Syrische Ordensfrauen beten für Extremisten
Stefan von Kempis und Marco Guerra – Vatikanstadt
Ihr Konvent liegt in dem Dorf Azeir ganz nah an der libanesischen Grenze, auf halbem Weg zwischen Homs und Tartus. In Damaskus sind sie immer wieder mal; weit ist es nicht dahin. Sie erzählen von ständigem Beschuss, der aus den Vororten von Ost-Ghouta kommt, und dass die Kinder in der Innenstadt von Damaskus deswegen nicht mehr zur Schule gehen können.
„Wir reden mit den Leuten und sehen, wie sie leiden unter den Folgen des Kriegs“, sagt uns Schwester Marta Fagnani, die Superiorin. „Da herrschen Angst und die Unsicherheit, dass man jederzeit plötzlich sterben kann, durch Zufall. Und dazu die Last, dass immer nur über einen Teil der Angelegenheit gesprochen wird. Dass es keine Solidarität von außen gibt für dieses Leid, das diesen Teil der Bevölkerung trifft.“
„Diesen Teil“ – damit meint die Trappistin die Menschen in den Stadt- und in den Landesteilen, die von der Regierung, dem Assad-Regime, kontrolliert werden. Aus ihrer Sicht reden die westlichen Medien nur von der schwierigen Lage in Rebellengebieten, von Ost-Ghouta vor allem. Dabei herrschen in den dortigen Vororten der Hauptstadt nach Darstellung von Schwester Marta Fanatiker und Islamisten.
„Es gibt da zwar verschiedene Gruppen, aber die moderaten sind schnell geschluckt worden, das war alles von langer Hand vorbereitet. Verschiedene Gruppen also, aber alle mehr oder weniger extremistisch.“
Die Trappistinnen sprechen in einem Appell, den sie der Nachrichtenagentur fides geschickt haben, von Schikanen der Dschihadisten in Ost-Ghouta gegen Menschen, die nicht so ticken wie sie. Die Dissidenten würden teilweise in Käfige gesperrt und dann auf die Straßen gestellt, als menschliche Schutzschilde.
„Wir haben zum Beispiel gehört, dass die Ghouta-Rebellen einen Abzug der Zivilisten im Austausch gegen humanitäre Hilfen akzeptiert haben. Das bedeutet: Die Zivilisten sind Verhandlungsmasse, sie sind also nicht frei, zu gehen. Mir scheint, dass das eine klare Sprache spricht.“
Trotzdem: Die Schwestern von Azeir beten ausdrücklich für alle Kriegsparteien, auch für die Islamisten. „Die Wahl von Gut und Böse ist wirklich ein Mysterium. Man kann sich nie freuen, wenn jemand stirbt. Der Tod ist immer ein Drama… Aber man kann nicht über den Krieg weinen, ohne gleichzeitig an seine Ursachen zu denken, die ihm vorausgingen – gewollte Ursachen. Wir finden es heuchlerisch, über Gewalt zu klagen, wenn wir nicht klar aussprechen, woher diese Gewalt kommt und warum. Und dann – wenn ein Land erst mal voller Waffen und Kämpfer ist, dann wird auch gekämpft!“
Die Superiorin und ihre Mitschwestern sprechen, wie viele Kirchenleute in Syrien, von ausländischer Einmischung, von auswärtigen Kriegsgründen.
„Auch wenn es bei diesem Krieg zu Beginn den Wunsch nach einem Wechsel gegeben haben sollte – und den hat es gegeben! –, ist die Lage dann doch gleich außer Kontrolle geraten. Jedweder Ruf nach einer Demokratie ist sofort zum Schweigen gebracht und auch von ausländischen Interessen manipuliert worden… Um mal von direkten Erlebnissen und nicht vom Hörensagen zu reden: In unserer Region, in der es jetzt seit mittlerweile drei Jahren wieder Sicherheit gibt, haben wir sehr deutlich gespürt, wie das war, als noch Syrer gegen die Armee kämpften – mit großem Respekt gegenüber der Bevölkerung. Aber seit die Saudis, die Tschetschenen gekommen sind – wir haben sie ja leibhaftig gesehen, bei uns auf der Straße –, da hat sich der Krieg stark verändert. Auf einmal kam da eine unerhörte Gewalt und Brutalität hinein. Die ausländischen Kämpfer sind längst in der Mehrzahl, und es kommen immer noch neue ins Land.“
Die größten Herausforderungen stehen Syrien erst noch bevor, glaubt Schwester Marta Fagnani im Interview mit Vatican News. Sie meine Versöhnen, Vergeben, Wiederaufbauen. „Das Zusammenleben wieder aufnehmen, das in Syrien früher wirklich außerordentlich gut war.“
Auch wenn seit drei Jahren in ihrer Gegend nicht mehr gekämpft werde, der Krieg überschatte immer noch alles. „Heute morgen habe ich mit unserem Arbeiter gesprochen – der ist jetzt der einzige Mann in der Familie, der übrig ist. Ein Bruder kämpft in Aleppo, der andere in Damaskus.“
Sie seien ja nur „eine kleine Gemeinschaft in einem kleinen Dorf“, sagt die Trappistin uns noch. Ihre Präsenz sei vor allem eine des Gebets.
„Wenn wir mit den jungen Leuten reden, erinnern wir sie an ihre Verantwortung, hierzubleiben, denn die Christen haben – obwohl sie eine Minderheit sind – doch eine wichtige Rolle. Die Sanktionen gegen Syrien machen den jungen Leuten das Leben sehr schwer, sie haben keine Arbeitsmöglichkeiten. Aber solche Schwierigkeiten führen oft auch dazu, dass man in sich Kräfte entdeckt, die man normalerweise nicht in sich vermutet. Ein paar kommen zurück, der eine oder andere macht wieder ein kleines Unternehmen auf…“
Es gebe „nicht nur Zerstörung, sondern auch viel Leben, das wieder in Gang kommt“. „Natürlich sollte man sich keine Illusionen machen: Eine oder zwei Generationen junger Leute sind entweder tot oder ins Ausland gegangen, viele Frauen stehen allein mit Kindern da. Es ist enorm viel zu tun… allmählich. Das wird alles Zeit brauchen.“
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