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Hans Zollner SJ, Leiter des Kinderschutzzentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana Hans Zollner SJ, Leiter des Kinderschutzzentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana 

Kinderschutz: „Vatikan soll nachlässige Bischöfe einheitlich behandeln"

Der Vatikan muss darüber nachdenken, wie er Bischöfe und Ordensobere, die Missbrauch nicht anzeigen, an den einzelnen Kurienbehörden in Zukunft einheitlich behandeln kann. Das empfiehlt der deutsch-römische Jesuit und Kinderschutzfachmann Hans Zollner drei Wochen nach der vatikanischen Kinderschutzkonferenz, die er mitorganisiert hatte. Im Gespräch mit Vatican News warnt Zollner auch vor der Illusion, das Thema Missbrauch werde rasch von der Bildfläche verschwinden. Es habe im Gegenteil ein neues Stadium der Aufmerksamkeit erreicht, was Zollner als hilfreich bewertet.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Zum Nachhören

Am Heiligen Stuhl sei bereits ein Gesetz in Kraft, das reglementiert, was geschieht, wenn ein Bischof oder Ordensoberer die kirchenrechtlichen Normen über die Anzeige von Missbrauch ignoriert. „Wir brauchen eine Klärung, wie dieses Gesetz bei den verschiedenen Ministerien der Kirche, also bei den Kongregationen oder Dikasterien hier in Rom, eine einheitliche Anwendung finden kann“, sagte Zollner.

Seit der Kinderschutzkonferenz stehe auch das sogenannte „päpstliche Geheimnis“ auf dem Prüfstand, also die strenge Geheimhaltepflicht, die eigentlich kirchliche Verwaltungsvorgänge betrifft, in der Vergangenheit aber auch dazu herhielt, die Aufarbeitung von Missbrauch zu erschweren. Zollner: „Es gibt Fachleute, die nicht einsehen, warum diese Art von höchster Geheimhaltungsstufe, was Dokumentation angeht, anwendbar sein müsste, wenn es sich um Anklagen und Verfahren von Kindesmissbrauch handelt; da sind die normalen Grundlagen des Kirchenrechts genauso wie im staatlichen Recht vollkommen ausreichend.“

„Die Erwartung, dass das in einem Jahr oder zwei vorbei wäre mit dem öffentlichen Interesse, halte ich für eine gefährliche Illusion“

Das Thema Missbrauch werde die Kirche noch auf Jahre hinaus begleiten, fuhr Zollner fort. „Ich glaube, dass die öffentliche Wahrnehmung stark bleiben wird. Meines Erachtens sind wir da auch erst am Anfang“, sagte Zollner mit Blick auf unterschiedliche Gegebenheiten in der Weltkirche. „In Indien, Polen oder Teilen Afrikas kommt dieses Thema jetzt erst an die Öffentlichkeit. Die Erwartung, dass das in einem Jahr oder zwei vorbei wäre mit dem öffentlichen Interesse, halte ich für eine gefährliche Illusion.“ Dem Kinderschutz helfe es jedenfalls, wenn die Verantwortlichen in der Kirche ein klares Bewusstsein darüber haben, wie dringend das Thema sei „und wie sehr wir uns bemühen müssen, dass nicht nur die Aufarbeitung gut geschieht, sondern dass wir alles tun, dass auch heute kein Missbrauch geschieht“.

Der Fall George Pell

Die Verurteilung von Kardinal George Pell wegen Missbrauchs in Australien kommentierte der Psychologieprofessor mit den Worten, in einem demokratischen Staat müsse man der Justiz vertrauen. Andererseits könne niemand bestreiten, dass die öffentliche Meinung Menschen und eben auch Jurymitglieder beeinflusse. „Wie stark das ist, muss auch jeder, der Mitglied einer Jury ist, mit seinem oder ihrem Gewissen vereinbaren“, so Zollner. „Wir werden sehen, wie das ausgeht auch im Berufungsverfahren, das Kardinal Pell angestrebt hat; das können wir nicht voraussehen.“ 

