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Jordanien: Atmosphäre wird angespannter

Die Lage der Christen in Jordanien wird prekärer. Galt das Land bis vor Kurzem noch als „sicherer Hafen“ für die Christen im Nahen Osten, so wandern immer mehr Christen aus. Auch liberale Muslime verlassen das Land in Richtung Westen. Eine Spurensuche in einer katholischen Schule in Irbid.

Johanna Mack - Irbid (Jordanien)

„Wir sind alle Araber, egal ob Christen oder Muslime.“ Diesen Satz hört man in Jordanien immer wieder. Auch Amjad Shakatreh teilt diese Meinung. Der dreifache Vater aus der nordjordanischen Stadt Irbid ist Muslim. Er schickt seine Kinder auf eine Schule, die von den katholischen Schwestern des Rosenkranzes geleitet wird, eines Ordens, der 1880 in Palästina gegründet wurde. Shakatreh:

„Hier in Jordanien leben Muslime und Christen zusammen. Wir sind alle Brüder. Wir sind gleich. Aus diesem Grund habe ich drei Kinder auf dieser Schule.“

Jordanien gilt vielen im Westen als „sicherer Hafen“ im Nahen Osten, auch für die dort lebenden Christen. 94 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch und der Islam ist Staatsreligion. Andersgläubige dürfen ihre Religion laut Verfassung allerdings frei ausleben und auch Institutionen wie Bildungseinrichtungen oder Krankenhäuser unterhalten. Eine der ersten Amtshandlungen des aktuellen Königs Abdullah II. war es, Weihnachten zum Feiertag für alle Jordanier zu erklären.

 

Immer mehr Christen verlassen das Land

 

Trotz dieses für die Region sehr harmonischen Bildes steigen zugleich aber auch die Zahlen der Christen, die Jordanien gen Westen verlassen. Randa Habib beobachtet die politischen und sozialen Entwicklungen in Jordanien und den Nachbarländern seit mehr als 25 Jahren. Die französisch-libanesische Journalistin gilt als Insiderin des Königshofes. Sie sieht das friedliche Miteinander in Gefahr:

„Die Toleranz, für die Jordanien in der Vergangenheit bekannt war, erleben wir heute nicht mehr. Man sieht es schon auf den Straßen: Ich kritisiere nicht das Tragen des Hijabs. Aber die Zahl der Frauen, die ein Hijab tragen, hat sich mindestens verdreifacht. In den 80ern trug kaum jemand ein Kopftuch. Ist das eine Reaktion darauf, dass der Islam nach 2001 so stark unter Beschuss stand?“

Sie beobachtet, dass, begünstigt durch den zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf die Bevölkerung, der Einfluss von radikal islamischen Gruppen zunimmt – und die persönlichen Freiheiten der Menschen abnehmen. Ein Beispiel für die Sensibilität des Themas Religion in Jordanien ist die Ermordung des Schriftstellers und bekennenden Atheisten Nahed Hattar am 24. September 2016. Auf Facebook teilte er eine IS-kritische Karikatur, die ihm in Hasskommentaren im Netz als islamkritisch ausgelegt wurde. Hattar war deshalb in Sicherheitsverwahrung, doch bis zu seiner Verhandlung gegen Kaution entlassen worden und ist vor seinem Gerichtsverfahren auf den Stufen erschossen worden.

 

Einfluss radikaler Gruppen nimmt zu

 

Randa Habib wertet dies als Beispiel dafür, dass die Fronten zwischen extremer werdenden Polen sich auch in Jordanien verhärten. Schuld daran sei nicht die Regierung, die sich um Harmonie zwischen den verschiedenen Gruppen bemühe. Dennoch seien gerade wenig gebildete Bevölkerungsgruppen anfällig für radikales Gedankengut:

„Es herrschte hier lange Harmonie zwischen den Religionen und zu einem gewissen Grad ist sie immer noch da. Aber die Christen sind hier nicht mehr so sicher wie zuvor. Es sind nicht wenige, die nach Kanada oder woanders hin auswandern. Das betrifft vor allem die junge Generation, die mit Hänseleien in der Schule oder Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert ist. Die Situation ist noch nicht wirklich alarmierend, aber sie fängt an, es zu sein.“

Einer, der sich unaufhörlich für den interreligiösen Dialog in Jordanien einsetzt, ist Rifat Bader. Der katholische Pater hat die Nachrichten- und Hintergrundwebsite abouna.org (Vater Unser) gegründet, über die er den Christen im Nahen Osten eine Stimme geben und falschen Bildern der verschiedenen Religionen in den Medien entgegentreten will. Als Startpunkt für die zunehmenden Spannungen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen nennt Pater Rifat Bader den Irakkrieg, infolgedessen auch terroristische Gruppen wie al Qaida und schließlich der sogenannte „Islamische Staat“ erstarkt seien. Damals habe eine neue Welle er Anschläge gegen Christen begonnen. Als Beispiel nennt Bader den Angriff auf eine Kirche in Bagdad im Jahr 2010, bei dem 63 Menschen getötet wurden.

„Das zeigte uns: Es gibt keine Sicherheit mehr. Es waren nicht nur Anschläge gegen Christen, aber die Explosionen in Kirchen in dieser Zeit zielten direkt auf die Christen ab.“

Diana Dawood hat diese Zeit selbst miterlebt. Die Studentin der German Jordanian University in Madaba stammt aus Bagdad. Sie floh mit ihrer Familie nach Mossul, bis die Stadt vom sogenannten „Islamischen Staat“ eingenommen wurde. Familie Dawood entkam nach Jordanien.

„Christen, Jesiden und Andere - Alle Minderheiten wollten raus, raus. Wir waren gezwungen, die Stadt zu verlassen und dann unser Land zu verlassen. Das betraf nicht nur die Christen. Auch viele Muslime haben unter Daesh (IS) gelitten.“

 

„Druck auf alle Minderheiten steigt“

 

In ihrem Alltagsleben in Jordanien, sagt Diana Dawood, erlebt sie als Christin keine Diskriminierung. Die meisten ihrer Freunde seien Muslime. Sie glaubt, dass viele der Konflikte in der Region einen politischen Ursprung hätten und dass nicht nur der Druck auf die Christen, sondern auch auf andere Minderheiten und auf die liberalen Muslime steige. Ihre Zukunft sieht sie daher im Westen, am liebsten in Kanada, wo bereits Verwandte von ihr leben.

Pater Rifat Bader äußert Verständnis für die Abwanderung von Christen aus der Levante, betrauert aber, dass damit auch die Pluralität der Völker schwinde, die die Region für ihn traditionell ausmacht. Er warnt vor einer zunehmenden Spaltung zwischen einer „muslimischen“ und einer „christlichen“ Welt, hat aber auch Hoffnung, dass der Wille der Menschen zum Frieden eine solche Entwicklung aufhalten könnte:

„Ich denke, mit dem Ende des IS beginnt in dieser Region eine neue Ära der Begegnung zwischen Muslimen und Christen. (…) Wir müssen uns jetzt darum kümmern, neue Verbindungen zwischen Muslimen und Christen aufzubauen. Das ist nicht einfach. Wie können wir mit Optimismus und Hoffnung in die Zukunft blicken und wieder Vertrauen aufbauen? Der Daesh (Anhänger des Islamischen Staates, Anm.) hat behauptet, im Namen Gottes zu handeln. Vertrauen zwischen den Völkern aufzubauen ist auch eine der schwierigsten Aufgaben beim Wiederaufbau des Iraks und Syriens.“

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28. Dezember 2017, 14:43