Bartholomaios I., Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I., Patriarch von Konstantinopel

Orthodoxe Krise: Bartholomaios kritisiert Moskau

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. fährt im Konflikt mit dem Patriarchat von Moskau um die Ukraine abermals schweres Geschütz auf.

In einem Interview mit Zyperns Tageszeitung „Phileleftheros“ betont das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen weltweit, seine Entscheidung für die Eigenständigkeit der orthodoxen Kirche der Ukraine sei nicht ohne vorherige jahrelange Konsultationen mit dem Moskauer Patriarchat erfolgt. Moskau habe diese Gespräche aber systematisch behindert.

Das Moskauer Patriarchat hatte die Zuständigkeit für Kiew seit 1686 in Anspruch genommen. Damals war die Ukraine im „Ewigen Frieden“ von Polen an Russland gefallen. Seit ihrer vorübergehenden Verselbstständigung nach dem Ersten Weltkrieg und besonders ab der endgültigen Unabhängigkeit von 1991 gab es wieder Bestrebungen, eine von Moskau unabhängige ukrainische Kirche zu gründen.

Seit den 90er Jahren vertrauliche Gespräche mit Moskau zur Ukraine

Ihre alte Mutterkirche Konstantinopel nahm bereits in den 1990er Jahren einen Teil der Exilukrainer unter ihre Jurisdiktion und begann damals Verhandlungen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche über eine Verselbstständigung der Orthodoxie in der Ukraine. Für diese Konsultationen waren an der Seite Bartholomaios', der in Istanbul residiert, zunächst Metropolit Meliton Karas von Philadelphia (bis 2008), anschließend Österreichs Metropolit Michael Staikos (verst. 2011) und seitdem der Pariser Metropolit Emmanuel Adamakis verantwortlich.

Alle Ukraine-Kontakte mit Moskau wurden so vertraulich geführt, dass dann von den Russen die Autokephalie-Erklärung durch das Ökumenische Patriarchat als völlig überraschender, für sie brüskierender Alleingang hingestellt werden konnte, schreibt die Wiener Stiftung „Pro Oriente“ an diesem Dienstag. Erst jetzt, nach den gegen Konstantinopel und ihn persönlich erhobenen Vorwürfen auf der von Moskau gesteuerten „Brüderlichen Versammlung“ einiger orthodoxer Oberhirten in Amman, dürfte sich Bartholomaios nach dem Eindruck von „Pro Oriente“ entschlossen haben, Klartext zu sprechen.

„Moskau behinderte auf systematische Weise den Fortschritt des Dialogs“

„Das Ökumenische Patriarchat hat lange einen Dialog mit dem Patriarchat Moskau zur kirchlichen Situation in der Ukraine geführt. Doch Moskau behinderte auf systematische Weise den Fortschritt und positiven Ausgang des Dialogs“, erklärte der griechisch-orthodoxe Patriarch von Konstantinopel in dem Interview.

Darauf habe die Russische Orthodoxe Kirche dem Phanar keinen anderen Weg als sein alleiniges Vorgehen gelassen: „Das Ökumenische Patriarchat kennt nur zu gut seine gesamtorthodoxe Verantwortlichkeit und auch die Art und Weise ihrer Anwendung ... Bei der ukrainischen Autokephalie handelt es sich um eine vollendete kirchliche Tatsache, die weder durch ihre Anzweiflung oder den Widerstand irgendeiner anderen Kirche rückgängig zu machen ist.“

„Die einzige Lösung ist die Anerkennung der ukrainischen Autokephalie von Seiten aller orthodoxen Kirchenoberhäupter“

Merkwürdig daran sei, dass das Patriarchat von Moskau und die mit ihm verbundenen Kirchen mit ihrer Kritik am Ast des eigenen autokephalen (d.h. kirchlich eigenständigen) Status sägten, den sie auf analoge Weise wie die Orthodoxie der Ukraine von der „Großen Kirche Christi“, d.h. von Konstantinopel, erhalten hätten. „Die einzige Lösung ist daher die Anerkennung der ukrainischen Autokephalie von Seiten aller orthodoxen Kirchenoberhäupter“, stellte der Ökumenische Patriarch fest.

Kirchlicher Wiederaufbau in der Türkei

Unbeirrt von alldem will Bartholomaios seine Bemühungen um die Rechristianisierung der in der Türkei während und nach dem Ersten Weltkrieg von Orthodoxen „gesäuberten“ Gebiete durch den Wiederaufbau zerstörter Kirchen und die Wiedererrichtung von Diözesen fortsetzen. Zwar seien erst wenige Nachkommen der damals Vertriebenen zurückgekehrt. Zugleich gebe es jedoch heute in der Türkei zahlreiche orthodoxe Wirtschaftsmigranten aus dem ehemaligen Ostblock.

Auf der Heimatinsel des Patriarchen, Imbros am Eingang zu den Dardanellen, war die Christenvertreibung erst ab 1964 erfolgt. Heute gebe es auch dort einen Neubeginn. Eben erst hat Bartholomaios den in der Neuevangelisierung seit Jahren in Izmir (Smyrna) erfahrenen Bischof Kyrillos Sykis zum neuen Metropoliten von Imbros ernannt. Auf dieser Insel ist die christliche Rückkehrbewegung am stärksten. Auch orthodoxe Grundschulen und ein Gymnasium gibt es dort wieder.

2020 ist orthodoxes Jahr der Jugend

„Die Jugend ist nicht nur die Zukunft der Kirche. Sie bildet auch den lebendigsten Faktor ihrer Gegenwart, wie es das Orthodoxe Konzil von Kreta 2016 formuliert hat“, beschloss der Ökumenische Patriarch das Interview. Deshalb habe er 2020 zum Jugendjahr erklärt und wolle im August in der Türkei einen Orthodoxen Jugendkongress abhalten.

(pro oriente – sk)
 

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17. März 2020, 13:26