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Syrien: Kathedrale in Aleppo wieder offen

Vier Jahre lang wurde Aleppo belagert: von 2012 bis Ende 2016. Seitdem haben die Soldaten der Regierung Assad das Sagen in der früheren Wirtschaftsmetropole Syriens. Ein Großteil der Stadt liegt in Trümmern, der Wiederaufbau verläuft schleppend.

Da ist es eine hoffnungsvolle Nachricht, dass die katholisch-melkitische Kathedrale von Aleppo jetzt wieder in Dienst genommen worden ist. Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde die Heimgang-Mariens-Kirche letzte Woche wiedereröffnet: „Ein Zeichen für die Wiederkehr Syriens, wie es früher war, in all seiner Schönheit und Lebendigkeit“, sagte der melkitische Patriarch von Antiochien, Yousef Absi.

„Es war ein sehr schönes und sehr tröstliches Ereignis“, erzählt uns der päpstliche Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari. „Das ist die zweite katholische Kathedrale von Aleppo, deren Restaurierung abgeschlossen ist; an zwei anderen Kathedralen sind solche Arbeiten noch im Gang. Das ist ein erster Schritt: die Schäden an diesen heiligen Orten auszubessern. Ein notwendiger Schritt, aber nicht der wichtigste – denken wir nur an die anderen Schäden, die diese Kirchen davongetragen haben.“

Zum Nachhören

Der schlimmste Schaden ist die Emigration von Christen

Damit zielt der Papstgesandte in Syrien vor allem auf die Ausblutung der christlichen Gemeinschaften im Land. Wieviele Christen sich nach acht Jahren Krieg noch in Syrien aufhalten, ist unbekannt; Zehntausende sind jedenfalls ins Ausland geflohen, und Gesetzesinitiativen des Assad-Regimes erschweren ihnen die Rückkehr, von der die meisten träumen.

„Gehen wir einmal davon aus, dass die Hälfte oder mehr der Christen in Syrien emigriert sind! Die Statistiken von Aleppo sind etwas glaubwürdiger als andere; sie sprechen von mehr als zwei Dritteln Christen aus Aleppo, die das Land verlassen haben. Das ist ein viel schlimmerer Schaden als die materiellen Schäden an einer halbzerstörten Kathedrale.“

„Rückkehr nur tröpfchenweise“

Der Wiederaufbau der Kirchen soll die Christen wieder in ihre Heimat locken, das gibt Kardinal Zenari offen zu. „Man hat zwar bisher die Rückkehr einiger Christen erlebt, aber nur tröpfchenweise – das tut wirklich weh, vor allem, dass gerade junge Christen dem Land den Rücken kehren. Das macht sich in unseren Gemeinden schon bemerkbar, es fehlen die Jungen. Oft muss ich an das berühmte Kruzifix von San Damiano (in Assisi) denken, das zum heiligen Franziskus sagte: Franziskus, bau mein Haus wieder auf, das in Trümmern liegt! Diese acht Jahre Krieg haben auf Syrien wie ein Erdbeben gewirkt, sowohl in der Gesellschaft als auch in den einzelnen Kirchen.“

Dass der Nuntius sogar mit Blick auf die Katholiken das Wort Kirche immer im Plural benutzt, hat seinen Grund: In Syrien gibt es nämlich nicht nur römische Katholiken. Die wichtigste katholische Gruppe unter den mit Rom unierten Ostkirchen stellen die Melkiten, die vor allem im Landesinnern leben bzw. lebten. Eine wichtige Rolle spielen auch die Maroniten, die im Nachbarland Libanon die größte christliche Gemeinschaft stellen.

Auch die geistlichen Schäden beheben

„Die Kirchen hier in Syrien sind damit beschäftigt, die materiellen Schäden an ihren Kirchen zu beheben, aber zugleich haben sie auch schon damit begonnen, die geistlichen Schäden anzugehen. Vor einiger Zeit habe ich in Aleppo am Abschluss der sogenannten Synode der katholischen Kirchen der Stadt teilgenommen. Es gibt in Aleppo sechs katholische Bischöfe, sechs katholische Bistümer, und seit etwas mehr als einem Jahr haben sie damit begonnen, sich gegenseitig zu treffen: Bischöfe, Priester, Ordensleute, Gläubige. Da habe ich mir gedacht: Wir sind auf dem richtigen Weg. Dieser Ruf des Kruzifixes von San Damiano wird auch hier gehört…“

Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ schätzt, dass von 300 Pfarreien auf syrischem Boden etwa 120 die teilweise oder völlige Zerstörung eines ihrer zentralen Gebäude erlebt haben. Damit sind nicht nur Kirchen gemeint; das kann auch der Kindergarten oder eine Schule sein. In Aleppo wurde namentlich die armenisch-apostolische Märtyrerkirche zerstört, dazu der griechisch-orthodoxe Friedhof, die maronitische Elia-Kathedrale, das Jesuitenkloster Deir Vartan und die katholische Kirche St. Assia, die aus dem 16. Jahrhundert stammt und damit einer der ältesten Bauten der Stadt ist.

Wenn sich das Fenster zur Welt immer mehr schließt

Aber Kardinal Mario Zenari insistiert: Der Exodus von Christen aus Syrien ist die schlimmste aller Zerstörungen. „Ich sage immer: Der Schaden durch die Emigration von Christen (die ja mehr oder weniger zwangsweise ist) trifft nicht nur diese Kirchen, sondern auch die ganze Gesellschaft. Die Christen waren schon sieben Jahrhunderte vor den Muslimen hier; sie haben im Lauf der Jahrhunderte viel beigetragen, vor allem mit den Schulen, mit den Krankenhäusern und auch in der Politik. Aus meiner Sicht sind die Christen für die syrische Gesellschaft so etwas wie ein offenes Fenster zur Welt – sie geben einen offenen, universellen Beitrag. Und bei jeder Familie, die das Land verlässt, sehe ich leider, wie sich dieses Fenster zur Welt immer weiter schließt.“

Die katholischen Kirchen, die dem östlichen Kalender folgen, haben an diesem Wochenende Ostern gefeiert – die römische Kirche mit ihrem westlichen Kalender schon eine Woche früher. „Das war ein sehr schönes, sehr tröstliches Ostern. Die Leute sind zu den Osterfeierlichkeiten gekommen, das war ein tröstlicher Moment für alle. An Weihnachten hatten wir ja zum ersten Mal die Gelegenheit, wirklich ohne Bomben zu feiern… Ein großer Trost. Ein großer Trost für unsere Kirchen und unsere Christen, Ostern in Frieden zu feiern.“

(vatican news – sk)
 

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29. April 2019, 10:54