Bischof Bernhard Johannes Bahlmann von Obidos, Brasilien, zu Besuch in Rom Bischof Bernhard Johannes Bahlmann von Obidos, Brasilien, zu Besuch in Rom 

Amazonassynode: „Christen müssen sich fürs Ganze einsetzen"

Bei der 2019 bevorstehenden Amazonas-Synode geht es um sehr konkrete Lebenssituationen der Menschen und zugleich um das große Ganze. Das sagte uns der deutsche Amazonas-Bischof Bernhard Johannes Bahlmann, der dieser Tage Papst Franziskus im Vatikan besuchte. Ein Gespräch über Gerechtigkeit für Arme, Morddrohungen, Frauendiakonat und Priesterzölibat.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Dem Papst sind bei der Amazonas-Synode zwei Dinge ein großes Anliegen, schildert uns Bahlmann seine Einschätzung: der Schutz der Schöpfung und des Menschen zum einen, die Seelsorge an vernachlässigten Menschen zum anderen. Der Franziskaner-Bischof erinnert daran, wie gerade Papst Franziskus den Blick der Kirche öffnet vom einzelnen zum Ganzen – und wieder zurück.

Hier zum Hören:

 „Es geht nicht nur um den Menschen, sondern um das Allgemeine im Ganzen. Ich glaube auch, dass wir uns nicht so einfach da herausziehen können und sagen: wir reden jetzt nur von den Menschen. Sondern wir müssen das Allgemeine sehen. Was nützt uns das Ganze, wenn wir in ein paar Jahren nicht mehr eine Lebensgrundlage haben auf dem Planeten Erde? Dann nützt uns das ganze Reden nichts.“ Der Einsatz fürs Ganze müsse dann konkret werden, auch in kleinen Projekten, die „ein Licht sein können“, sagte der Bischof von Obidos. „Wir können uns nicht herausschleichen aus einer Situation, sondern müssen uns dem stellen“. Das gelte auch für ganz handgreifliche Konflikte. Bahlmann nennt einen Fall, der ihn persönlich betrifft.

„Zur Zeit wohnt bei mir eine Familie mit drei Kindern, wo der Vater mit dem Tod bedroht wird“

 „Zur Zeit wohnt bei mir eine Familie mit drei Kindern, wo der Vater mit dem Tod bedroht wird. Er ist noch jung, um die 40, ich habe sie im Haus aufgenommen, um ihnen Schutz zu sehen für die nächsten Monate.“  

Vom Tod bedroht – durch wen?, wollen wir wissen.

„Meistens von Großgrundbesitzern, oder Fazenderos, die Land genommen haben, aber die nicht die entsprechenden Dokumente haben. Oftmals sind das auch Gebiete, die nicht einmal ihnen gehören, das sind oft Staatsgebiete. Und dann sind diese jungen Leute, die Kleinbauern, die das auch in Besitz genommen haben, aber schon viele Jahre dort leben. Jetzt kommen andere und sagen, ihr müsst weg.“

„Wir haben leider verschiedene Morde in diesem Jahr zu verzeichnen“

Solche Konflikte seien leider sehr zahlreich, und manchmal enden sie tödlich. „Vor allem im Süden unseres Bundessstaates Para, da gibt es immer wieder Todesdrohungen und auch Morde. Wir haben leider verschiedene Morde in diesem Jahr zu verzeichnen. Das geht immer auf Kosten derjenigen, die in ärmeren Verhältnissen leben, und ich glaube das sind Situationen, wo es eine große Ungerechtigkeit gibt, wo es um die Verteilung der Güter geht und auch darum, dass man Menschen eine Basis gibt, eine Lebensexistenz.“

Die katholische Kirche nimmt in einem solchen Kontext ein ganz anderes Gesicht an als in anderen Teilen der Welt, bestätigt Bischof Bahlmann. Im Amazonas versuche die Kirche mit ihrer sozialen Pastoral sich einzusetzen für die, die keine Rechte haben: Minderheiten, Indigene, Flussanrainer, Afro-Brasilianer – „wir haben bei uns in unsere Diözese die größten Gemeinden im Bundessstaat Para in Amazonien“, sagt der Bischof. „Und wenn dann Organisationen kommen oder Großgrundbesitzer und sie mit dem Leben bedrohen, da muss man sich für sie einsetzen.“ Mit welchen Mitteln?, wollen wir von Bischof Bahlmann wissen. Er setze da auf Dialog. „Ich denke, wir müssen einen diplomatischen Weg einschlagen. Es geht ja auch darum, wie man jemanden dazu bewegen kann, dass er ein anderes Bewusstsein bekommt, dass man mit denen spricht - und etwas lösen kann durch Dialog und nicht durch Gewalt.“

„Wir haben aber auch andere Bischöfe, die Todesdrohungen erhalten haben“

Allerdings: auch ein dialogbereiter Kirchenmann ist seines Lebens nicht unbedingt sicher, wenn er im Amazonas mit seinen unermesslichen Bodenschätzen schreiendes Unrecht anspricht.

