Auf der Klimakonferenz im oberschlesischen Kattowitz (Polen) Auf der Klimakonferenz im oberschlesischen Kattowitz (Polen) 

„Klimakonferenz bleibt weit hinter Erwartungen zurück“

Der deutsche Klimaforscher Ottmar Edenhofer hält das bisher auf der Klimakonferenz in Kattowitz Ausgehandelte für dürftig.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Die weltweiten Emissionen seien 2017 und -18 wieder gestiegen: „Und zwar sehr stark gestiegen. Wir haben eine Wachstumsrate von mehr als zwei Prozent.“ Das sagte Edenhofer an diesem Donnerstag in einem Interview mit Vatican News.

„Das heißt also: Die Hoffnungen, die wir nach Paris hatten, dass wir jetzt endlich die Emissionskurve nach unten biegen, haben sich nicht bewahrheitet. Vor diesem Hintergrund bleibt Kattowitz natürlich weit hinter den Erwartungen zurück, die wir haben.“

Kritik am „Kuhhandel“

Die Konferenz von Kattowitz soll eigentlich für die konkrete Umsetzung des 2015 in Paris unterzeichneten, internationalen Klima-Abkommens sorgen. Doch Edenhofer urteilt: „Das hapert daran, dass die Staaten sich im Grunde genommen schwertun, sich darauf zu verständigen, die einzelnen Beiträge, die die Staaten bereitstellen sollen, transparent zu machen.“

Zum Nachhören

Transparenz fehle auch bei der Frage, was denn jetzt eigentlich als „Emissionsreduktion“ gilt und was nicht. „Wenn zum Beispiel ein Staat sagt: Wir reduzieren die Emissionen um 20 Prozent gegenüber einer schlecht definierten Baseline, wie man das in der Fachsprache nennt, dann weiß man eigentlich nicht genau, wie viel der Staat tatsächlich reduziert!“

Der Forscher, der zu Deutschlands führenden Ökonomen gehört, nennt die Verhandlungen von Kattowitz einen „Kuhhandel“.

„Hinter uns liegt eine verlorene Dekade“

„Es hapert natürlich auch daran, dass die Staaten im Grunde genommen feststellen müssen, dass sie jetzt in den letzten drei Jahren seit Paris im Wesentlichen wenig bis nichts getan haben. Wir müssen eben auch sagen: Es liegt eine verlorene Dekade hinter uns.“

Die Hoffnung, dass es jetzt einen schnellen Schwenk zu CO2-freien Technologien geben könne, habe sich leider nicht bewahrheitet. „Viele Staaten in Asien, etwa Vietnam, Indonesien, Pakistan, Philippinen, setzen nach wie vor massiv auf Kohlekraftwerke – von den Großen in Asien wie China und Indien gar nicht zu reden.“

„Wir befinden uns in einem Rückschritt“

Dennoch glaubt Edenhofer nicht, dass der internationale Handlungsdruck im Einsatz gegen den Klimawandel jetzt im Sinken begriffen ist. „Denn eines ist klar: Die Folgen des Klimawandels werden immer spürbarer werden. Selbst in Europa nach dem Hitze-Sommer ist deutlich geworden, dass der Klimawandel sich fortsetzt… Auch Donald Trump kann nicht leugnen, dass die Vereinigten Staaten von den Folgen des Klimawandels erheblich beeinträchtigt werden.“

Angesichts der Herausforderungen wirke aber das Handeln der Staaten bisher „geradezu kläglich“, so der Wissenschaftler.

„Gelbwesten waren nicht besonders hilfreich“

„Wir sehen jetzt überall die Zeichen, dass wir uns in einem Rückschritt befinden. Und dieser Rückschritt kann nur aufgehalten werden, wenn die Staaten sich jetzt endlich aufraffen und begreifen, dass es einen steigenden CO2-Preis braucht! Denn ansonsten müssten alle Staaten der Welt gegen die Ressourcenmärkte ankämpfen, und auf den Ressourcenmärkten werden für lange Zeit die Preise für Kohle, Öl und Gas sehr niedrig bleiben. Also, die Ressourcenmärkte werden uns nicht auf den Pfad der klimapolitischen Tugend zwingen.“

Eigentlich bräuchte es jetzt also eine internationale, „großangelegte CO2-Preis-Reform“, erklärt Edenhofer. Nur dass die Proteste der „Gelbwesten“ in Frankreich, die sich ja an einer entsprechenden Öko-Abgabe entzündeten, „in diesem Zusammenhang nicht besonders hilfreich“ waren.

„Es geht um eine gerechte Transformation“

Der Vatikan ist in Kattowitz mit einer Delegation vertreten, und wieviel dem Papst an dem Thema liegt, hat er vor drei Jahren pünktlich zum Pariser Klimagipfel mit seiner Enzyklika Laudato si‘ klargemacht. Edenhofer – ein früherer Jesuit – hält die Stimme der christlichen Kirchen und gerade der katholischen Kirche in diesem Bereich für wichtig.

„Gerade auch in Polen! Denn es geht ja nicht nur einfach darum, dass man Forderungen stellt und sagt, ihr müsst jetzt aus der Kohle aussteigen, sondern es geht ja auch um eine gerechte Transformation.“
Und das führt ihn zurück zum Protest der französischen „Gelbwesten“. „Viele Leute sagen ja, die Staaten können es sich nicht erlauben, die CO2-Preise zu erhöhen, wodurch Strom und Diesel und Benzin teurer werden würden. Es ist ja klar, wenn dadurch die Schwächsten beeinträchtigt werden, wenn vor allem die einkommensschwachen Haushalte davon benachteiligt werden, dann muss man sich nicht wundern, wenn es zu Protesten kommt…“

Jetzt ist die katholische Soziallehre gefragt

Aber Edenhofer findet, dass sich der französische Protest gar nicht so sehr „gegen CO2-Bepreisung“ richtet, sondern vielmehr ein diffuses Misstrauen von Bürgern ihrer Regierung gegenüber ausdrückt.

„Hier geht es um die Frage: Welche Rolle sollen eigentlich künftig Regierungen haben, was ist Regierungshandeln, was ist das Verhältnis des Regierungshandelns zur Zivilgesellschaft und zum Markt? Und hier ist doch ziemlich klar, dass die katholische Soziallehre seit jeher um dieses ausgewogene Verhältnis gerungen hat. Hier hat die christliche Soziallehre eine Stimme, die sie auf diesen internationalen Konferenzen noch sehr viel prononcierter und sehr viel effektiver erheben könnte!“

(vatican news)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

13. Dezember 2018, 14:04