„Die KI sitzt mittlerweile mit am Küchentisch“
Das sagte der Präsident der Akademie, der deutsche Wissenschaftler Joachim von Braun, an diesem Donnerstag in einem Interview mit Radio Vatikan. „KI muss reguliert werden, denn sie galoppiert davon.“ Allerdings dürfe man auch nicht „das Kind mit dem Bade ausschütten“, so der in Bonn lehrende Agrarwissenschaftler. KI berge auch Chancen für den Bildungssektor, vor allem im globalen Süden. „Und diese Seite müssen wir auch sehen. Also, KI ist nicht grundsätzlich Teufelswerk. Es ist das, was wir daraus machen.“
Joachim von Braun kann sich „selektive Handyverbote“ und „Altersgrenzen unter 14 Jahren“ vorstellen. „Das geht nicht ohne die Eltern und ohne die Bildungseinrichtungen. Aber wir müssen diese Diskussion führen – und die Kirche kann dabei eine Rolle spielen.“ Der EU hält er vor, sie habe „seit zwei Jahren eine Gesetzesvorlage zum Schutz von Kindern vor Missbrauch Künstlicher Intelligenz liegengelassen und nicht weitergebracht“.
Interview
Was ist die Absicht dieser Konferenz in den nächsten Tagen?
„Diese Konferenz dreht sich um das Thema Künstliche Intelligenz im Interesse der Kinder und des Kinderschutzes – und da haben wir ein großes Problem. Deswegen bringen wir nicht nur Wissenschaft, Kirche und den wirtschaftlichen Sektor, die Digitalindustrie, zusammen, sondern auch Jugendliche, die bei unserer Konferenz mitmachen.“
Und was wird am Schluss stehen? Ein schriftliches Statement? Eine Rüge für Tech-Bosse, die in Sachen KI über die Stränge schlagen?
„Wir werden am Samstag ein vorläufiges Statement verabschieden, zusammen mit Königin Silvia (von Schweden) und Kardinal Parolin, der auch die Eröffnungsrede hält. Und da werden Forderungen drinstehen, welche Regelwerke wir brauchen, damit Künstliche Intelligenz nicht schadet, sondern nützt. Das betrifft insbesondere Regelwerke zur Verhinderung von aggressiver Manipulation von Kindern. Zweitens Regelwerke, die die ‚Drogenabhängigkeit‘ betreffen: die Abhängigkeit von der Droge, im sozialen Medium Stunden um Stunden zuzubringen, was tatsächlich Gehirnschäden hervorruft, wie Wissenschaftler, die wir auf dieser Konferenz haben, schon jetzt herausgefunden haben. Wir werden aber auch dazu auffordern, dass Plattformen, auf denen sich junge Leute versammeln, mehr gehört werden - von Kirche, Staat, Parlamenten und von der Wissenschaft.“
Wie stehen Sie zu KI-Regulierung in der EU und in den USA? Die Ansätze sind da sehr verschieden…
„KI muss reguliert werden, und die europäischen Regelwerke sind in der Hinsicht zurzeit maßstabsetzend. Allerdings hat die Europäische Union seit zwei Jahren eine Gesetzesvorlage zum Schutz von Kindern vor Missbrauch künstlicher Intelligenz liegengelassen, nicht weitergebracht. Und wir fordern: Das muss auf die Tagesordnung des Parlaments und der Kommission! Wir brauchen da tatsächlich Fortschritt, denn Künstliche Intelligenz wartet nicht auf die Gesetzgeber, sondern galoppiert davon. Und mit Schäden, die sonst im Nachhinein nicht mehr bekämpfbar sind.“
Sollte sich der Vatikan für ein Handyverbot an Schulen einsetzen?
„Das ist eine interessante Thematik. In Deutschland sind wir übrigens mit Handyverboten an Schulen weit zurück hinter vielen unserer europäischen Nachbarländer. Mir ist bekannt, dass in Kalifornien, dem ‚Mekka‘ Silicon Valley, wo Künstliche Intelligenz vorangetrieben wird, ganz viele der führenden KI-Produzenten ihre Kinder nur auf Schulen schicken, an denen Handyverbot vorherrscht. Da stimmt etwas nicht, und wir müssen darüber offen diskutieren – über selektive Handyverbote. Altersgrenzen unter 14 Jahren machen meines Erachtens durchaus Sinn. Das geht nicht ohne die Eltern und ohne die Bildungseinrichtungen. Aber wir müssen diese Diskussion führen – und die Kirche kann dabei eine Rolle spielen.“
Sie sprechen sich für ein KI-Gremium als Beraterin jeder Bischofskonferenz aus. So gesehen müsste eigentlich an jedem Familien-Küchentisch auch noch ein KI-Berater dabeisitzen…
„Nein, die KI sitzt inzwischen selber mit am Küchentisch! Denn wenn am Küchentisch nicht mehr nur diskutiert und vor dem Essen gebetet wird, dann liegt da ein Handy, und da ist KI schon dabei… Bischofskonferenzen brauchen wissenschaftsbasierten Rat, um mit diesen komplexen Problemen von KI, ihren großen Risiken für Kinder und übrigens auch für alte Menschen umzugehen (Die Kriminalitäts-Szenerie wird ja inzwischen beherrscht von KI, die alte Leute hinters Licht führen und ihnen Geld abnehmen will...). Wir brauchen dieses Know-how nahe an der Kirche, sonst tappen Bischofskonferenzen im Dunkeln.“
Ich war bisher als Vater schon nicht ruhig, wenn meine Kinder am Handy sitzen. KI bringt dann nochmal einen neuen Dreh rein. Ich sehe da vor allem Gefahren, jedenfalls so direkt innerhalb der Familie.
„Die Gefahren von KI betonen wir tatsächlich auch auf unserer Konferenz vor allem, denn sie sind real. Die Verhaltensstörungen, die Hirnveränderung von Kindern, die im Alter von sechs Jahren zum Beispiel schon dauernd mit kleinen Videoclips auf dem Handy der Mutter ruhiggestellt werden. Diese Verhaltensweisen in Familien führen zu vermutlich bleibenden Schäden, Schädigungen in Verhaltensweisen, nachweislich zu Schlafstörungen und Lernstörungen. Aber wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. KI bringt auch Chancen für den Bildungssektor. Insbesondere die Jugendlichen, die wir auf unserer Konferenz aus Entwicklungsländern haben, sagen: ‚Wir brauchen den Zugang zum Internet, um lernen zu können, um erfahren zu können, was im Rest der Welt passiert. Unser Schulsystem ist so schwach, deswegen bilden wir uns digital und remote weiter.‘ Und diese Seite müssen wir auch sehen. Also, KI ist nicht grundsätzlich Teufelswerk. Es ist das, was wir daraus machen. Das ist entscheidend.“
Die Konferenz „Risiken und Chancen von KI für Kinder“ findet vom 22. bis 24. März am Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in den Vatikanischen Gärten statt. Zu den Partnern gehört das Anthropologie-Institut der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom, das von dem deutschen Jesuiten und Vatikanberater Hans Zollner geleitet wird.
(vatican news – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.