OSZE auf Malta: Vatikan besorgt um Zukunft der Organisation
Christine Seuss - Vatikanstadt
In seiner Ansprache am Donnerstag hob Gallagher die Bedeutung der Schlussakte von Helsinki (Helsinki Final Act) hervor, mit der sich die Unterzeichnerstaaten – darunter neben europäischen Ländern auch die USA und die damalige Sowjetunion – nach jahrelangen Verhandlungen 1975 in Helsinki auf eine Reihe von Grundprinzipien geeinigt hatten. Aus der mit der Schlussakte beendeten Konferenz ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hervorgegangen, die mittlerweile 57 Teilnehmerstaaten von Nordamerika bis nach Zentralasien hat.
Herausforderungen und Erfolge
Mit Blick auf den Jahrestag im kommenden Jahr gelte es nun, „sowohl die Erfolge als auch die Herausforderungen“ zu würdigen, die die OSZE erlebt habe. Wichtig sei außerdem eine „Vision für die Zukunft mit Klarheit, Entschlossenheit und erneuertem Engagement für Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit“ für den gesamten Globus, so der Vatikandiplomat:
„Die Schlussakte von Helsinki ist Ausdruck des gemeinsamen Verständnisses aller Teilnehmerstaaten, dass Frieden nicht nur die Abwesenheit von Krieg oder ein Gleichgewicht der Kräfte bedeutet, sondern vielmehr die Frucht freundschaftlicher Beziehungen, eines konstruktiven Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten bei der Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Achtung aller universellen Menschenrechte ist.“
Gallagher würdigte den Vertragsabschluss, der zumindest zu Beginn in Westeuropa als unpopulär galt, erkannte er doch de facto die sowjetische Annexion der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland an. Auf der anderen Seite hatten sich die Unterzeichner jedoch auf wichtige Grundrechte geeinigt, die international überwacht wurden und Dissidenten in der Sowjetunion letztlich in die Hände spielten. Deshalb gilt die Schlussakte als Vertragswerk, das entscheidend zu einem Ende des Kalten Krieges beigetragen hat.
Sorge über zunehmende Fragmentierung
Heutzutage stehe es um die OSZE jedoch nicht zum Besten, ließ Gallagher in seiner Ansprache deutlich durchblicken:
„In den letzten Jahren haben wir mit großer Sorge nicht nur einen mangelnden Verfahrenskonsens innerhalb der OSZE beobachtet, sondern vor allem ein zunehmendes Schwinden gegenseitigen Vertrauens zwischen einigen Teilnehmerstaaten, eine Zunahme ideologischer Aggressionen und eine eklatante Missachtung der in der Schlussakte von Helsinki enthaltenen Grundprinzipien“, so der vatikanische Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten und Internationalen Organisationen auf Malta.
Sorge über „zunehmende Fragmentierung“
Ein Beispiel dafür sei auch die Tatsache, dass Schlüsselpositionen in der Organisation nur nach langwierigen Verhandlungen besetzt werden konnten, während die Diskussion über den amtierenden Vorsitz 2026 noch nicht einmal begonnen habe. Die evidenten Probleme spiegelten die aktuelle Weltlage wider, räumte der Vatikandiplomat ein, der in diesem Zusammenhang der Sorge des Heiligen Stuhls über die „zunehmende Fragmentierung“ der Organisation Ausdruck verlieh.
Es bestehe somit die Gefahr, sich in „Clubs“ gleichgesinnter und „ideologisch kompatibler“ Staaten zurückzuziehen, was die übergreifende internationale Zusammenarbeit aufs Schwerste beeinträchtigen würde, mahnte Gallagher. Die OSZE sei vielmehr „eine Organisation nicht gleichgesinnter Staaten, die im Konsens arbeitet“, was eher „die geduldige Arbeit des Dialogs und der Verhandlungen“ als die des „gewaltsamen Aufzwingens“ erfordere.
Die Bedeutung von Konsens nicht gleichgesinnter Staaten
„Es wäre zutiefst bedauerlich, wenn die Teilnehmerstaaten die Hoffnung aufgeben und das eigentliche Wesen der OSZE gefährden würden, indem sie das Streben nach konsensbasierten Beschlüssen aufgeben und die Organisation in ein Forum nur für gleichgesinnte Staaten verwandeln“, so Gallagher. Er warnte vor dem Risiko einer „Selbstauflösung“ oder zumindest einer „Formveränderung“, was nicht nur von der Schlussakte von Helsinki abweichen, sondern auch „den Geist von Helsinki“ verfälschen würde. Liege doch die Stärke der Organisation letztlich in der „Vielfalt der Perspektiven“ und der Tatsache, dass Entscheidungsprozesse durch Dialog zustande kämen.
„Die OSZE hat immer einen Weg gefunden, Konsens zu erzielen und ihre hochgesteckten Ziele zu verfolgen. Lassen Sie uns daher in unserem Engagement, alle Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, standhaft bleiben“, so der Appell des Vatikandiplomaten. In einer Zeit, in der es Dialog, Deeskalation und Entspannung dringend brauche, stehe die OSZE nun an einem Scheideweg. Ihre Zukunft liege in der Verantwortung jedes einzelnen Teilnehmerstaats, soGallagher.
Das Treffen findet am 5. und 6. Dezember in Malta statt, auch Russlands Außenminister Lawrow und Anthony Blinken aus den USA sind dazu vor Ort.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.