Schon seit dem Fall des US-amerikanischen Kardinals Theodore McCarrick vergangenen Sommer stehe die Kirche „in einem anderen Stadium von Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauch“, hob der Kinderschutzexperte hervor: Es gehe nicht mehr um den einzelnen Fall, sondern um „das System Kirche“ insgesamt. „Es steht die Frage im Raum, wie konnte es sein, das so lange und über so viele Fälle geschwiegen wurde; dass die Leute nicht angezeigt wurden, was sowohl das Kirchenrecht als auch das staatliche Recht gefordert hätten. Wie konnte es sein, dass Fälle vertuscht wurden über so lange Zeit? Das sind Dinge, die auch einen Staat und die Öffentlichkeit berechtigterweise unruhig machen und danach fragen lassen, ja – wollt ihr, Kirche, den staatlichen Gesetzen folgen oder nicht? Wenn ihr das nicht wollt, dann werden wir sie einfordern. Das ist natürlich auch der Position der Kirche offiziell schon seit 2011, als die Glaubenskongregation in ihrem Brief klar gesagt hat, ihr Kirchenvertreter in den Ländern müsst die Gesetze einhalten in dem Staat, in dem ihr lebt, und ihr müsst mit den Autoritäten dieses Staates aktiv zusammenarbeiten.“

In Deutschland war Enttäuschung besonders groß

In Deutschland hat Zollner eigenen Angaben zufolge unmittelbar nach der Kinderschutzkonferenz ein hohes Maß an Enttäuschung über den Ausgang des Gipfels wahrgenommen. „Ich glaube, dass da auch viele Dinge eine Rolle spielen, die mit generellen Erwartungen an Veränderungen in der Kirche zu tun haben, die auf diesem Treffen nicht auf der Tagesordnung standen und nicht stehen konnten: eine Auseinandersetzung mit der Sexualmoral, Fragen der Abschaffung von Zölibat, die Frage der Einbindung von Frauen in Ämter der Kirche – das waren keine Themen, die bei diesem Treffen behandelt werden konnten.“

Der Sinn der Wut

Die Wut der Menschen, die öffentliche Entrüstung über die Kirche und ihren fehlerhaften Umgang mit Missbrauch in vielen Ländern, muss in der Kirche etwas auslösen, sagte Pater Zollner. Allgemein betrachtet, sei zwar Wut „meistens kein gutes Mittel, um etwas voranzubringen, weil Wut sehr diffus ist und sich auf viele Dinge überträgt, die mit der Lösung eines bestimmten Problems nicht leicht zu verbinden sind. Die ganze Empörung, Wut, Zorn, Aufregung, die wir jetzt sehen, die etwa in Irland oder Australien schon länger da ist, zeigt, dass da viel Energie ist, die man auch positiv nutzen könnte.“ Vor allem müsse die Empörung dazu führen, „dass alle, die in der Kirche irgendetwas zu sagen haben, und das sind im Grund alle Mitglieder, an dem Ort, wo sie sind, und in der Weise, die ihnen möglich ist, etwas tun, damit das Thema Missbrauch und Verhinderung von Missbrauch präsent bleibt.“

Ausnahmslos allen in der Kirche müsse bewusst werden, dass Prävention „nicht in einer Sonderwelt und als Sonderthema“ behandelt werden kann, „sondern als etwas, was hineingehört in die Planung, in die Arbeit von Pfarreien, Schulen, Krankenhäusern, Waisenhäuser, von Pfarreien, Diözese, Ordensgemeinschaften, als etwas, was normal zu den Überlegungen dazugehört.“ Mit dem Schreiben von Leitlinien sei es nicht getan, verdeutlichte Zoller. Es gehe um eine neue Einstellung. „Erst dann, wenn kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle, die in einer Pfarrei aktiv sind oder sich auch nur am normalen Gemeindeleben beteiligten, wissen, spüren und so handeln, dass Kinder und Jugendliche in unserer Mitte sicher sind, dann ist das Ziel Prävention erreicht.“

(vatican news)

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14. März 2019, 16:48