Missbrauch: „Nur wenn Leute darüber reden, kann es Lösungen geben"
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Seit der vatikanischen Kinderschutz-Konferenz vor vier Wochen verzeichne das „Centre for Child Protection" (CCP) noch mehr Nachfrage nach Schulungen als sonst, hebt sie hervor.
Alessandra Campo: „Wir haben gesehen, dass es vermehrt Anfragen gibt. Mehr Leute, oder besser gesagt Institutionen, wollen das Programm machen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass eine der guten Konsequenzen dieser Konferenz sein kann, dass es ein höheres Bewusstsein gibt darüber, dass eine gute Bildung eine sehr wichtige Rolle für die Prävention spielen kann.“
Vatican News: Was ist aus Ihrer Sicht am wichtigsten, damit das Bewusstsein über Kindesmissbrauch weiter wächst?
Alessandra Campo: „Meiner Meinung nach und unserer Erfahrung hier im Kinderschutzzentrum entsprechend ist es wirklich wichtig, dass die Leute über Themen wie Kindesmissbrauch und Sexualität reden, damit die Kinder die Worte dafür haben, das zu erzählen, mit den Eltern darüber zu sprechen, aber auch, damit es in der Gesellschaft, in der Kirche und in verschiedenen Kontexten ein offenes Gespräch gibt. Das ist das Wichtigste, dass es die Möglichkeit gibt, darüber zu reden, damit die Betroffenen das zeigen können. Nur wenn Leute darüber reden, können Lösungen gefunden werden. Das ist wahrscheinlich etwas, das es in der Vergangenheit nicht genug gab, aber jetzt können Sie wirklich etwas Neues in dieser Richtung sehen.“
Vatican News: Das Kinderschutzzentrum (CCP, Centre for Child Protection) wird von Pater Hans Zollner SJ geleitet, es führt Schulungen durch und stellt E-Learning-Programme zur Verfügung, damit Menschen in der Kirche, und zwar weltweit und kulturübergreifend, ein besseres Bewusstsein für das Thema Missbrauch entwickeln. Dieses Angebot besteht jetzt schon seit einigen Jahren, welche Rückmeldungen erhalten Sie?
Alessandra Campo: „Wir arbeiten nicht mit Fällen und mit Betroffenen, weswegen wir kein Feedback in Form von Statistiken, Daten und so weiter bekommen. Aber natürlich sehen wir die Rückmeldungen unserer Partnereinrichtungen, wenn sie das Programm durchführen oder Studenten nach Rom senden, um das Diplom oder die Lizenz zu machen. Wir haben gesehen, dass es ein höheres Bewusstsein gibt. Viele, die anfangen, mit uns zu arbeiten, bleiben unsere Partner und möchten über Jahre mehrere Kurse mit uns entwickeln. Das bedeutet, dass sie sich wahrscheinlich bewusst werden, dass das Problem besteht und dass es wichtig ist, ein gutes Bildungsprogramm zu erstellen, damit die Leute ein besseres Bewusstsein dafür entwickeln und besser über dieses Problem reden können.“
Vatican News: Was genau lernen die Leute in Ihren Kursen?
Alessandra Campo: „Das hängt davon ab, auf welchem Niveau sie sind und was sie für ihre jeweilige Arbeit lernen müssen. Sind sie Lehrer an der Schule, Priester, Ordensleute, Mitarbeiter der Diözese? Es gibt viele verschiedene Sorten von Zielgruppen. Natürlich heißt das, dass es auch viele verschiedene Sorten von Programmen gibt.“
Vatican News: Und wenn die Zielgruppe und der Bedarf abgesteckt sind, welche typischen Lehrangebote stellen Sie zur Verfügung?
Alessandra Campo: „Was sind die Risikofaktoren, die Konsequenzen des Missbrauchs? Wer sind die Täter? Warum gibt es Menschen, die Kinder missbrauchen? Wie kann man mit den Betroffenen reden? Was sind die spirituellen Konsequenzen des Missbrauchs? Was sagt die Kirche darüber? Wie lauten die Gesetze zu diesem Thema, besonders in der Kirche? Es gibt wirklich viele verschiedene Themen, und Sie können das Programm auf verschiedenen Niveaus entwickeln. Es hängt ein wenig davon ab, was Sie lernen müssen – für Ihre Arbeit, Ihre Mission und so weiter.“
Vatican News: Welche Rolle spielen Frauen in der kirchlichen Missbrauchsprävention?
Alessandra Campo: „Es stimmt, dass die Rolle der Frau in diesem Bereich sehr wichtig sein kann. Natürlich haben die Frauen eine besondere Sensibilität und können deswegen viel beitragen. Wir wissen auch, dass Frauen wissen, was es bedeutet, verwundbar zu sein. Wir haben das in der Geschichte gelernt - und es gibt noch viele Kulturen, wo das Problem besonders besteht. Deswegen können die Frauen nicht besser, aber besonders gut verstehen, was es bedeutet, von Missbrauch betroffen zu sein.“
(vatican news)
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