Tom Stang: „Die Synode stellt alles dar, wofür meine Schwester lebte und starb“
Schwester Dorothy hatte sich unermüdlich für die Belange der Armen eingesetzt und wurde dafür 2005 von Auftragsmördern hingerichtet. In der Synodenaula war die Erinnerung an Dorothy sehr präsent: Ihr Abbild prangte mit dem von weiteren Märtyrern, die ihr Leben für den Kampf um Umweltschutz und Menschenrechte hingegeben haben, am Kopfende des Saales, genau dort, wo der Papst während der Beratungen mit den Synodenteilnehmern saß. Schwester Dorothy hatte zeitlebens gegen eine Art von Profitgier gekämpft, die Mensch und Umwelt zynisch missachtet – genau die Art von Industrie also, die letztlich den Dammbruch von Brumadinho in Kauf nahm, der rund 250 Menschen das Leben kostete und zu nachhaltigen Umweltschäden führte.
„Ich weiß nur, dass meine Schwester komplett dafür einstand, ein einfaches Leben zu leben. So wie sie es immer sagte: das einfache Leben leben, so dass einfach jeder leben kann“, erzählt uns ein sichtlich ergriffener Tom, der zur Amazonassynode nach Rom gekommen war und an der Zeremonie für die Opfer von Brumadinho teilnahm. Es habe seine Schwester sehr bedrückt, wenn sie den von exzessivem Konsum geprägten Lebensstil in ihrer Heimat USA vor Augen geführt bekam. „Es störte sie sehr, dass wir es einfach nicht verstanden haben, dass wir ein einfacheres Leben führen müssen, damit andere einfach leben können. Und ich denke, sie war diesem Konzept komplett verschrieben.“
In einem Kreis auf dem Boden der Kirche waren rund um den Schriftzug „Gerechtigkeit für Brumadinho“ die Fotos der Menschen ausgestellt, die bei der Tragödie von Brumadinho Anfang des Jahres ihr Leben verloren hatten. Lachend, sorglos, Pläne schmiedend, die nie in Erfüllung gehen sollten. Ihrer gedachten die zahlreichen Menschen, die an diesem Samstag den Weg in die kleine Kirche an der Via della Conciliazione, nur einen Steinwurf vom Vatikan entfernt, gefunden hatten. Zum Ende der Zeremonie dann ein besonderer Moment, erzählt Stang: „Als sie jeden dazu aufgerufen haben, zum Geist der Katakomben zurückzukehren, das war sehr beeindruckend. Der Ort war voller Bischöfe und Kardinäle, die sich selbst dazu verpflichtet haben, kein Leben im Überfluss zu leben, sondern ein einfaches Leben, Hand in Hand mit den Armen, denen sie dienen. Das hat mich sehr berührt. Meine Schwester war berühmt für den Ausdruck: Wenn du das Leben der Armen führst, dann wirst du verstehen, wie du handeln musst.“
Denn letztlich sei alles „ganz einfach“, habe seine Schwester immer wieder gesagt: „Alles, was du tun musst, ist mit den Armen leben, ihr Essen essen, den Lebensstil der Armen leben - dann wirst du keinen Zweifel haben, was zu tun ist. Du brauchst keine jahrelange Forschung der Moraltheologie, um zu entscheiden, was jetzt zu tun ist.“
Seine Schwester habe der Kongregation Notre Dame de Namur angehört, die sich für die Ausbildung Armer einsetzt, und sei auch selbst zeitlebens eine „wundervolle“ Lehrerin gewesen, erinnert sich Tom Stang. Dorothy habe viele wertvolle Lektionen hinterlassen, die nun „hoffentlich in die Tat umgesetzt“ würden. Er habe kurzfristig beschossen, zur Synode nach Rom zu reisen, berichtet der Bruder der kämpferischen Ordensfrau:
„Vor zwei Wochen habe ich mir selbst gesagt, meine Güte, diese Synode ist alles, wofür meine Schwester gelebt hat und gestorben ist. Die Sorge um Mutter Natur, die Sorge um die Armen. Und so habe ich gesagt, ich muss unbedingt für das Ende der Synode hier sein. Ich weiß nicht, wie oder warum, aber ich muss einfach hier sein, um das zu ehren, worüber Hunderte von Leuten drei Wochen beraten haben. Und ich kam hier an und wurde geradezu mit Liebe überwältigt, von Bischöfen, Kardinälen, allen möglichen Leuten! Und ich weiß, dass die Liebe, die ich empfange, Dorothy gilt. Es ist offensichtlich, dass die Liebe für sie überwältigend ist. Und ich bin der glückliche Empfänger all dieser Liebe….“
Hintergrund
Dorothy Stang, Jahrgang 1931, kam 1966 nach Brasilien, wo sie für den Erhalt des Regenwaldes und den Respekt und die Rechte der dortigen Bevölkerung eintrat. Damit war sie den Großgrundbesitzern rasch ein Dorn im Auge und bekam zeitlebens Morddrohungen. Am 12. Februar 2005 wurde sie auf dem Weg zu einem Treffen im Dschungel von zwei Arbeitern im Auftrag lokaler Großgrundbesitzer kaltblütig ermordet. Nach jahrelangen Prozessen wurden schließlich zwei Großgrundbesitzer dafür verurteilt, den Mord an der Ordensfrau in Auftrag gegeben zu haben. Erst im April dieses Jahres wurde der zweite Auftraggeber festgenommen, nachdem er jahrelang unbehelligt auf freiem Fuß geblieben war.
(vatican news - cs)
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