Belarus: Gedenkkreuze für Stalin-Opfer beseitigt
Das Waldstück Kurapaty liegt im Norden der weißrussischen Hauptstadt Minsk am Autobahnring. Hier erschoss der sowjetische Geheimdienst von 1937 bis 1991 Zehntausende Menschen und verscharrte sie. Später pflanzte man Kiefern über den Massengräbern. An die laut Schätzungen bis zu 250.000 Mordopfer erinnern jetzt nur noch ein schlichter Gedenkstein sowie eine Bank, die die USA 1994 stifteten, als ihr damaliger Präsident Bill Clinton den Ort besuchte. Denn die Regierung schickte vor einer Woche Bagger und ließ alle rund 70 Holzkreuze beseitigen, die Aktivisten hier in den vergangenen Jahren errichteten.
„Wir werden Kurapaty aufräumen, egal ob es jemand mag oder nicht“, hatte der mit harter Hand regierende Staatspräsident Alexandr Lukaschenko zuvor angekündigt. Der Präsident ist zwar nicht grundsätzlich gegen eine Gedenkstätte an diesem Ort. Doch das Wie will gefälligst er selbst bestimmen, keine Privatinitiative. Gegen die Entfernung der fünf Meter hohen Gedenkkreuze protestierten noch am selben Tag in Kurapaty etwa 200 Menschen mit einer Mahnwache. Die Polizei nahm 15 von ihnen vorübergehend fest, weil sie die Arbeiter der Forstverwaltung bei ihrem Job behindert hätten. Seither hält der Protest gegen den Abtransport der Kreuze an.
Orthodoxe Priester beteten demonstrativ
Orthodoxe Priester beteten demonstrativ mit Gläubigen in Kurapaty. Das weißrussische PEN-Zentrum, Minsker Menschenrechtsorganisationen und der unabhängige Journalistenverband des Landes, BAJ, warfen der Regierung in einer gemeinsamen Erklärung einen „Akt des Vandalismus“ vor. Sie forderten die Behörden auf, die Kreuze wieder an ihren Platz zurückzubringen.
Der katholische Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz kritisierte den Abriss der Kreuze ebenfalls: „Das Kreuz ist ein Symbol der unendlichen Liebe Gottes für die Menschheit!“ Die Beseitigung dieser Symbole erfülle ihn mit Schmerz und Trauer. Er forderte eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Gedenkstätte. Kondrusiewicz hatte Kurapaty in der Vergangenheit als „unser Golgota“ bezeichnet. Gerichte verurteilten mehrere Demonstranten von Kurapaty inzwischen zu 15-tägigen Haftstrafen. Unter ihnen sind auch der Chef der Sozialdemokraten, Mikolaj Statkewitsch, und der Ko-Vorsitzende der Belarussischen Christdemokraten (BCD), Pawel Severinets. Beide Oppositionspolitiker sind keine Abgeordnete. Im Parlament sitzen fast nur Gefolgsleute von Lukaschenko.
Blasphemie-Vorwurf
Der andere BCD-Ko-Chef Wital Rymascheuski sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Die Demontage der Kreuze in Kurapaty am letzten Tag der orthodoxen Fastenwoche für das Kreuz, das in den Kirchen besonders verehrt wird, ist Blasphemie.“ Auf die „ungesetzliche Gewalt“ könne man nur mit Solidarität antworten. „Jetzt ist die Zeit, um die nationale Erinnerung zu verteidigen und die Menschen zu beschützen, die vom Regime angegriffen werden“, so Rymascheuski. Staatschef Lukaschenko plant in Kurapaty nach eigenen Worten ein bescheidenes Denkmal. Zudem solle die „Clinton-Bank“ restauriert werden, kündigte er Anfang März an. Sie war von Unbekannten immer wieder beschädigt worden. Das Forstministerium betonte am Donnerstag, die Kreuze hätten nichts mit der Erinnerung an den stalinistischen Terror zu tun. Jene, die sie aufgestellt hätten, würden sie nun zurückerhalten, wenn sie die notwendigen Papiere vorlegen könnten.
(kna –mg)
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