Soldaten protestieren am 7. Januar im syrischen Aleppo gegen die Tötung Soleimanis Soldaten protestieren am 7. Januar im syrischen Aleppo gegen die Tötung Soleimanis 

Analyse: Soleimani, Trump, die Drohne und die Moral

Lässt sich die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch eine US-Drohne juristisch und moralisch rechtfertigen? Damit beschäftigt sich eine Analyse der italienischen katholischen Zeitung Avvenire.

Das erste Recht, das die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1776 aufführt, ist das Recht auf Leben, und US-Präsident Trump beruft sich darauf, wenn er gegen Abtreibung eintritt. Doch gilt dieses Recht auf Leben auch für Übeltäter wie Soleimani, oder gilt es etwa nur für Unschuldige?

Die katholische italienische Tageszeitung Avvenire wirft diese Frage an diesem Donnerstag in einer Analyse auf. Wer hat denn, so geht der Gedankengang des Autors Andrea Lavazza (Professor für Neuroethik) weiter, die Kompetenz, über Schuld oder Unschuld zu befinden?

Kein Akt der Selbstverteidigung, kein gerechter Krieg

Die Antwort: „Wenn Amerika ein Rechtsstaat ist, müsste dazu ein Prozess stattfinden. Seit 2002 gibt es einen internationalen Strafgerichtshof, dessen Statut allerdings weder die USA noch Iran beigetreten sind. Wenn aber eine Regierung ohne Prozess oder Bestätigung durch andere staatliche Einrichtungen einfach beschließen kann, wer zu töten ist, dann wird es schwierig, etwas Prinzipielles dagegen einzuwenden, wenn auch ein Staat wie Iran zu solchen Mitteln greifen sollte.“

Die Angaben aus dem Pentagon lassen – das ist ein weiterer Punkt – nicht darauf schließen, dass die Tötung Soleimanis als Akt der Selbstverteidigung gegen unmittelbar bevorstehende Terroranschläge zu werten wäre. Aber können sich die USA vielleicht auf das Prinzip des „gerechten Kriegs“ berufen? Lavazza wendet dagegen ein, die USA hätten ja dem Iran gar nicht den Krieg erklärt – „ein Akt, den die Verfassung dem Kongress allein vorbehält“.

„Illegal und unmoralisch“

Damit wird sein Urteil noch eindeutiger: Trumps Drohnenangriff auf den iranischen General war „illegal und unmoralisch“. „Mit negativen Folgen – nicht nur, was die militärische Eskalation in Nahost betrifft, sondern auch dadurch, dass er zum Niedergang des Respekts vor dem Völkerrecht beiträgt.“

Die Vatikanzeitung Osservatore Romano hat in den letzten Tagen noch keine Analyse veröffentlicht, die sich mit dem Text in der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz vergleichen ließe. Allerdings hat der Osservatore ausführlich über die Iran-Eskalation berichtet. Am Sonntag, 5. Januar, zitierte er auf seiner Titelseite ausführlich Stimmen, die vor einer Spirale der Gewalt im Nahen Osten warnten. Und er zitierte den Nuntius im Iran mit dem Satz: „Gute Politik steht im Dienst des Friedens.“

(avvenire/vatican news - sk)
 

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09. Januar 2020, 10:03