Marktszene in Aba (Nigeria) Marktszene in Aba (Nigeria) 

Boko Haram und die Dinosaurier: Nigeria vor der Wahl

Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas wird an diesem Samstag gewählt: 72 Kandidaten bewerben sich um das Amt des Präsidenten von Nigeria. Aber voraussichtlich gerät der Urnengang zum Duell zwischen Amtsinhaber Muhammadu Buhari und dem Oppositionellen Atiku Abubakar.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Beide sind alte Fahrensleute der nigerianischen Politik, schon seit dreißig Jahren im Geschäft. Beide wirken nicht wie Inkarnationen eines Neuanfangs.

„Buhari hatte viele Hoffnungen ausgelöst, als er 2015 gewählt wurde“, sagt uns Marc-Antoine Pérouse de Monclos, ein französischer Politikwissenschaftler und Nigeria-Experte. „Buhari war damals Nachfolger von Präsident Goodluck Jonathan geworden, einem Christen aus dem Süden, der aber eher zufällig an die Macht gekommen war und weithin als inkompetent wahrgenommen wurde. Der frühere General Buhari hingegen, ein Muslim aus dem Norden, wirkte wie der starke Mann, der das Land retten würde – vor allem vor der Dschihadisten-Gefahr, vor der Sekte Boko Haram.“

Der Sieg wurde voreilig verkündet

Tatsächlich konnte die Armee einen Teil der über 250 Schülerinnen befreien, die die Sekte 2014 aus ihrem Internat in Chibok entführt hatte. Doch die Mörderbande Boko Haram treibt in weiten Teilen Nigerias weiterhin ihr Unwesen. Das bedeutet eine furchtbare Heimsuchung für ein Land, das von vielen Bruchlinien durchzogen wird, darunter ethnischen und religiösen.

Zum Nachhören

Es wäre zu einfach, zu sagen: Muslime im Norden, Christen im Süden. So gibt es zum Beispiel viele verschiedene Richtungen unter den Muslimen, darunter eine fundamentalistische, die in den letzten Jahren stärker geworden ist.

„Buhari hat im Dezember 2015 voreilig verkündet, dass Boko Haram – so wörtlich – technisch geschlagen sei. Tatsächlich ist die Gruppe geschwächt, aber weiter aktiv; letztes Jahr hat sie zwischen acht- und neunhundert Soldaten getötet. Also, da ist eher ein Versagen des Präsidenten festzustellen, jedenfalls ist die Gruppe nicht geschlagen.“

Auch bei Korruption und Wirtschaft eine gemischte Bilanz

Eine ähnlich gemischte Bilanz zieht der Experte, was Buharis Kampf gegen die Korruption betrifft. „In diesem Punkt ist die allgemeine Enttäuschung offensichtlich. Es hat nicht einen großen Prozess in diesem Bereich gegeben. Stattdessen wirkte der Kampf gegen Korruption als ein Mittel, sich bestimmter Oppositioneller aus der Zeit des Vorgängers zu entledigen; das Umfeld von Buhari blieb unangetastet.“

Auch vollen Einsatz für einen wirtschaftlichen Aufschwung hatte sich Buhari bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren auf die Fahnen geschrieben. Das war, neben Korruption und Boko Haram, das dritte große Dossier, das er in Angriff nehmen wollte. Jetzt aber überwiegt die Enttäuschung: Nigeria findet nicht aus der Rezession heraus.

„Das liegt vor allem am Sinken der Erdölpreise, die eine wichtige Einnahmequelle für den Staatshaushalt darstellen. Auch hier ist die Enttäuschung über Buhari groß: Die Wirtschaftskrise brachte unter anderem mit sich, dass die Bundesstaaten nicht immer die Gehälter zahlen konnten, und der Benzinpreis schnellte nach oben. Auch diese Bilanz ist also mittelmäßig, um es freundlich zu formulieren.“

Der Herausforderer gilt als korrupt

Und Atiku Abubakar, sein Herausforderer? Ist ein Geschäftsmann, der Mühe hat, den Ruch der Korruption aus den Kleidern zu schütteln. „Das ist kein früherer Soldat, sondern ein Beamter, der dann in die Privatwirtschaft gewechselt ist. Im Kontrast zu Buhari, der den Nationalisten und Militär gibt, wirkt Abubakar ziviler, liberaler; er hat sogar gesagt, dass er vielleicht die staatliche Erdölgesellschaft privatisieren werde. Trotzdem, auch das ist ein Vertreter der bisherigen Elite. Wir haben also zwei ältere Kandidaten, die beide keinen großen Enthusiasmus auslösen.“

Darum rückt nach der Beobachtung des Forschers zum ersten Mal bei solchen Wahlen die Persönlichkeit der Vizepräsidenten – bzw. der Bewerber für diesen Posten – in den Fokus. „Der Präsident scheint sehr krank, sein Herausforderer ziemlich korrupt; die Vizepräsidenten hingegen sind jung und verkörpern eher eine Dynamik des Wechsels und der Reform in Nigeria. Es sind Yemi Osinbajo an der Seite von Buhari und Peter Obi an der Seite Abubakars.“

Bei hoher Wahlbeteiligung ist Pfuschen einfacher...

Im Wahlkampf haben die beiden Dinosaurier Buhari und Abubakar bei ihren Kundgebungen viele Menschen angezogen, darum könnte die Wahlbeteiligung hoch sein.

„Das wird ins Gewicht fallen – unter anderem für möglichen Wahlbetrug, denn bei hoher Wahlbeteiligung ist es leichter, noch mehr Wahlzettel in die Urnen zu stopfen, wenn ich das so sagen darf… Es fällt mir schwer, die Wahldynamik vorauszusagen; mir scheint allerdings, dass es im (muslimischen) Norden Nigerias weiterhin eine fast religiöse Verehrung für Buhari gibt. Speziell in der Region, aus der er kommt. Wenn Buhari nicht wiedergewählt würde, wäre dort mit Unruhen, mit gewalttätigen Protesten zu rechnen. Abubakar dagegen ist zwar ebenfalls ein Muslim aus dem Norden, aber aus einer sehr peripheren Region, nicht aus dem muslimischen Kernland… Keiner kann im Moment sagen, inwieweit Abubakar imstande ist, im Süden Wähler anzusprechen.“

Überhaupt sei es schwierig, sich Nigeria als Ganzes zu denken. Das Land besteht aus 36 Bundesstaaten. „Sich da die Machtverhältnisse und Bündnisse im Detail anzusehen, würde viel Zeit kosten…“

(vatican news)
 

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15. Februar 2019, 09:01