Prozess zielt darauf ab, Petrus bei seiner Unterscheidung für die ganze Kirche zu helfen.

 

Intensive Arbeit liegt vor uns. Auf diese Phase wird die Phase der Umsetzung und Implementierung dessen folgen, was im synodalen Prozess 2021-2024 gereift ist. Je mehr das Ergebnis in den Kirchen ankommt, desto mehr wird es nicht das Ergebnis unserer Bemühungen sein, sondern die Frucht eines folgsamen Hörens auf den Geist. Wie der heilige Thomas schreibt: „Actus credentis non terminatur ad enuntiabile, sed ad rem“ (S. Th., II/II, q. 1, art. 2, ad 2). Eine Maxime, die wir in eine kirchliche Dimension übersetzen können: Der Akt einer glaubenden Kirche - diese Versammlung - endet nicht mit einer theoretischen Verkündigung, einem endgültigen Dokument, sondern mit dem konkreten Leben der Kirche, einer Kirche, die das Evangelium lebt, die in der Kraft des Geistes gemeinsam auf die Verwirklichung des Reiches Gottes zugeht. In diesem Sinne: Gute Arbeit!

(vatican news - mg)

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02. Oktober 2024, 16:55