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Jean-Marc Sauvé Jean-Marc Sauvé 

Frankreich: Kommission bittet Missbrauchs-Opfer um Aussage

Die unabhängige Kommission zu Missbrauchsskandalen in der Kirche, kurz CIASE, bittet ab sofort Betroffene um ihre Aussage. Menschen, die seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von Priestern oder Ordensleuten in Frankreich missbraucht wurden, sollen bitte ihr Schweigen brechen.
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Der nationale Aufruf wurde auch von den Medien, etwa „Le Monde“, breit aufgegriffen. Die französischen Bischöfe und Ordensoberen haben die Kommission, die 22 Mitglieder hat, im vergangenen November eingesetzt. Ihr Leiter ist Jean-Marc Sauvé, früherer Vizepräsident des französischen Staatsrats (das ist das höchste Verwaltungsgericht des Landes).

„Ich weiß nicht, was die Ermittlungen ergeben werden, die wir jetzt anstoßen“, sagt Sauvé im Gespräch mit Radio Vatikan. „Aber eines ist sicher: Wir tun alles, um das Thema sexueller Missbrauch in der Kirche so tief wie möglich auszuloten. Warum es zu Missbräuchen gekommen ist, und wie man sie bekämpfen kann. Das wird uns dann erlauben, Empfehlungen zu geben, die möglichst ausgewogen sind.“

„Das ist eine gigantische Arbeit“

Ende 2020 will die Kommission einen entsprechenden Bericht mit Empfehlungen vorlegen. Ihr Missbrauchs-Begriff ist ein sehr weiter, alle Formen von Übergriffen oder Belästigungen fallen darunter. Der Aufruf, sich zu melden, richtet sich auch nicht nur an Menschen, die zur Tatzeit minderjährig waren, sondern auch an Erwachsene.

„Das ist eine gigantische Arbeit, die sehr an einem zehrt. Aber das ist gleichzeitig eine Arbeit, die einen begeistert stimmt – denn uns allen ist klar – ganz gleich, welche Überzeugungen, auch religiöse, wir haben –, dass wir da eine Mission von allgemeinem Interesse und größter Wichtigkeit wahrnehmen. Sie betrifft heute die katholische Kirche, könnte aber dann auch andere Bereiche der französischen Gesellschaft etwas angehen, die ebenfalls mit Problemen von sexuellem Missbrauch konfrontiert sind.“

Starker Druck der Medien

„Nichts wird sich ändern können, wenn man nicht als allererstes den Opfern und Zeugen von sexuellem Missbrauch das Wort gibt“: Dieser Satz steht auf der Homepage der französischen Bischofskonferenz. Ein Jahr lang sollen die Ermittlungen dauern, die an diesem Montag starteten. Eingerichtet wurden eine Telefon-Hotline, eine Mailadresse (victimes@ciase.fr) und ein Brieffach. Die Aussagen, die auch anonym abgegeben werden können, werden von Experten ausgewertet; Sozialwissenschaftler, sogar Umfrageinstitute, werden einbezogen.

„Es stimmt schon, dass wir einen ziemlich starken Druck der Medien spüren, hier und da auch Zweifel daran, ob der Kirche wirklich an einer umfassenden Aufklärung gelegen ist. Ich glaube, dass die Kommission wirklich glaubhaft ihre völlige Unabhängigkeit behaupten kann; sie wurde ohne jedwede Einmischung von außen zusammengestellt, und wie sie vorgehen will, hat sie ganz allein festgelegt. Wir haben natürlich nicht unbegrenzte Finanzmittel zur Verfügung, aber wir wollen alles tun, um die Öffentlichkeit zu beruhigen: Sowohl die katholische Kirche als auch die Kommission, die ich leite, sind dazu entschlossen, wirklich alles aufzuklären.“

Blick in die Archive

Dazu gehört auch der scharfe Blick in die Archive von Bistümern und Orden. Wobei die Kommission (wie bei einer vergleichbaren Studie vom letzten Jahr in Deutschland) natürlich auch auf guten Willen und Mitarbeit in diesen Archiven angewiesen ist. Auch die Archive der Justiz und der Presse wollen die Ermittler durchforsten. Und sie planen zwei Studien: eine anthropologische und qualitative über Missbrauch in der Kirche, die andere zur Frage, ob Missbrauch in der Kirche häufiger ist als in anderen gesellschaftlichen Gruppen.

Auf die Frage, wie er zu den Bemühungen von Papst Franziskus gegen Missbrauchsskandale steht, sagt Jean-Marc Sauvé: „Der Papst hat mit seinem ‚Brief an das Volk Gottes‘ vom August letzten Jahres, dem (Kinderschutz-) Gipfel (im Vatikan) und einem ‚Motu proprio‘ eine sehr ehrgeizige Arbeit angefangen. Das ‚Motu proprio‘ definiert einen neuen Straftatbestand, nämlich das Vertuschen von sexuellem Missbrauch durch einen Vorgesetzten, etwa einen Bischof – das schafft beinahe eine Verpflichtung zur Anzeige. Eine sehr wichtige Arbeit, die da auf dem Niveau der Weltkirche geleistet wird.“

Aber was die französische Kommission leisten wolle, sei etwas anders gelagert, präzisiert Sauvé. „Wir haben ein Territorium, das französische. Dazu führen wir Untersuchungen und geben Empfehlungen ab. Das gilt für die französische Kirche ganz speziell. Natürlich gehört sie zur Weltkirche; aber es gibt doch in Frankreich ganz spezifische Interaktionen zwischen dem staatlichen und dem kirchlichen Recht, und die müssen wir konkret beleuchten.“

(vatican news – sk)

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04. Juni 2019, 11:59