Kardinal Barbarin: „Ich hatte schon vorher Kontakt mit dem Papst“
Mario Galgano und Stefan von Kempis - Vatikanstadt
Eine knappe Mitteilung folgte am Dienstag. Da war Kardinal Barbarin bereits beim Papst gewesen und hatte, wie vorher angekündigt, seinen Rücktritt eingereicht. Der Papst teilte ihm bei der Audienz mit, dass er diesen Rücktritt nicht annehmen werde. Im Gespräch mit KTO erläutert der Kardinal, wie die Unterredung mit dem Papst verlief:
„Ich hatte schon vorher Kontakt mit dem Papst. Er hat den Prozess mitverfolgt und mich eines Tages angerufen und gefragt: An welchem Punkt stehen wir jetzt? Und ich habe mit ihm ein Treffen für hinterher vereinbart; da wusste ich noch nicht, welches Urteil das Gericht fällen würde. Ich habe ihm gesagt: Meine Absicht ist es, meine Mission wieder in Ihre Hände zu legen. De-mission (deutsch: Rücktritt) scheint mir im Fall eines Bischofs nicht das richtige Wort; es geht hier um eine Mission, eine pastorale Aufgabe. Wir haben also einen Termin vereinbart und daran auch nach dem 7. März, als das Urteil gefällt wurde, nichts verändert.“
Einen Neubeginn möglich machen
Barbarin äußerte in dem Interview Verständnis für jene, die die Nicht-Annahme seines Rücktritts durch den Papst nicht verstünden. Er selbst gehöre auch zu dieser Gruppe, denn er habe das Gesuch ja eingereicht. „Aber in der Kirche gehorcht man dem Papst. Der Papst sagte zu mir: Ich möchte keine Entscheidung treffen, es liegt an Ihnen, dies zu tun.“
Im Gespräch mit Franziskus an diesem Montag sei es nicht nur um seinen Fall gegangen, sondern auch um andere Themen, die das Erzbistum Lyon betreffen, etwa um den Antrag, den heiligen Irenäus von Lyon zum „Lehrer der Einheit der Kirche“ zu erheben. Zu seiner Auszeit an der Spitze des Erzbistums sagt Barbarin:
„Ich hatte das dem Papst schon vorgeschlagen, ganz unabhängig davon, wie das Gericht urteilen würde, weil das Bistum schon seit langer Zeit sehr leidet. Mich hat sehr bewegt, dass ein Missbrauchsopfer während des Prozesses gesagt hat: ‚Ja, Sie leiden jetzt seit drei-vier Jahren, aber ist Ihnen eigentlich klar, dass wir schon seit dreißig oder vierzig Jahren leiden?‘ Das ist furchtbar… Ich habe also über die Opfer und über unser Bistum nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass jetzt eine neue Seite aufgeschlagen werden und ein Neubeginn möglich werden sollte. Das war eine harte Prüfung für alle – nicht nur für mich, sondern in erster Linie für sie.“
Viel gelernt während des Prozesses
Er habe während des Prozesses viel gelernt, so der Kardinal weiter. Das Gute an einem solchen Verfahren sei, dass vor Gericht einer dem anderen zuhören müsse; da habe er festgestellt, dass es etwas ganz anderes sei, Missbrauchsopfer selbst von ihrem Leid berichten zu hören, selbst wenn man das alles schon vorher in irgendeinem Dossier gelesen habe. Nun werde er sich fürs erste „wohl in ein Kloster zurückziehen“.
Auf die Frage, was er sich jetzt für sein Bistum wünsche, sagt der Kardinal: „Ein bisschen Frieden. Denn das Leid ist groß. Ich glaube, das Bistum muss jetzt mit einem neuen Elan aufbrechen können, denn das Bild, das sich in den letzten Jahren nach außen gezeigt hat, war sehr schwer zu ertragen – nicht nur für mich, sondern für unser ganzes Bistum. Ich hoffe, dass sie mit einer Art Freiheit, die der Herr ihnen hoffentlich geben wird, neu aufbrechen.“
Ob und wie er zurückkommen werde an die Spitze des Erzbistums, darüber wisse er nichts, sagt Barbarin. Das hänge davon ab, „ob der Berufungsprozess sehr lange dauert oder ob das nur ein paar Monate werden“.
(kto/vatican news)
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