Heiliges Jahr: „Glaube in Verdichtung“
Wir sprachen mit Tebartz-van Elst über das Heilige Jahr 2025, das am Heiligen Abend 2024 beginnt.
Herr Bischof, wie ist Ihr Blick auf das Heilige Jahr?
„Ich sage immer wieder: Das Heilige Jahr ist ein Ereignis des Glaubens, und so sollte man es auch sehen. Menschen sind eingeladen, als Pilger nach Rom zu kommen. Schon das Motto macht es ja deutlich: ‚Pilger der Hoffnung‘. ‚Peregrinantes in spem‘ (lat.) bedeutet, sich in der Hoffnung zu verankern. Das ist unsere große Botschaft. Wenn man noch einmal an den 27. März 2020 denkt, als Papst Franziskus (während der Corona-Pandemie) allein auf dem Petersplatz stand und es anfing zu regnen – wo man ja fast den Eindruck hatte, der Himmel führt hier Regie… Es gibt jetzt einen Bildband, der heißt: ‚Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?‘. Dieser Bildband bringt die Hoffnung sehr schön zum Ausdruck; gerade das ist es, was wir Christen in die Welt zu tragen haben, und dieses Bewusstsein will das Heilige Jahr in uns stärken. Wir haben eine Hoffnung, die über vieles in dieser Welt hinausgeht.“
Hoffnung ist natürlich ein steiles Wort in einem Moment der Polykrisen, wo wirklich die Welt fast einzustürzen scheint…
„Ja, das ist ein schwieriges Wort. Andererseits sagt Hoffnung ja, dass Gott Möglichkeiten hat, die unsere Möglichkeiten als Menschen übersteigen. Deswegen ist das Gebet so wichtig – dass wir versuchen, uns Gott anzunähern. Und wir wissen auch: Gebete sind nicht umsonst in dem Sinne, dass Menschen sich in die Hände Gottes geben. Mir gefällt das Wort von Mechthild von Magdeburg (ca. 1207-1282), die einmal sagt: ‚Oh Gott, ich bete mich in deine Hände‘. Was kann Beten anderes sein, als dass wir Vertrauen finden, dass Gottes Möglichkeiten auch Herzen der Menschen bekehren oder umkehren können? Und in diesem Sinne hoffe ich, dass wir als Christen einen ganz entscheidenden Beitrag zur Behandlung, zur Bewältigung dieser Krisen leisten können.“
Worauf freuen Sie sich am Heiligen Jahr? Worauf sind Sie gespannt?
„Ich freue mich sehr auf die großen Gottesdienste. Die Liturgie ist immer das Stärkste, wo auch die Hoffnung zum Ausdruck kommt; wo wir sozusagen spüren, dass wir geeint sind im Glauben. Das bringen wir zum Ausdruck in den so reichhaltig gestalteten Liturgien, gerade hier in Rom, wo man merkt: Die Weltkirche trägt dazu bei. Dies ist ohnehin ein Blickwinkel, der sich hier eröffnet: Dass wir nicht sozusagen eine Kirche nur Europas sind, sondern dass alle Länder das Ihre beitragen. Das macht die Liturgie der Kirche so prägend, und deswegen freue ich mich ganz besonders auf die großen Gottesdienste mit Papst Franziskus.“
Im außerordentlichen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit 2015/16 sprangen überall auf der Welt Heilige Pforten auf, diesmal hauptsächlich die Heiligen Pforten an den großen Basiliken in Rom. Warum?
„Weil das Heilige Jahr, auf das wir jetzt zugehen und das alle 25 Jahre stattfindet, gerade darin besteht, geistlich die vier Heiligen Pforten zu durchschreiten, in der Intention des Heiligen Vaters zu beten und die Umkehr zu suchen, die man durch das Sakrament der Buße und der Eucharistie empfängt. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir nur diese vier Heiligen Pforten in diesem Jahr so herausheben – wie die Geschichte der Kirche es immer getan hat –, um gewissermaßen deutlich zu machen: Diese vier Heiligen Pforten heben sich noch einmal von den vielen Heiligen Pforten ab, die wir im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit hatten.“
Als Paul VI. 1975 das ordentliche Heilige Jahr vorbereitete, sprach er zuvor von vielen Zweifeln, die er gehabt habe: Ob das überhaupt noch zeitgemäß sei, ob das noch in unsere Zeit passe, ein Heiliges Jahr. Diesmal höre ich gar nicht von Zweifeln. Passt denn so ein Heiliges Jahr mit seiner schon über 1000-jährigen Geschichte in die Neuzeit?
