Schamane und Christen: Die Magie des Amazonas
P. Bernd Hagenkord – Manaus/Vatikanstadt
Er betet, er erkennt die Krankheiten und weiß auch, mit welcher Pflanze oder welcher Baumrinde man die bekämpfen kann: Pajé nennen die Indigenen seine Aufgabe, er ist Spezialist für Rituale, für Heilungen, ein Schamane und der erste, der um Rat und Hilfe gerufen wird. Denn er hat diese besonderen Gaben.
Raimondo Mariel da Rocha Filho ist ein solcher Pajé, er gehört zum Volk der Mura und lebt in Murutinga, am Fluss Maderinha. Er habe die Gabe, sich um andere zu kümmern von Gott empfangen, sagt er. „Ich war noch ein Junge, ich war etwa 10 Jahre alt. Jetzt bin ich 83“, erzählt er den Besuchern. „Das funktioniert vor allem, wenn ich träume und die Personen sehe. Dann bin ich nahe an ihnen und ihren Problemen dran. Dann weiß ich, welche Art von Krankheit eine Person hat und welche Medizin sie braucht. Wenn jemand etwa Tuberkulose hat, dann gehst du zu diesem Baum, nimmst die Schale ab, machst daraus Tee und gibt ihn ihnen.“ Gelernt hat er das nicht, auch nicht von anderen Pajés, das kommt von Gott, sagt er.
Ein Pajé ist immer schon da
Die Pajé seien immer schon da, wenn Pfleger von den Gesundheitsposten zu einem Kranken kämen, wird uns berichtet. Das sei aber kein Problem, die Pajé wüssten genau, wo sie helfen könnten und wo es medizinische Hilfe von außen bräuchten.
„Hier finden Sie verschiedene Arten von Krankheiten: Krebs, Cholesterin, Diabetes und andere Arten von Krankheiten. Dann werde ich für die Person beten und sehen, welche Art von Krankheit er hat, damit ich die Medizin herstellen kann. Und wenn ich nicht helfen kann, dann schicke ich den Arzt, um ihm eine andere Art von Medizin zu geben, weil meine nicht helfen kann. Die Medizin, die ich gebe, ist nur hausgemacht.“
Wir Besucher wollen natürlich wissen, wie man sowas wird: Pajé. Ob es Riten der Einführung gibt, Liturgien, Initiation. Aber damit denken wir viel zu westlich. Er habe die Gabe als Kind empfangen, und seitdem riefen ihn die Leute, berichtet Raimondo da Rocha. „Die Leute rufen mich immer wieder, ich gehe auch manchmal in ein anderes Dorf, weil nicht jede Gemeinschaft ihren eigenen Pajé hat.“ Man wird Pajé dadurch, dass die Leute ihn rufen und ihm vertrauen. Andere Regeln oder gar Initiationen gibt es nicht.
Und doch hat es auch etwas mit Religion zu tun, mit Gebet und Ritual. Ob er mit anderen Religionen zu tun habe, fragen wir Raimondo Rocha, mit Pastoren oder Priestern: „Nein, nur mit Katholiken“, so seine trockene Antwort.
Und das hat seinen Grund, wie uns Amelia Braga Cabral erzählt, auch sie ist eine Mura und organisiert die kleine katholische Gemeinschaft im Dorf. Nicht alle christlichen Konfessionen würden die indigene Kultur und damit die Rolle des Pajé akzeptieren, erzählt sie. „Es gibt Konflikte, Konflikt mit unserer Kultur. Denn die Religionen wie die Adventisten und die Assembleia [de Deus, eine pentekostale Kirche] sagen, dass wir nicht zu unserem Pajé gehen dürfen, nicht zu unserem Schamanen. Die sagen der kann nichts und sei schon gar nicht eine religiöse Figur. Wir haben aber eine ganz andere Tradition, wir wissen, dass der Baum lebt und Medizin gibt. Der Baum ist etwas Wichtiges, für die ist es aber nur ein Baum, der kann weg.“ Ihnen würde von den neuen Kirchen vorgeworfen, das sei alles Dämonisch.
Evangelikale versprechen Wohlstand
Die Evangelikalen breiteten sich aus, erzählt Amelia Cabral, vor allem weil sie Wohlstand versprächen und auch schenkten, sie kämen von außen, im Dorf seien einmal Prediger aus Korea gewesen um ihnen zu sagen, dass ihre Kultur dämonisch sei. Aber sie seien halt immer da, im Dorf, während der Priester nur ab und zu vorbeikäme. Dauernd machten sie Hausbesuche und kümmerten sich, das zeige Wirkung. Da könne die katholische Kirche nicht mit.
„Ich streite mich mit ihnen, weil die uns zum Beispiel sagen, dass bei Todesriten keine Bilder aufgestellt werden dürfen. Da halte ich dagegen“, berichtet die Gemeindeleiterin. Sie als Katholikin habe kein Problem mit dem Pajé und auch die Patres nicht, man respektiere sich gegenseitig. Nur mit den neuen Kirchen sei das voller Konflikte. Der Wald, das sei halt nicht nur wie die Evangelikalen sagen Kapital oder Hindernis, sondern Schöpfung. Sie habe den Traum, dass Amazonien als Lebensraum und Kulturraum erhalten bliebe, sagt sie. „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Negativbeispiele erlebt, Staudämme etwa, und daran kann man sehen was passiert, wenn hier jeder herkommt und einfällt und Bodenschätze abräumen will. Ich hoffe, dass wir hier leben bleiben können und nicht weiter eingeschränkt und eingeschlossen werden.“
Diese Aufgabe würde von der Kirche, aber eben nicht von allen Christen mitgetragen. „Ich glaube, dass wir Katholiken vor Ort eine Aufgabe haben. Vielleicht müssen wir uns re-katholisieren. Denn die neuen Kirchen kommen und dann werden wir die nie mehr los. Der katholische Glaube lehrt uns die Schöpfung zu respektieren, und daran müssen wir festhalten.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.