Archivbild: Ausschreitungen in Nordirland 1972 Archivbild: Ausschreitungen in Nordirland 1972 

Ausschreitungen in Nordirland: Brexit verschärft Spannungen

In Nordirland sind die Ausschreitungen rund um den 12. Juli in diesem Jahr besonders heftig gewesen. Das hat mit republikanischen Dissidenten, politischer Instabilität und dem Brexit zu tun, sagt im Interview mit Vatican News der Bischof von Derry, einem der „Hotspots“ der Krawalle.

Anne Preckel und Giada Aquilino – Vatikanstadt

Tausende „Protestanten“ hatten wieder an den traditionellen Oraniermärschen teilgenommen, mit denen sie an den Sieg des protestantischen Königs William III. über seinen katholischen Rivalen James II. im Jahr 1690 erinnern wollten. In diesem Jahr hatte es rund um das Gedenken am 12. Juli besonders heftige Ausschreitungen gegeben. In Belfast warfen Unbekannte Sprengkörper auf die Wohnsitze ehemaliger Exponenten der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin, in Derry wurden Schüsse auf Polizisten abgefeuert und ein protestantisches Stadtviertel mit Brandbomben attackiert.

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„Es ist kein Konflikt zwischen (pro-britischen, protestantischen) Unionisten einerseits und (katholischen) Republikanern andererseits.“

 

„Was in den letzten Wochen vor allem hier in Derry passiert ist, ist kein Konflikt zwischen (pro-britischen, protestantischen) Unionisten einerseits und (katholischen) Republikanern andererseits, sondern hat mit einer tiefen Spannung innerhalb der Bewegung der Republikaner zu tun“, erklärt Bischof Donal McKeown im Interview mit Vatican News. „Auf der einen Seite gibt es die (irisch-republikanische) Sinn Féin-Partei, die die Abmachungen des vor 20 Jahren getroffenen Karfreitagsabkommens akzeptiert. Und auf der anderen Seite stehen Dissidenten, die den Friedenspakt von 1998 zerstören wollen. Sie wollen, dass die Polizei reagiert und Schäden anrichtet, so dass sie Sinn Féin dafür kritisieren können, dass die Partei der Polizei ihre Unterstützung gegeben hat.“

Das 1998 unterzeichnete „Good Friday Agreement“ hatte den nordirischen Bürgerkrieg zwischen irischen Nationalisten und protestantischen Unionisten offiziell beendet und sah eine Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen beider Seiten sowie eine Amnestie für die Kämpfer vor. Aus Enttäuschung über den Friedenskurs der Sinn Féin-Partei hatten sich in Nordirland jedoch vor einigen Jahren anti-britische Splittergruppen zusammengeschlossen, die sich als Nachfolger der anti-britischen IRA (Irish Republican Army) verstehen. Die diesjährigen Übergriffe könnten auf das Konto solcher militanten Republikaner gehen.

 

Aktuelle politische Lage verschärft den Konflikt

 

Der schwelende Konflikt werde durch die aktuelle politische Lage verschärft, führt Bischof McKeown weiter aus. Das habe damit zu tun, dass Nordirland seit März letzten Jahres ohne politische Führung sei: den beiden größten Parteien Sinn Féin und DUP war es bisher nicht gelungen, eine regionale Regierung zu bilden. Zudem trügen die Brexit-Verhandlungen zur allgemeinen Unsicherheit bei, so McKeown. Sie könnten nämlich zu einer harten Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland führen, einer Grenze, die aufgrund der europäischen Einigung bisher de facto nicht mehr existierte. Der Brexit zerstört für viele irische katholische Nationalisten deshalb das Bild, auf einer geeinten Insel zu leben.

Die Ortskirchen hätten nach der diesjährigen Eskalation in Derry und Belfast der Gewalt eine klare Absage erteilt, so Bischof McKeown weiter: „Ich und mein anglikanischer Kollege haben verschiedene Gegenden der Stadt besucht, die von Explosionen und Spannungen betroffen waren. Wir wollten zeigen, dass - auch wenn sich die Politiker im Abgeordnetenhaus nicht einigen können – die Kirchen öffentlich reagieren, um zu zeigen, dass wir eine solche (gewalt-)Lösung als Weg in die Zukunft nicht akzeptieren.“ Dabei hätten die Kirchen auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen wie etwa Händlern und Gewerkschaften das Gespräch gesucht, um ihnen gegenüber deutlich zu machen, dass Spannungen nicht zur Entwicklung der Region beitragen können. Vielmehr gelte es, den Tourismus zu fördern und die Gemeinschaft zu fördern.

Die Kirche stelle sich in diesem Sinne klar auf die Seite einer Politik der Versöhnung und trete für Dialog ein, sagt der Bischof von Derry: „Wir sind überzeugt davon, dass diese Politik der beste Weg für uns alle ist“, so McKeown: „Die Kirche muss ihre Tür für alle Bürger offen halten, auch jenen gegenüber, die Gewalt propagieren, denn ohne alle Bürger gibt es keine gemeinsame Zukunft.“

(vatican news – pr)

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24. Juli 2018, 11:52