Pater Radcliffe Pater Radcliffe 

Synoden-Meditation P. Radcliffe: Freiheit als Kern der Synodenentscheidung

P. Timothy Radcliffe OP, der bald Kardinal sein wird, hat an diesem Montag bei der Meditation vor der abschließenden Diskussion der Weltsynode im Vatikan die Bedeutung der Freiheit für die Entscheidungsfindung hervorgehoben. Er rief die Synodenteilnehmerinnen und Synodenmitglieder dazu auf, mutig zu sprechen, offen zuzuhören und Vertrauen in Gottes Vorsehung zu bewahren.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Im Vatikan fand an diesem Montag eine entscheidende Phase der Weltsynode statt, eingeleitet durch eine Meditation von P. Timothy Radcliffe OP, die den Teilnehmern die Bedeutung der Freiheit in ihrer Beratungsarbeit ins Gedächtnis rief. Mit den Worten des heiligen Paulus aus dem Galaterbrief „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1) ermutigte Radcliffe die Synodenväter und -mütter, sich auf die bevorstehenden Diskussionen mit einem Geist der Offenheit und des Vertrauens einzulassen.

Er stellte klar, dass Freiheit eine wesentliche Eigenschaft des christlichen Lebens sei und beschrieb sie als „die Doppelhelix der christlichen DNA“. Diese Freiheit, so Radcliffe, manifestiere sich in der Fähigkeit, mutig und ohne Angst zu sprechen, während man gleichzeitig bereit ist, anderen respektvoll zuzuhören. Dies sei die „Freiheit der Kinder Gottes“, die es ermögliche, persönliche Überzeugungen zu äußern und zugleich das gemeinsame „Wir“ der Kirche zu stärken. Er erinnerte die Teilnehmer daran, dass sie das Recht hätten, „Ich“ zu sagen, und dass es keine Option sei, zu schweigen. Die Freiheit gebiete es, die eigene Stimme einzubringen und an den Synodenentscheidungen aktiv mitzuwirken.

Hier zum Nachhören

Mögliche Enttäuschungen

Radcliffe räumte jedoch ein, dass die Teilnehmer möglicherweise enttäuscht über einige der bevorstehenden Entscheidungen sein könnten. Es bestehe immer die Gefahr, dass Beschlüsse als unklug oder gar falsch wahrgenommen würden. Dennoch sollten die Teilnehmer die tiefere, innere Freiheit derjenigen bewahren, die fest daran glauben, dass „Gott alles zum Guten für die tut, die ihn lieben“ (Röm 8,28). Diese Überzeugung gebe ihnen die Kraft, auch dann in Frieden zu bleiben, wenn die Dinge anders verliefen als erhofft. Nichts könne sie von der Liebe Gottes trennen – nicht einmal menschliche Fehler oder Missverständnisse.

Die Meditation thematisierte auch die Rolle der Vernunft im Prozess der Synodenentscheidungen. Radcliffe betonte, dass der Glaube an den Heiligen Geist nicht davon entbinde, den eigenen Verstand einzusetzen. Er zitierte den heiligen Thomas von Aquin, der lehrte, dass die Gnade die Natur vervollkommne, sie aber nicht zerstöre. „Es wäre eine Beleidigung für den Heiligen Geist, Entscheidungen zu treffen, ohne nachzudenken“, fügte Radcliffe hinzu und ermutigte die Synodenväter und -mütter, das Geschenk der Vernunft zu ehren.

„Wäre eine Beleidigung für den Heiligen Geist, Entscheidungen zu treffen, ohne nachzudenken“

Er wies darauf hin, dass Meinungsverschiedenheiten nichts Schlechtes seien, sondern als Ort verstanden werden könnten, an dem der Heilige Geist wirke. Radcliffe erinnerte an eine Geschichte von Yves Congar, der während der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil nach England „verbannt“ wurde und inmitten dieser Krise feststellte, dass die einzige angemessene Reaktion darin bestehe, „die Wahrheit zu sagen, ohne Provokation und Skandal, sondern authentisch und rein“. Es sei wichtig, bei Differenzen den „katholischen Frieden“ über alle anderen Dinge zu stellen und die Toleranz zu pflegen, die nötig sei, um im Dialog zu wachsen.

„Wahrheit sagen, ohne Provokation und Skandal, sondern authentisch und rein“

Die Meditation erinnerte auch an historische Beispiele, bei denen Gottes Vorsehung im Lauf der Kirchengeschichte auf unerwartete Weise am Werk war. Radcliffe verwies auf den „felix culpa“ – den glücklichen Sündenfall –, der zur Menschwerdung Christi führte, und den Tod Jesu, der zum Triumph über den Tod wurde. Diese Beispiele machten deutlich, dass Gottes Wille nicht vereitelt werden könne, auch wenn es manchmal schwer sei, die Wege der göttlichen Vorsehung zu verstehen. „Auf dem Berg wird der Herr für uns sorgen“ (Gen 22,14), zitierte er aus dem Buch Genesis.

Mit offenem Geist begegnen

In den abschließenden Gedanken ermutigte Radcliffe die Synodenteilnehmer, den bevorstehenden Entscheidungen mit einem offenen Geist zu begegnen. Er erinnerte daran, dass die Synode nur ein Schritt im fortlaufenden Prozess der Kirche sei und dass es weitere Gelegenheiten geben werde, diesen Weg fortzusetzen. „Wir müssen nicht alles tun“, sagte er. „Wir müssen nur versuchen, den nächsten Schritt zu tun.“ Dabei verwies er auf Henri de Lubac SJ, der trotz Verfolgung eine Hymne der Liebe an die Kirche schrieb und den Mut bewies, größer zu denken.

Radcliffes Meditation schloss mit einem Aufruf zur Freiheit, die es den Teilnehmern erlauben solle, sowohl für ihre Überzeugungen einzustehen als auch darauf zu vertrauen, dass Gottes Vorsehung in allem am Werk sei. Nur so könnten sie mit der Zuversicht von Julian von Norwich sagen: „Alles wird gut.“ Die abschließenden Beratungen zur Weltsynode wurden so mit einem Hinweis für die Balance von persönlicher Überzeugung und Vertrauen in Gottes Handeln eingeleitet – ein Moment, der die Bedeutung der Freiheit in der Kirche unterstrich und den Synodenteilnehmern mitgab, den Weg der Entscheidungsfindung mit offenem Herzen und Geist zu beschreiten.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

21. Oktober 2024, 11:03