„Ich konnte damals selbst am Heiligen Jahr 1975 in Rom teilnehmen; von daher weiß ich noch, wie es damals war. Das war so ein wenig der Geist der Zeit, dass man überlegte, ob manches noch zukunftsfähig ist. Ich glaube, heute können wir wirklich sagen, auch im Rückblick auf das letzte große Heilige Jahr: Es ist an der Zeit, mehr denn je sozusagen in einer Verdichtung des Glaubens zu erfahren, was uns wirklich prägt. Bei vielen Menschen ist der Glaube so überlagert durch die Dinge des Alltags, dass es ausdrückliche Zeiten braucht, in denen der Glaube in den Fokus tritt, und die Botschaft der Hoffnung. Das Logo bringt es ja wunderschön zum Ausdruck, wie die verschiedenen Kontinente auf das Kreuz zu pilgern und im Kreuz sozusagen ihre Verankerung finden. Das brauchen wir unbedingt! Und dafür ist dieses große Heilige Jahr jetzt eine Chance.“
Das Heilige Jahr 2025 hat zum ersten Mal ein Maskottchen: Luce. Das ist für viele, unter anderem für mich, ehrlich gesagt gewöhnungsbedürftig. Braucht ein Heiliges Jahr so etwas?
„Das kann ich selber schlecht beurteilen; ich bin kein Mensch, der sich mit Maskottchen sozusagen einer Realität annähert. Es mag andere geben, für die es hilfreich sein kann. Das ist so ein wenig die Sprache unserer Zeit für bestimmte Menschen, die auf so etwas anspringen; man wird sehen, wie es sich entwickelt. Wenn es von Bedeutung ist, dann wird es wahrscheinlich mehr in den Fokus gerückt werden; wenn es keine Bedeutung haben wird, dann wird es irgendwo in der Ecke landen…“
Thema Ablass: Gerade Menschen aus dem deutschen Sprachraum haben, wenn sie an Luther und den Protestantismus denken, damit große Schwierigkeiten. Was ist Ihr Blick auf den Ablass, den Jubiläumsablass im Heiligen Jahr?
„Ich glaube, es ist wichtig, wie ich eben schon ausgehend von Mechthild von Magdeburg sagte, dass wir uns in die Hände Gottes begeben – und der Ablass ist sozusagen die Einladung, dass wir uns noch mal mehr auf das hin besinnen, was wir selber nicht richtig gemacht haben, wo wir Umkehr brauchen. Insofern gehört Umkehr immer existenziell zum Glauben dazu. Und in diesem Sinne sehe ich den Ablass als eine Einladung, Umkehr hier in Rom zu suchen und verändert nach Hause zurückzukehren.“
Das Heilige Jahr fällt zusammen mit dem 1.700. Jahrestag des Konzils von Nicäa. Ist das eine Koinzidenz, oder kann man das theologisch irgendwie fruchtbar machen?
„Ich glaube, dass man es theologisch fruchtbar machen kann. Es kommt auf die Ansprachen bzw. Predigten an, die dazu gehalten werden. Das Konzil von Nicäa betont den Kern unseres christlich-kirchlichen Glaubens, und das herauszuheben und immer wieder in den Blick zu rücken, ist auch das Thema des Heiligen Jahres. Von daher glaube ich, dass man es gut miteinander verbinden kann, und es wird sicherlich im Laufe des Heiligen Jahres noch mehr zur thematischen Einladung werden, das zu tun.“
Vielen Dank, Herr Bischof, für das Gespräch.
Tebartz-van Elst (*1959) stammt aus dem Bistum Münster; er war von 2007 bis zu seinem Rücktritt 2014 Bischof von Limburg. Seit Ende 2014 arbeitet er im Vatikan. Mit ihm sprach Stefan v. Kempis von Radio Vatikan.
(vatican news)
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