„Das kann schon gefährlich sein. Wir haben ja Erwin Kräutler bei uns in unserer regionalen Bischofskonferenz, der ist immer von zwei Leibwächtern beschützt. Wir haben aber auch andere Bischöfe, die Todesdrohungen erhalten haben. Man muss da schon aufpassen, wie man das sagt, was man sagt, man muss das so einbringen können, dass man auch einen gewissen Schutz hat.“

Seelsorgerlich sind die Herausforderungen im Amazonasgebiet enorm, erinnert Bischof Bahlmann. Stichwort: Priestermangel, riesige Distanzen, eucharistischer Hunger, Einbindung von Laien. Das werde das zweite große Thema der Synode werden.

„Es braucht ein Empowerment bei den Laien und gerade auch bei den Frauen“

„Wie können wir als Kirche präsent sein? Aber das heißt gleichzeitig, wir können wir ein größeres Bewusstsein schaffen für uns alle als Gottesvolk? Sowohl die Laien als auch die Geweihten und die Ordensleute - dass wir auch unsere Aufgaben verteilen und die Verantwortung aufteilen. Wie können wir heute Christus verkünden? Und Zeugnis geben? Und wie können wir dienen?“ Ganz notwendig brauche es „ein Empowerment bei den Laien und gerade auch bei den Frauen“, hält der Bischof fest.

„Darüber müssen wir unbedingt diskutieren, damit es da zu einem Ausgleich kommt. Wir müssen da einen ausgewogenen Weg finden, um die Evangelisierung voranzubringen.“ Dem Frauendiakonat stehe er offen gegenüber, sagte uns Bahlmann.

„Vorstellen könnte ich es mir das schon, den Diakonat der Frau. Aber man muss es abwägen, auch auf der Synode“

„Vorstellen könnte ich es mir das schon, den Diakonat der Frau. Aber man muss es abwägen, auch auf der Synode, und das ist heute noch eine Frage, die sehr offen ist.“ Auch die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester, ein großes Thema in einer Seelsorgelandschaft wie am Amazonas, dem Gebiet mit dem dramatischsten Priestermangel der Weltkirche, steht auf dem Prüfstand. Abschaffung des Zölibats? Bischof Bahlmann zieht einen größeren Rahmen:

Vorstellen kann ich mir das schon [die Abschaffung des Zölibats], aber es sind sicher viele Konditionen, die noch gesehen werden müssen. Bei uns wachsen die Berufungen. Ich glaube nicht, dass das Problem einfach so gelöst wird, wenn wir sagen, wenn wir mehr Priester haben, ist das Problem gelöst. Wir müssen sehen, welche Formen der Evangelisierung werden wir haben, welche Strategie werden wir benutzen. Und dann die Frage des Priesters, des Ständigen Diakonats, der Ordensleute und der Laien – das muss eingebettet sein in diesen Fragen.“

 

Zölibat: als Thema leider etwas ideologisch aufgeladen

 

Dass die Debatte über den Zölibat ideologisch auf beiden Seiten etwas aufgeladen daherkommt, bedauert Bischof Bahlmann. „Da müssen wir eine Art Säuberungsaktion starten, um an das Wesentliche zu kommen, was uns eigentlich wirklich bewegt und was auch eine Nachhaltigkeit hat. Dass wir nicht nur dem Zeitgeist hinterhergehen, sondern versuchen, etwas Neus zu schaffen, was eine Ewigkeit anhält.“

Letzte Frage an den deutsch-brasilianischen Bischof auf Rom-Besuch: In Brasilien ist nun ein Präsident an der Macht, der das Populist beschrieben wird. Was halten die Menschen, die ihm anvertraut sind, von Jair Bolsonaro? „Die Meinungen sind unterschiedlich“, sagt der Oberhirte. „Es ist noch etwas früh, um abzuschätzen, wie das wirklich sein wird. Eine Sache ist der Wahlkampf, um Stimmen zu bekommen, eine andere Sache wird sein, wie wird sich das entwickeln. Ich glaube, da wird sich noch einiges tun.“

Bischof Bahlmann war nach Rom gekommen, um zusammen mit zwei Franziskaner-Mitbrüdern dem Papst ein wirklich außergewöhnliches kirchliches Projekt vorzustellen: ein Krankenhausschiff auf dem Amazonas. Die schwimmende Klinik für die medizinisch stark unterversorgten Menschen im größten Flussgebiet der Welt soll im Februar an den Start gehen.

(vatican news – gs)

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06. November 2018, 11:43